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Bahn-Bilanz: Nur eine Sparte federt die massiven Corona-Verluste der Bahn ab

Bahn-Bilanz

Nur eine Sparte federt die massiven Corona-Verluste der Bahn ab

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    Die Fahrgastzahlen der Deutschen Bahn sind während der Corona-Pandemie eingebrochen.
    Die Fahrgastzahlen der Deutschen Bahn sind während der Corona-Pandemie eingebrochen. Foto: Hendrik Schmidt, dpa

    Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz und sein Unternehmen machen eine widersprüchliche Zeit durch. Einerseits steigen nach anderthalb Jahren Corona-Pandemie wieder mehr Fahrgäste in die Züge, andererseits schlagen sich die Ausfälle weiter schwer in den Büchern nieder. Einerseits kann Lutz dieses Jahr mit 6 Milliarden Euro rechnen, die ihm Bundesregierung an Hilfen überweist, andererseits haben die Sturzfluten in Westdeutschland das dortige Schienennetz verwüstet. Einerseits hat die Bahn eine gute Zukunft vor sich, weil sie ein umweltfreundliches Verkehrsmittel ist, andererseits ist ausgerechnet die eigene Lkw-Spedition Schenker ein Gewinnbringer. Die Sparte half mit ihrem operativen Ergebnis von über 600 Millionen Euro im ersten Halbjahr dabei, die Einbrüche anderer Geschäftsbereiche zu dämpfen.

    Richard Lutz soll die Bahn mindestens bis März 2027 führen.
    Richard Lutz soll die Bahn mindestens bis März 2027 führen. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Deutsche Bahn erwirtschaftet Verlust von 1,4 Milliarden Euro

    „Wir haben die Chance, trotz zweifellos schwieriger Umstände rasch wieder auf einen Wachstumskurs zurückzukehren“, sagte der Vorstandsvorsitzende bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen am Donnerstag. Diese schwierigen Umstände haben dazu geführt, dass der Schienenkonzern in den ersten sechs Monaten des Jahres ein Minus von 1,4 Milliarden Euro erwirtschaftet hat. Zwischen Januar und Juni vergangenen Jahres lag der Verlust bei 3,8 Milliarden Euro und damit deutlich höher.

    Seit April nehmen wieder mehr Leute den Zug. Der Bahnvorstand beziffert die Auslastung im Fernverkehr auf rund 40 Prozent. Das hört sich wenig an, ist jedoch im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit ein ordentlicher Wert. Laut Lutz lag auch seinerzeit die Auslastung über alle Fernverkehrszüge bei knapp über der Hälfte. Um zurückkommende Passagiere nicht zu verschrecken, will er - wenn es irgendwie geht - keine Gesundheitspässe kontrollieren müssen. Frankreich hat das verfügt. Dort müssen die Fahrgäste belegen, dass sie eines der 3G erfüllen - also genesen, getestet oder geimpft sind. „Wir haben keine Veranlassung an den Regeln etwas zu ändern“, meinte Lutz. Bahnfahren sei sicher, aber natürlich werde das Unternehmen seinen Beitrag leisten, wenn Bund und Länder andere Regeln festlegten.

    Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL, droht mit Streiks.
    Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL, droht mit Streiks. Foto: Wolfgang Kumm, dpa

    Noch mehr Kunden verschrecken als ein Gesundheitspass könnte allerdings ein Mann, der in der Chefetage der Bahn gefürchtet ist. Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, hat den Managern einen heißen Spätsommer angekündigt. Er lässt die Mitglieder seiner Gewerkschaft derzeit über Streiks abstimmen und rechnet mit einer Zustimmung von 90 Prozent. Am 09. August soll ausgezählt werden. Nur vordergründig geht es ihm dabei um die klassische Forderung nach mehr Geld. Die Bahn ist ohnehin bereit, ihm den verlangten Zuschlag zu geben, wenn auch erst nächstes Jahr. Weselsky wiederum will heuer keine Nullrunde akzeptieren.

    Die Lokführerergewerkschaft GDL fürchtet um ihre Existenz

    Doch eigentlich geht es ihm um etwas ganz anderes. Der Gewerkschaftsboss befürchtet, dass seiner GDL der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Denn die Bahn-Spitze ist entschlossen, das sogenannte Tarifeinheitsgesetz zur Anwendung zu bringen.

    Es besagt, dass in einem Betrieb derjenige Tarifvertrag gilt, den die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern ausgehandelt hat. Die GDL ist aber deutlich kleiner als die konkurrierende Eisenbahnergewerkschaft EVG. Die EVG soll, so ist zu hören, in fast allen Bahn-Tochterfirmen die Mehrheit haben. Tarifverträge mit GDL wären dann aber wertlos und ihre Mitglieder müssten sich fragen, warum sie dort noch Mitglied sind.

    Weselsky sieht sich also selbst im Existenzkampf, was Verhandlungen mit ihm nicht leichter macht. „Was es jetzt hingegen gar nicht braucht, sind Versuche, unsere Belegschaft zu spalten und mit Streiks den aktuellen Aufwärtstrend zu gefährden“, appellierte der Bahn-Chef. Der 57-Jährige versucht die GDL mit einer Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie zu zügeln. Die kleine Lokführergewerkschaft soll zwar weiter Tarifpartner bleiben, aber das Tarifeinheitsgesetz trotzdem gelten. Weselsky kauft das Lutz nicht ab: „Von seinem Ziel, die GDL zu eliminieren, ist der Arbeitgeber in Wahrheit keinen Millimeter abgerückt“, sagte er.

    Der Staat will die Bahn stützen

    Die GDL mit Geld zuschütten kann die Bahn indes nicht, weil sie dann den üppigen Aufschlag allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zahlen müsste. So sieht es die Mechanik im Unternehmen vor. Dann allerdings wäre die Ergebnisprognose für das Gesamtjahr nicht zu halten, die ohnehin mit minus 2 Milliarden Euro im roten Bereich liegt.

    Ab dem kommenden Jahr will das Unternehmen nach dem Corona-Einbruch wieder Geld verdienen. Die Investitionen hat es auch in dieser schwierigen Zeit nicht heruntergefahren. 2000 Kilometer Gleise und über 600 Bahnhöfe werden laut Plan dieses Jahr modernisiert. Die Bahn-Chefs haben die Zusage der Bundesregierung, dass es an den Finanzen nicht scheitern wird.

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