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Buchhandel: Amazon: Erst kommt das Buch, dann die Moral

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Amazon: Erst kommt das Buch, dann die Moral

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    Zerstört Amazon die schöne, alte Welt der Bücher?
    Zerstört Amazon die schöne, alte Welt der Bücher? Foto: Axel Hechelmann (Symbolbild)

    Wenn derzeit über die Welt der Bücher geredet wird, dann oft mit einem fast mitleidigen Unterton. Ein wenig so, wie man auch von der betagten Verwandtschaft spricht. Hoffentlich hat sie noch ein paar schöne Jahre. Und wer in den neu erschienenen Büchern stöbert, der stellt fest: Auch da gibt es schon eine Art Abgesang auf diese Welt, wabert Melancholie und Sentimentalität durch die Seiten.

    Die Anzahl der Romane, die von drolligen Buchhändlerinnen oder belesenen, weltabgewandten Käuzen handeln, nimmt gefühlt jedenfalls stetig zu. Als Schauplatz dient meist eine kleine, vergessene Buchhandlung, ein bisschen staubig, ein wenig geheimnisvoll, die den Duft des vergangenen Jahrhunderts verströmt. Zukunft sieht anders aus. Und hört sich auch anders an.

    Amazon erpresst Verlage

    Dass da nicht mehr viel zu machen ist und Amazon sich demnächst zum Armageddon der schönen, alten Welt der Bücher auswächst, den Eindruck kann man auch bei der Debatte bekommen, die derzeit tobt. Worum es geht?

    Es gab Protestbriefe von Schriftstellern rund um den Globus, Boykottaufrufe, und in die Debatte kam eine Emotionalität, die ansatzweise zuletzt erreicht wurde, als es um die gute, alte Glühbirne ging. Seitdem bestellen zwar immer noch sehr, sehr viele Menschen ihre Bücher bei Amazon, aber immer mehr mit schlechtem Gewissen. Frei nach Brecht: Erst kommt das Buch, dann kommt die Moral.

    Amazon dominiert den deutschen Online-Versandbuchhandel

    Das ist Amazon

    Gegründet wurde Amazon 1994 von Jeff Bezos.

    Sitz der Konzern-Zentrale ist Seattle, die europäische Firmenzentrale ist in Luxemburg.

    Deutsche Zentrale von Amazon ist in München. Logistikzentren gibt es in Graben, Bad Hersfeld, Leipzig, Rheinberg, Werne, Pforzheim, Koblenz und Brieselang. Kundenserviezentren betreibt Amazon in Berlin und Regensburg.

    Der weltweite Netto-Umsatz von Amazon betrug 2015 rund 107 Milliarden US-Dollar.

    Bei Amazon sollen weltweit über 300.000 Menschen beschäftigt sein. Die Zahlen schwanken aber stark. Gerade im Vorweihnachtsgeschäft beschäftigt der Konzern Massen von Leih- und Saisonarbeitern.

    Wegen seiner Arbeitsbedingungen steht Amazon regelmäßig in der Kritik.

    Gewerkschaften kritisieren, dass Amazon Leiharbeiter schlecht behandle. Zudem ist von Lohndrückerei und hohem Kontrolldruck die Rede.

    Amazon hat nach eigenen Angaben die weltweit größte Auswahl für Bücher, CDs und Videos im Internet.

    Amazon zählt neben Apple, Google, Facebook und Ebay zu den wichtigsten und einflussreichsten Online-Unternehmen der Welt.

    2014 brachte Amazon sein eigenes Smartphone mit dem Namen "Firephone" auf den Markt - was allerdings kein rechter Erfolg wurde.

    Auch wenn Amazon zuletzt Imageverluste hinnehmen musste, die Erfolgsgeschichte bleibt also eine. Der Online-Gigant ist auf dem besten Wege, Monopolist zu werden. In Amerika wickelt der Riese bereits die Hälfte des Buchhandels ab, und wer früher als Goliath geschmäht wurde wie die Buchhandelskette Barnes & Nobles, kann sich nun zumindest als sympathischer David vermarkten. Was zu befürchten war, ist schon eingetreten: Laut New York Times hat Amazon begonnen, die Endpreise für einige Bücher zu erhöhen. Wer kann, der macht eben auch.

    In Deutschland sieht es noch anders aus. Zwar dominiert Amazon mit über 80 Prozent den Anteil am Online-Versandbuchhandel, am Gesamtumsatz hat der Netzriese dann aber doch „nur“ einen Anteil von weniger als zwanzig Prozent. Die Buchpreisbindung, das gut funktionierende Vertriebssystem und das dichte Netz von Buchhandlungen haben dem Giganten bislang einen gewissen Einhalt geboten.

    Was auf Dauer aber passieren wird, ist natürlich dies: Amazon macht auch hier, was möglich ist. Macht also die Flatrate, macht, soweit im Land der Buchpreisbindung möglich, auf billig und nimmt sogar Verluste in Kauf, bis die Konkurrenz aus dem Wege ist.

    Soll die Bücherwelt nicht veröden, braucht es mehr

    Was also tun? Das wird auch das große Thema der heute beginnenden Buchmesse in Frankfurt sein. Die Verlage haben sich zuletzt gewehrt und mit Amazon um die Rabatte für E-Books gerungen. Die Entscheidung, ob es nun 40 oder 50 Prozent werden, ist noch nicht gefallen. Sie wird die Schlacht nicht entscheiden. Wenn die Bücherwelt nicht veröden soll, braucht es ohnehin mehr.

    Eine Politik, die für die Buchpreisbindung kämpft, ein Kartellrecht, mit dem die neuen Netzriesen in Schach gehalten werden können, Verlage, die das E-Book-Geschäft so ernst nehmen wie das Kerngeschäft mit Gedrucktem, Buchhändler, die nicht nur besser beraten, sondern auch das Buch schneller als Amazon zur Haustüre bringen. Denn das lieben Kunden. Dann klappt’s auch mit der Moral.

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