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Brexit: Im Brexit-Streit droht jetzt ein Würstchenkrieg

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Im Brexit-Streit droht jetzt ein Würstchenkrieg

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    Großbritanniens Premier Boris Johnson hat sich schon im Wahlkampf für Würstchen-Produzenten eingesetzt. Doch die Aufgabe nun ist größer.
    Großbritanniens Premier Boris Johnson hat sich schon im Wahlkampf für Würstchen-Produzenten eingesetzt. Doch die Aufgabe nun ist größer. Foto: dpa

    Am Rande eines „Würstchenkriegs“ stünden die EU und das Königreich, betitelte die britische Presse die jüngste Eskalation zwischen den beiden Partnern in Sachen Brexit. Dementsprechend rau klang der Ton, als sich am Mittwoch in London der britische Brexit-Minister Sir David Frost und EU-Kommissionsvizepräsident Maros Sefcovic trafen, um eine Lösung im Streit um die Umsetzung der Sonderregeln zu finden. Ein Durchbruch blieb aus. Vielmehr herrscht sichtlich Misstrauen. Jede Seite sucht – wie gewohnt in dieser Saga – die Schuld bei der anderen. Man befinde sich „an einem Scheideweg“, sagte Sefcovic. Frost kritisierte die EU für ihren „puristischen“ Ansatz bei der Implementierung des Nordirland-Protokolls, festgeschrieben im Brexit-Abkommen.

    Es geht abermals um den nördlichen Landesteil, der seit Jahren als Zankapfel herhalten muss. Denn bei der Lieferung von Fleischprodukten wie Würstchen, Hackfleisch, Lammsteaks und Hühnerschlegeln von Großbritannien in die Provinz drohen ab nächstem Monat, wenn die vereinbarte Übergangsphase ausläuft, Kontrollen. Die Sorge vor Versorgungslücken in nordirischen Supermärkten ist deshalb groß. Aber auch beispielsweise Medikamente wären von den neuen Vorschriften betroffen. Inakzeptabel für London. Eine logische Folge des Brexits für Brüssel. Frost rief die EU zu „Pragmatismus und gesundem Menschenverstand“ auf. Der Disput dürfte auch am Wochenende beim G7-Gipfel zu Spannungen führen. Ausgerechnet US-Präsident Joe Biden, der gerne seine irischen Wurzeln betont, könnte als versöhnende Brücke zwischen der EU und Großbritannien fungieren. So jedenfalls lautet die Hoffnung hinter den Kulissen.

    Die Übergangsregel läuft Ende des Monats aus

    Mit dem im Brexit-Abkommen vereinbarten Nordirland-Protokoll hatte man eine Lösung gefunden, um sichtbare Kontrollen an der Grenze zwischen der Republik Irland und der zum Königreich gehörenden Provinz Nordirland zu verhindern. Die notwendige Zollgrenze wurde – mit Zustimmung der britischen Regierung – in die Irische See verlegt. Damit gehört der nördliche Landesteil de facto weiterhin zum EU-Binnenmarkt, sodass Warentransporte aus dem Rest des Königreichs nach Nordirland zum Teil kontrolliert werden müssen. Um Probleme zu lindern, einigten sich die Verhandlungspartner auf eine Übergangsregelung mit vereinfachten Kontrollen. Die läuft Ende des Monats aus. London besteht jedoch auf alternativen Regelungen und schließt auch einseitige Aktionen nicht aus.

    Der britische Umweltminister George Eustice forderte von der Staatengemeinschaft eine weniger „bürokratische“ Haltung, nachdem die Regierung bereits signalisiert hat, die Regeln notfalls ignorieren zu wollen. Sefcovic warnte dagegen, die EU werde „schnell, energisch und entschlossen“ handeln, sollte Großbritannien seinen Verpflichtungen nicht nachkommen.

    Gekühltes Fleisch zu exportieren für englische Bauern fast unmöglich

    Frost sagte, die Zeit für „praktische Lösungen“ laufe aus. „Britische Unternehmen entscheiden sich aufgrund des lästigen Papierkrams dafür, ihre Waren nicht nach Nordirland zu verkaufen, Arzneimittelhersteller drohen, lebenswichtige Vorräte zu kürzen, und gekühltes Fleisch britischer Landwirte, das für den nordirischen Markt bestimmt ist, läuft Gefahr, ganz verboten zu werden.“ Weitere Drohungen der EU machten das Leben der Nordiren schwieriger.

    Konservative Politiker verteidigten den Konfrontationskurs von David Frost. Dabei vergessen die Brexit-Hardliner gerne, dass es eben diese Regierung war, die den Vertrag an Heiligabend 2020 nicht nur ausgehandelt und unterzeichnet, sondern geradezu bejubelt hatte. Erst einige Wochen später hieß es plötzlich, dass Aspekte des Protokolls „direkte und oft unverhältnismäßige Auswirkungen“ auf die Bürger Nordirlands hätten. Für Beobachter und Wirtschaftsexperten kamen diese Folgen wenig überraschend. Johnson und Co. aber ignorierten jegliche potenzielle Schwierigkeiten – und machen die EU verantwortlich für die Probleme. Die wiederum scheint sich bei dem Thema wenig bewegen zu wollen, sondern pocht auf die Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen.

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