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BWF Group: Diese Schwaben machen die Welt sauberer

BWF Group

Diese Schwaben machen die Welt sauberer

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    Filterschläuche aus Offingen reinigen weltweit Kraftwerksabgase. BWF hält damit die textile Tradition in Schwaben hoch. Philipp von Waldenfels, Stefan und Maximilian Offermann (von links) führen die Geschäfte der Firma.
    Filterschläuche aus Offingen reinigen weltweit Kraftwerksabgase. BWF hält damit die textile Tradition in Schwaben hoch. Philipp von Waldenfels, Stefan und Maximilian Offermann (von links) führen die Geschäfte der Firma. Foto: Bernhard Weizenegger

    Manche Unternehmer können nicht loslassen. Sie klammern an ihren Chefsesseln, weit über das 65. Lebensjahr hinaus. Die Suche nach Nachfolgern wird auf die lange Bank geschoben, was zu Konflikten in den Familien der Betriebsinhaber führt. Selbst wenn der Seniorchef abtritt, bleibt er nicht selten zum Leidwesen seiner Kinder, die nun die Geschäftsführung übernommen haben, eine Art Schatten-Boss. Täglich ist „der Alte“ im Werk unterwegs und macht keinen Hehl daraus, was ihm am neuen Management missfällt.

    Über das Thema sprechen viele Unternehmer nicht gerne. Stefan Offermann schon. Der Unternehmer und Mitinhaber der BWF Group aus Offingen im Landkreis Günzburg bereitet die Firma schon lange auf den Generationswechsel vor. Er wurde 63 und ist sich sicher: „Ende des Jahres bin ich raus. Das reicht dann, schließlich bin ich bereits 1983 in unser Familien-Unternehmen eingetreten.“

    Die BWF Group ist ein klassischer deutscher Hidden Champion

    Raus heißt für ihn wirklich raus. Natürlich werde er seinen Nachfolgern, wenn sie das wollten, Tipps geben. In der Firma solle es aber nicht heißen: „Der Alte ist immer noch da.“ Selbst wenn sich Offermann wie andere Unternehmer für unverzichtbar hielte, wäre für ihn mit 65 Schluss. So sieht es der Gesellschaftervertrag vor, mit dem er und sein Schwager Wolfgang Schmid sich Fesseln anlegten. Beide haben BWF aus dem Ort unweit des Atomkraftwerkes Gundremmingen lange gemeinsam und erfolgreich geführt. Schmid zog sich 2015 mit damals 63 Jahren als geschäftsführender Gesellschafter zurück.

    Die BWF Group ist ein klassischer deutscher Hidden Champion, eben ein Unternehmen, das weltweit Erfolge feiert und dennoch nur in Fachkreisen bekannt ist. Doch die textilen Filterschläuche der Firma reinigen rund um den Globus in Stahl-, Kohlekraft- oder Zementwerken Abgase. Das Unternehmen mit 1800 Mitarbeitern verteidigt auf dem Gebiet schon lange die Position des Weltmarktführers.

    BWF fertigt unter anderem auch in China, den USA, Italien und der Türkei

    Dass die BWF-Lenker sich zum rechtzeitigen Loslassen entschlossen haben, ging mit einer frühen Suche nach Nachfolgern einher. Auch wenn Emotionen an der von ihnen internationalisierten Firma mit Fertigungsstätten in China, den USA, Italien, der Türkei, Indien, Polen, Österreich, Südafrika und Russland hängen, handelten sie, was die Betriebsübergabe betrifft, rational. Dabei fügte es sich gut, dass sie die aus ihrer Sicht besten Nachfolger in Kreisen der Familien aufspürten.

    Zunächst wurde der Wechsel von der vierten auf die fünfte Generation im fränkischen Stamm der Firmeneigentümer angegangen. Lange vertrat Wolfgang Schmid den Zweig, hatten sich doch im Jahr 1962 die beiden Filzfabriken in Offingen und im fränkischen Hof zusammengeschlossen. Nachfolger Schmids wurde Philipp von Waldenfels. Seit 2016 arbeitet der 43-Jährige als Gesellschafter und Geschäftsführer.

    Der promovierte Jurist ist ein Sohn des früheren bayerischen Finanzministers Georg Freiherr von Waldenfels. Philipp von Waldenfels hat sich intensiv in die Technologie eingearbeitet und verantwortet unter anderem das lukrative Umweltgeschäft, die weltweit begehrten technischen Textilien, mit denen Abgase gereinigt werden. Er berichtet von einem Großauftrag für ein chinesisches Stahlwerk. Dort reinigen rund eine Million Filterschläuche, deren Grundprodukt etwa zur Hälfte aus Erdöl gewonnen wird, die Abluft. Von Waldenfels sagt: „Ein großer Teil der Schläuche kommt von uns. Wir filtern hier kleinste Partikel und Feinstäube raus.“ In China seien die Umweltauflagen teilweise höher als in Deutschland. Die Hightech-Textilien der Schwaben tragen dazu bei, die Welt etwas sauberer zu machen.

    Neues BWF-Innovations- und Forschungszentrum in Offingen an der Mindel

    Stefan Offermann zählt die Flüge nach China nicht mehr, so oft war er dort. Dass BWF Marktführer bei Filterschläuchen in dem Riesenreich ist, geht auch auf das Engagement des Unternehmers zurück, der offen und herzlich auf Menschen zugeht. Sein 28-jähriger Sohn Maximilian hat früh erkennen lassen, in dem Unternehmen arbeiten zu wollen. Seit 2018 mischt er in der Geschäftsführung mit. Er hat den Bau eines neuen Innovations- und Forschungszentrums gleich beim Fluss Mindel auf dem Gelände in Offingen angestoßen. Dort tüfteln nun Mitarbeiter und gehen etwa der Frage nach, wie sich Filterschläuche noch besser nähen lassen. Hier könnte vielleicht einmal ein kleines „Mindel-Valley“ entstehen. „Die Entscheidung, ein Ideenlabor in Schwaben und nicht in Berlin oder München zu schaffen, war für uns rasch klar“, sagt Maximilian Offermann. Ganz wie ein Start-up-Unternehmer meint er: „Wenn nach einem Jahr aus einer Idee nichts geworden ist, beenden wir das Projekt.“

    Filzprodukte des Unternehmens stecken auch in den Tatzen von Steiff-Teddybären

    Die BWF Group aus Offingen im Landkreis Günzburg ist ein Familien-Unternehmen. Inzwischen beschäftigt der stark wachsende Mittelständler 1800 Mitarbeiter, darunter 790 in Deutschland und davon allein 600 in Offingen. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 arbeiteten 1300 Frauen und Männer für BWF. In China sind inzwischen schon 540 Frauen und Männer in zwei Werken tätig.

    Das profitable Unternehmen investiert im Schnitt über 20 Millionen Euro im Jahr aus Eigenmitteln. Der Umsatz stieg von 2018 auf 2019 von 280 auf 300 Millionen Euro. 1986 lag der Jahresumsatz umgerechnet noch bei 25 Millionen Euro.

    Klassische Filzprodukte aus Schafwolle waren lange eine Nischenware. Doch Designer, Akustik- und Einrichtungsexperten haben das Material neu entdeckt. Deswegen hat BWF 2019 HEY-SIGN übernommen, das Accessoires, Möbelstücke und Dekorationselemente aus dem Natur-Material herstellt. Nach wie vor macht BWF rund 60 Prozent des Umsatzes mit technischen Textilien. So hat der Unternehmensbereich Envirotec allein 225 000 Filterschläuche für zwei Kohlekraftwerke in Südafrika geliefert.

    Filzprodukte des Hauses helfen sogar beim Recycling von radioaktivem Material, kommen aber auch bei Steiff-Plüschtieren zum Einsatz. BWF-Filz wird auch eingesetzt, um etwa Schall zu dämpfen oder in Autowaschanlagen die Fahrzeuge zu waschen. (sts)

    Der Global Player bekennt sich zu seinem Stammsitz am Land. Um weiter ausreichend gute Kräfte zu gewinnen, ist in Zeiten des Facharbeitermangels mehr Marketing als früher notwendig. Daher haben sich die BWF-Chefs entschieden, einen Mini Cooper Cabrio zu leasen, den Auszubildende je einen Monat kostenlos nutzen dürfen und auch das Benzin vom Arbeitgeber gesponsert bekommen. Um Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, kam ein neues Betriebsrestaurant hinzu, in dem regional mit frischen Zutaten gekocht wird. „Johann’s“ heißt die BWF-Essenszentrale.

    Mit Produkten aus Filz, letztlich Schafwolle fing alles an. Mancher mag sich an Filzpantoffeln made in Offingen erinnern. Deren Produktion wurde dort längst eingestellt. Inzwischen vertreibt das Unternehmen über einen eigenen Online-Shop und einen Laden in Günzburg erneut auch kuschelige Hausschuhe. Naturfilz ist wieder modern geworden, ob als Tischuntersetzer, Sitzauflage, Tasche oder Wärmeflaschenhülle mit einem Herzchen drauf. Solche Dinge bietet BWF an.

    BWF steck auch im Sakko- und Blazerkragen

    Von den meisten Produkten des Unternehmens nehmen aber nur wenige Notiz, sind sie doch gut versteckt, ob als Filzeinlagen unter Sakko- und Blazerkragen oder als nicht brennbares Textil in Zug- oder Flugzeugsitzen. In derartigen Transportmitteln finden sich auch immer wieder Kunststoffprofile von BWF, die lichtverteilende und -lenkende Eigenschaften haben Der gut gedeihende und wachsende Geschäftszweig mit derartigen Profilen wurde früh ab 1956 aufgebaut, um auf mehreren Beinen zu stehen, also konjunkturellen Schwankungen besser trotzen zu können – eine konservative, aber effektive Strategie.

    Dinge früh anzugehen, zieht sich wie ein roter Faden durch die BWF-Welt. Das Rechtzeitig-Gen scheint von Generation an Generation überzugehen. Auch Stefan Offermanns Vater Helmut hat von sich aus früh die Macht abgegeben, um frischen Wind zuzulassen. Er richtete sich auf dem Werksgelände eine Hobby-Schreinerei ein und zog einen Blaumann statt einem Anzug an. Einmal kam ein Lkw-Fahrer auf ihn zu, bei dessen Fahrzeug ein Holzbrett der Ladewand gebrochen war. Er fragte Helmut Offermann, ob er ihm helfen könne, ohne zu wissen, dass er den einstigen Chef vor sich hatte. Ihm wurde geholfen. Der Lkw-Fahrer gab dem vermeintlichen Arbeiter ein Trinkgeld von 50 Pfennig, was der Schwabe annahm.

    Stefan Offermann will, wenn er sich zurückgezogen hat, die Geschichte des Unternehmens aufarbeiten. Gegenwart und Zukunft überlässt er seinen Nachfolgern. Und vielleicht noch in diesem Jahr macht er mit seinem Sohn Maximilian den Angelschein. Die Beiden verstehen sich gut. Über ein Fischwasser verfügen sie bereits, fließt doch die Mindel durch ihr Betriebsgelände. Im „Mindel Valley“ scheint noch vieles möglich zu sein.

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