Bertelsmann-Stiftung

Vorschlag für internationale Ratingagentur INCRA

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    Die begehrteste Note für die Kreditwürdigkeit eines Landes ist "AAA".
    Die begehrteste Note für die Kreditwürdigkeit eines Landes ist "AAA". Foto: dpa

    Um den drei großen US-Ratingagenturen Standard & Poor's (S&P) , Moody's und Fitch Konkurrenz zu machen, hat die Bertelsmann-Stiftung ein Konzept für eine neue internationale Ratingagentur vorgelegt. "Fragwürdige Beurteilungen der Bonität von Staaten haben erheblich zu der jüngsten Finanzkrise beigetragen", betonte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Gunter Thielen, am Dienstag in Gütersloh. "Wir benötigen dringend eine zusätzliche, unabhängige Institution für die Bewertung von Länderrisiken, und wir müssen die Qualität der Länderratings verbessern."

    Nicht gewinnorientierte Ratingagentur INCRA

    Die Bertelsmann-Stiftung will nun die G20-Gruppe der Industrie- und Schwellenländer von dem Vorschlag überzeugen. Die geplante nicht gewinnorientiert arbeitende Ratingagentur INCRA (International Non-Profit Credit Rating Agency) soll von einem Fonds im Volumen von 400 Millionen Dollar (306 Mio Euro) finanziert werden, aus dessen Ausschüttungen die laufenden Kosten getragen werden. Beteiligen können sich daran Regierungen, Unternehmen, Stiftungen und Privatleute. Die Bertelsmann-Stiftung will auch Investoren in Asien und Lateinamerika bei dem INCRA-Projekt einbinden. Die Ratingagenturen verdienen bislang mit ihren Benotungen Geld.

    Auf eigene Faust will die Stiftung, die die Mehrheit am Medienkonzern Bertelsmann hält, das Projekt jedoch nicht in die Tat umsetzen. "Jetzt ist es an den Staats- und Regierungschefs, dies zu diskutieren", betonte Heuser. Am Donnerstag (19.4.) kommen in Washington auf Einladung der Stiftung Politiker und Wissenschaftler zusammen, um INCRA und andere internationale Themen zu erörtern.

    Die Unternehmensberatung Roland Berger hatte am Montag eingeräumt, dass sie nach monatelangen Gesprächen noch keine konkreten Zusagen von Investoren für die Finanzierung einer europäischen Ratingagentur als Konkurrenz zu den Anbietern aus den USA erhalten hat. Das Startkapital von 300 Millionen Euro soll die Finanzindustrie aufbringen.

    Länderratings und Benotungen internationaler Organisationen

    Die Buchstabencodes der Ratingagenturen

    Ratingagenturen bewerten die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Banken oder Staaten und sind damit äußerst einflussreiche, aber auch umstrittene Akteure auf dem Finanzmarkt. In ihr Urteil fließen veröffentlichte Zahlen ebenso ein wie Brancheneinschätzungen. Die weltweit bedeutendsten Ratingagenturen sind: Standard & Poor's (S&P), Moody's und Fitch.

    Für ihre Einstufungen verwenden die Agenturen Buchstabencodes. Die Skala beginnt bei Standard & Poor's und Fitch etwa mit der Bestnote AAA (Englisch: «Triple A»). Moody's nutzt dieselben Bezeichnungen, schreibt sie aber anders (Aaa). Es folgen AA, A, BBB, BB, B, CCC, CC, C. Die meisten Stufen können mit Plus- und Minuszeichen noch feiner unterteilt werden.

    Ab BB+ beginnt der spekulative Bereich, der auch «Ramsch» (englisch: Junk) genannt wird. Die Skala reicht bis D, das bedeutet, dass ein Ausfall des Schuldners, also die Pleite, eingetreten ist. Eine mögliche Änderung des Ratings kündigen die Agenturen in aller Regel über den Ausblick «positiv», «stabil» und «negativ» an.

    Je schlechter die Ratingagenturen die Bonität eines Schuldners beurteilen, desto teurer und schwieriger wird es für diesen, sich Geld zu besorgen. Die Refinanzierungskosten steigen, schlimmstenfalls ziehen Geldgeber ihr Kapital ab. Am Rating orientieren sich nicht nur Banken, sondern auch andere Investoren. Zuletzt haben Staaten aber trotz einer Herabstufung günstiger Geld bekommen.

    Die Agenturen sind umstritten. Weil sie vor der Finanzkrise Ramschpapiere als sichere Geldanlage anpriesen, wurde ihnen eine Mitschuld an der Krise gegeben. In der Euro-Schuldenkrise gerieten sie wieder in die Kritik: Politiker warfen ihnen vor, die Bonität hoch verschuldeter Euro-Länder trotz milliardenschwerer Hilfspakete auf Ramschstatus abgewertet und damit die Krise weiter verschärft zu haben. (dpa)

    INCRA soll sich ausschließlich auf Länderratings und Benotungen internationaler Organisationen beschränken. Die US-Konkurrenten würden diesen Bereich eher als Imagefaktor betrachten und ihre Ressourcen auf die Bewertungen von Unternehmenspapieren konzentrieren, mit denen sie auch ihr Geld verdienen, heißt es bei der Bertelsmann-Stiftung. Die INCRA-Ratings sollen nichts kosten. Den US-Ratingagenturen wird ein zu großer Einfluss auf die Finanzmärkte während der Eurokrise vorgehalten.

    Die Bundesregierung hatte am Montag erneut betont, dass sie staatliche Beteiligungen an neuen Ratingagenturen ablehnt, da die Märkte dies als politische Einflussnahme bewerten würden. Die Bertelsmann-Stiftung will dieser Kritik mit einem "Sicherheitspuffer" begegnen, erläuterte die zuständige Managerin in Washington, Annette Heuser. Ein Gremium, das zwischen Geldgebern und operativem Geschäft angesiedelt ist, solle solche "Interessenkonflikte möglichst ausschließen". Mitglieder könnten unter anderem auch Wissenschafter und Verbraucherschützer sein. dpa

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