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Betrug: "Spitze des Eisberges": 647 Mindestlohnverstöße in Bayern aufgedeckt

Betrug

"Spitze des Eisberges": 647 Mindestlohnverstöße in Bayern aufgedeckt

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    In Bayern wurden über 600 Mindestlohnverstöße aufgedeckt.
    In Bayern wurden über 600 Mindestlohnverstöße aufgedeckt. Foto: IG Bau

    Wegen Mindestlohnverstößen hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit an den sieben bayerischen Hauptzollämtern im vergangenen Jahr 647 Ermittlungsverfahren gegen Unternehmen eingeleitet. Dies geht aus Zahlen der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) hervor, die unserer Redaktion vorliegen. IG-Bau-Bundesvorsitzender Robert Feiger spricht dabei von einer "Spitze des Eisberges".

    Die meisten Verstöße gibt es in der Baubranche

    Deutschlandweit hat es 2020 4220 Verstöße gegen den Mindestlohn gegeben. Spitzenreiter, auch in Bayern, ist die Baubranche. Über ein Fünftel (136) der Verstöße entfallen der Gewerkschaft zufolge auf die Arbeit an bayerischen Baustellen. 169 Verstöße wurden in Unternehmen aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe aufgedeckt, 31 in der Gebäudereinigung. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf die Zahlen des Bundesfinanzministeriums für die Hauptzollämter in Augsburg, Landshut, München, Nürnberg, Regensburg, Rosenheim und Schweinfurt.

    Feiger, der auch Mitglied der Mindestlohnkommission ist, kritisiert diesen Zustand massiv: "Verstöße gegen Mindestlöhne durch unseriöse und kriminelle Unternehmen betreffen allein im Bayern tausende von Beschäftigten". Es könnten außerdem weit mehr als die über 600 Verstöße sein, denn: "Der Zoll erwischt nur die Arbeitgeber, bei denen auch kontrolliert wird. Die tatsächliche Zahl der Fälle, in denen entweder der gesetzliche Mindestlohn oder bestehende Branchenmindestlöhne, die etwa auf Baustellen oder in der Gebäudereinigung gelten, nicht korrekt an Arbeitnehmer gezahlt wurden, dürfte in Bayern daher weitaus höher sein", berichtet Feiger.

    In Augsburg hat es 2020 insgesamt 115 Verstöße gegeben

    Im Bereich des Hauptzollamts Augsburg sind im Jahr 2019 700.460 Euro Bußgelder verhängt worden, im vergangenen Jahr stiegen die Strafzahlungen auf 1.059.706 Euro bei 115 Verstößen. Bayernweit haben die Hauptzollämter Bußgelder von fast 5,8 Millionen Euro verhängt, 2,3 Millionen Euro davon allein gegen Bauunternehmen. Für den IG Bau-Bundesvorsitzenden sind die Zahlen der aufgedeckten Fälle, aber auch der verhängten Bußgelder ein Beweis dafür, dass Mindestlohnbetrug noch immer ein Problem auf dem Bau ist: "Auch wenn sich der überwiegende Teil der Unternehmen gesetzestreu verhält, sorgen ‚schwarze Schafe’ mit ihren Machenschaften auf vielen Baustellen immer noch für 'Wild-West-Methoden'". Die Lohnwillkür einiger Chefs sei unglaublich, so Feiger weiter: "Es ist nicht nur unanständig, den Beschäftigten keine Tariflöhne zu zahlen. Ihnen auch noch den vorgeschriebenen Branchen-Mindestlohn vorzuenthalten, das ist kriminell."

    Um den Mindestlohnbetrug einzudämmen, fordert Feiger mehr Kontrollen durch den Zoll und eine massive Erhöhung der Bußgelder. "Ein stärkerer Kontrolldruck und eine größere Abschreckungswirkung sind nötig – im Interesse der Beschäftigten, aber auch im Interesse der ehrlichen Unternehmen." Zudem fordert der IG Bau-Bundesvorsitzende eine gesetzliche Regelung, die Firmen automatisch verpflichtet, entgangenen Arbeitslohn nachzuzahlen. "Bei festgestellten Mindestlohnverstößen müssen die Arbeitgeber zwar Bußgelder sowie die entgangenen Steuern und Sozialabgaben nachzahlen, nicht aber den zu wenig gezahlten Lohn." Wenn die Beschäftigten ihr Geld haben wollen, müssen sie es selbst einklagen. Damit soll Schluss sein. Neben Feiger spricht sich auch Karl Bauer, der Regionalleiter der IG Bau in Bayern, für ein öffentliches Mindestlohn-Melderegister aus. In das Register eingetragene Verstöße von Unternehmen sollen Grundlage dafür sein, kriminelle Unternehmen von Vergaben öffentlicher Aufträge auszuschließen. Dazu zählt laut Feiger auch schon, wenn ein Unternehmen bei Auftragsangeboten bewusst falsch erklärt, dass es die Bestimmungen zu Mindestlöhnen einhält.

    "Eine Mindestlohnerhöhung wäre mehr als gerecht"

    2020 wurden im Freistaat trotz der Corona-Krise nach Angaben des bayerischen Landesamts für Statistik 4,8 Prozent mehr Wohnungen fertiggestellt als im Rekordjahr 2017. Als eine der wenigen Branchen hat die Baubranche keinen Corona-Einbruch erlebt, im Gegenteil.

    Das bestätigt Regionalleiter Karl Bauer. Dennoch ändert sich bei der Bezahlung wenig. Der Branchenmindestlohn für das Bauhauptgewerbe beträgt seit Januar 2021 bundesweit 12,85 Euro pro Stunde für die Lohngruppe eins. Für Fachkräfte im Westen beträgt der Mindestlohn 15,70 Euro. "Das Ziel wäre, dass der Tariflohn gleichzeitig Mindestlohn ist", sagte Bauer unserer Redaktion. Aktuell komme man bei Tarifverhandlungen zu keinem neuen Ergebnis. "Eine Erhöhung wäre mehr als gerecht", findet Bauer – gerade im Hinblick auf das Arbeitspensum, das während der Pandemie zugenommen habe.

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