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Börsenskandal: Aktie bricht ein: Wirecard-Chef scheitert mit Befreiungsversuch

Börsenskandal

Aktie bricht ein: Wirecard-Chef scheitert mit Befreiungsversuch

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    Markus Braun, Geschäftsführer bei Wirecard, konnte abermals keine Bilanz vorlegen.
    Markus Braun, Geschäftsführer bei Wirecard, konnte abermals keine Bilanz vorlegen. Foto: Lino Mirgeler, dpa

    Wer ist Markus Braun? Ein Mann, der, auch wenn er mit dem Rücken zur Wand steht, seinen kühlen Wirtschaftsinformatiker-Verstand walten lässt und an die Zukunft des Online-Zahlungsabwicklers Wirecard glaubt? Oder ein Mann, der sich als Chef des Unternehmens aus Aschheim bei München verzockt hat, indem er bei Auslandsgeschäften nicht die notwendige Sorgfalt walten ließ?

    Die Börse hat jedenfalls am Donnerstag den Finger über den 1969 in Wien geborenen öffentlichkeitsscheuen Wirecard-Chef mit dem Pokerface gesenkt. Eindeutiger hätte das Missfallensvotum der Aktionäre über die Firma mit rund 5800 Beschäftigten, die es in die deutsche Börsen-Oberklasse des Dax geschafft hat, nicht ausfallen können: Das Wirecard-Papier wurde nach unten geprügelt, als ob einer Regierung fast alle Koalitionäre das Vertrauen entziehen. Die Aktie brach mit einem Wumms, besser gesagt: Bumms von gut 100 Euro schlagartig auf zum Teil unter 30 Euro ein.

    Auslöser des Kurs-Desasters war die bittere Erkenntnis, dass Braun und das Unternehmen sich wieder nicht aus dem Dauer-Schlamassel befreien: Denn zum vierten Mal in Folge können die Wirecard-Manager den Schwur, endlich eine von Wirtschaftsprüfern testierte Bilanz vorzulegen, nicht einlösen.

    Wirecard: Die exzellenten Geschäftszahlen treten in den Hintergrund

    Dabei hatte Braun so sehr gehofft, nun endlich dank eines Freibriefs von der Spezialisten von EY (Ernst & Young) sich wieder auf das selbst in Corona-Zeiten einträgliche Geschäft mit der Abwicklungen von Online-Zahlungen konzentrieren zu können. Schließlich verdient Wirecard, ohne dass Verbraucher das merken, bei vielen solcher Geschäfte rund um den Globus mit. Doch die exzellenten vorläufigen Zahlen für 2019, als demnach der Umsatz um 37,5 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro und der Gewinn von 347,4 auf 482,4 Millionen Euro nach oben geschnellt ist, nutzen Braun wenig. Er kann damit kaum verloren gegangenes Vertrauen der Aktionäre wettmachen, schließlich fehlt ihm immer noch das Testat der Wirtschaftsprüfer für die Bilanz 2019.

    Als nun die Meldung über die Ohrfeige von Ernst & Young für die Wirecard-Führungstruppe bekannt wurde, fiel die Aktie des Unternehmens über den 100-Euro-Buckel ins Nichts. Doch warum wollen die Wirtschaftsprüfer dem auf dem Papier erfolgreichen Braun nicht geben, nach was er sich derart sehnt?

    Es lohnt sich ein genaues Studium der sehr verklausuliert formulierten schriftlichen Begründung für die EY-Ohrfeige. Dabei führt die Reise ins Ausland, also in Länder, in denen das stark wachsende Unternehmen aus Bayern über keine Bank-Lizenz verfügt und sich um den eigenen Expansionsgelüsten gerecht zu werden, nicht näher ausgeführten Drittanbietern bedient. Tochtergesellschaften der Wirecard AG haben nach Darstellung von Ernst & Young auf solche Treuhandkonten im Ausland Sicherheitsleistungen von unglaublich hohen 1,9 Milliarden Euro eingezahlt. Hier sind, wie Wirecard einräumt, zwei asiatische Banken im Spiel. Doch für den Betrag, der auf fast groteske Weise einem Viertel der Wirecard-Bilanzsumme entspricht, wurden Ernst & Young bisher keine Prüfungsnachweise vorgelegt. Es ist also, was die Wirtschaftsprüfer nicht konkret benennen, unklar, ob diese Summen in der Höhe korrekt sind oder, was Wirecard-Kritiker zu bedenken geben, überhaupt existieren.

    Wie will Wirecard-Chef Braun seinen Kopf retten?

    Jetzt sieht sich der Dax-Konzern als Opfer eines „gigantischen Betrugs“.
    Jetzt sieht sich der Dax-Konzern als Opfer eines „gigantischen Betrugs“. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Die Rechercheure der Financial Times vermuten, dass hier Umsätze künstlich aufgebläht worden sind. Die Vorwürfe sind bisher nicht bewiesen worden. Sollten sie sich aber erhärten, stellt sich die Frage, wer das veranlasst hat und welche Personen seitens Wirecard und asiatischen Finanzdienstleistern davon wussten. Der Sachverhalt ist unklar und nach Ansicht eines erfahrene, von unserer Redaktion befragten Bank-Experten, schwer zu ermitteln: „Schließlich spielen die Fälle im Ausland mit anderen Rechtssystemen. Solche Untersuchungen können ewig dauern und irgendwann im Sand verlaufen.“

    Braun hat es aber eilig, auch um seinen Kopf als Wirecard-Chef zu retten. Nun versucht er nach einer Razzia bei dem Konzern und einer Anzeige der deutschen Finanzaufsicht Bafin gegen das Unternehmen den Spieß umzudrehen. Weil es aus seiner Sicht unklar ist, ob betrügerische Vorgänge zum Nachteil von Wirecard vorliegen, erstattet das Unternehmen Anzeige gegen unbekannt. Ist Braun also der Betrogene? Oder wusste er um mögliche Tricksereien? Wer den Manager bei seinen seltenen öffentlichen Auftritten beobachtet, wird aus ihm und dem Unternehmen nicht schlau.

    Schlau wäre es aber, Wirecard könnte endlich eine genehmigte Bilanz vorlegen. Geschieht das nicht bis zum Freitag, können Banken Kredite des Unternehmens von rund zwei Milliarden Euro kündigen. Dann wird es eng für die Bayern und Braun. Robert Peres, Rechtsanwalt und Vorsitzender der Initiative Minderheitsaktionäre, sagte unserer Redaktion: „Eine Aktie wie Wirecard hat im Dax nichts verloren.“ Und auch für Braun weiß er eine Empfehlung: „Aus Aktionärssicht wäre es ratsam, wenn er gehen würde.“ Die Anlegergemeinschaft SdK prüft schon eine Sammelklage gegen Wirecard. Und die Bitte der Anleger-Vereinigung DSW, die Staatsanwaltschaft möge sich den Fall wegen des Betrugsverdachts gegen die Firma vorknöpfen, scheint Gehör zu finden. Die Münchner Staatsanwaltschaft prüft die dubiosen Vorgänge zumindest.

    Wenn Wirecard aus dem Dax fliegt, stehen mit dem Aromen- und Duftstoffhersteller Symrise und dem Online-Essenslieferanten Delivery Hero Aufrücker schon parat.

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Wirecard gehört nicht mehr in den Dax

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