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Automobilmesse: Start der Automesse IAA in München: Klimaschützer machen Druck

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Start der Automesse IAA in München: Klimaschützer machen Druck

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    „Autos zerstören“: Radikaler Protest von Aktivistinnen und Aktivisten am Dienstag auf der Autobahn 9 bei Fürholzen in Fahrtrichtung München.
    „Autos zerstören“: Radikaler Protest von Aktivistinnen und Aktivisten am Dienstag auf der Autobahn 9 bei Fürholzen in Fahrtrichtung München. Foto: Matthias Balk, dpa

    Fünf Frauen und ein Mann sitzen auf dem Podium eines Münchner Kulturzentrums. Die jungen Frauen wirken durchweg radikaler als der Mitstreiter. Am Freitag wollen sie die Automesse IAA Mobility in München zum Teil zum Erliegen bringen. Schon am Dienstag seilen sich Klimaaktivistinnen und -aktivisten von Brücken auf Autobahnen rund um die Landeshauptstadt ab, sodass Fahrbahnen zum Teil gesperrt und der Verkehr umgeleitet werden muss, ehe die Polizei die Proteste beenden kann.

    Drinnen in der Stadt stecken Managerinnen und Manager der Autokonzerne die Köpfe zusammen, als sie von den waghalsigen Aktionen erfahren. Mancher belehrt väterlich die jungen Leute, will namentlich aber nicht genannt werden. VW-Chef Herbert Diess verkneift es sich, auf die Protestschar loszugehen. Der Manager hat sich zu einer Art Umwelt-Klassensprecher der spät zum Elektroantrieb konvertierten deutschen Autoindustrie aufgeschwungen. In der Klima-Protestszene ist die Rolle auf viele Köpfe – und eben vor allem weibliche – verteilt. Eine Frau fällt besonders auf. Sie sagt: „Hallo, ich bin Lola. Wir blockieren die IAA.“

    Lola schaut ernst in die Presse-Runde. Sie nennt sich mit Nachnamen Löwenzahn, was ein Pseudonym sei, wie sie auf Nachfrage mit der Andeutung eines Lächelns einräumt. Dass die Umweltschützerin ihren richtigen Namen nicht preisgibt, mag damit zu tun haben, dass sie gewillt wirkt, sich an Aktionen rund um die IAA zu beteiligen, bei der die Polizei einschreiten könnte.

    Klimaschützer kritisieren den "Autostaat"

    Löwenzahn und all die anderen sind bereit, bei solchen Demonstrationen ihre Körper einzusetzen. Mehr ins Detail geht die Sprecherin der Vereinigung „Sand im Getriebe“ noch nicht. Doch die Ankündigung, es könne zu Aktionen zivilen Ungehorsams kommen, legt nahe, das sich die jungen Frauen und Männer wie bei der letzten IAA in Frankfurt am Main auf den Boden setzen und damit Eingänge zu Veranstaltungen blockieren. In München haben sie hier viel zu tun, wurde die Mobilitätsmesse doch über die ganze Stadt verstreut. Dabei ist bei Löwenzahn, ja in der Klimaszene generell eine Beharrlichkeit zu beobachten, die an die Sturheit ihrer Eltern- und Großeltern-Generation erinnert, die in Brokdorf oder Wackersdorf gegen den „Atomstaat“ auftrat. Lola Löwenzahn streitet heute gegen den „Autostaat“. So war sie auch bei der Besetzung eines Waldstücks in Hessen, durch das eine Autobahn gebaut wird, dabei. Dazu sagt die Frau: „Wir sind das Unkraut, das immer wieder kommt, da wo es nicht gewünscht wird und den Asphalt aufbricht.“

    Dabei prangert Löwenzahn „die grüne Lüge der Autoindustrie“ an. Der Fachbegriff dafür heißt „Greenwashing“. Demnach wollten sich die Konzerne mit Elektromobilität nur ökologisch reinwaschen. Tut die Generation 20plus Managern wie Diess, der Verbrennungsmotoren den Garaus machen will, unrecht? Müssten sie den VW-Chef nicht als Bruder im Geiste adoptieren? Der VW-Revoluzzer beteuert auf der Messe: „Volkswagen ist anders.“ Um das zu unterstreichen, zeigt das Unternehmen am Konzern-Abend wirklich nur ein Auto und sucht sonst die Diskussion über das autonome Fahren. Als Greenpeace bei der Veranstaltung dennoch demonstriert, wirkt Diess enttäuscht, ja empfindet das „fast als ein bisschen ungerecht“. Warum erkennt Löwenzahn nicht an, dass auch noch ein 62-jähriger Mann wie der Automanager sich an die Spitze des ökologischen Fortschritts stellt?

    VW-Chef Herbert Diess bei der Eröffnung der IAA Mobility in München.
    VW-Chef Herbert Diess bei der Eröffnung der IAA Mobility in München. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Je länger die Gespräche mit den jungen Frauen und Männern dauern, desto klarer wird: Zwischen ihnen und dem Management der Autokonzerne tut sich ein breiter und tiefer Graben auf. Er wirkt unüberwindlich. Carla Reemtsma etwa, eine der Sprecherinnen von Fridays for Future, schüttelt nur den Kopf, wenn sie aufgefordert wird, Diess zumindest einige freundliche Worte dafür zukommen zu lassen, dass er den Auto-Riesen ökologisch in radikaler Weise umkrempelt. „Nein“, sagt sie, „es gibt nichts zu loben.“ Wirklich gar nichts? „Nein, wirklich nichts.“ Denn Löwenzahn wie Reemtsma haben ein grundsätzliches Problem mit der Fahrzeugindustrie: Sie wollen nämlich, dass deutlich weniger Autos auf deutschen Straßen unterwegs sind und nicht mehr in dem Maße Innenstädte zuparken, „also Menschen Raum zum Leben nehmen“.

    Die von einer anderen Mobilität mit kostenlosem Nahverkehr auch auf dem Land träumenden Frauen und Männer empfinden es als „Skandal“, dass es in Deutschland so viele Pkw wie nie zuvor gibt. Anfang des Jahres wurde der Rekordwert von 48,25 Millionen Fahrzeugen erreicht. Löwenzahn und auch Reemtsma fänden es gut, wenn die Zahl um die Hälfte schrumpft, selbst wenn es nur noch Elektroautos gäbe.

    VW-Chef will schlicht mehr Autos verkaufen

    Damit wird klar, warum die beiden Frauen mit Diess wohl niemals auf einen grünen Zweig kommen. Denn der Auftrag des VW-Chefs, der ja einer gewinnorientierten Aktiengesellschaft vorsteht, lautet schlicht, noch mehr Autos zu verkaufen. Das Wort „weniger“ und damit ein anderer Kapitalismus, den die Klimabewegung anstrebt, ist in der Volkswagen-Welt nicht vorgesehen. Diess geht schon an die Grenzen seiner Möglichkeiten, wenn er klimaschädliche Verbrenner in Europa auf Dauer auslaufen lässt.

    Das alles genügt aber den Klimaaktivistinnen und -aktivisten nicht. Sie kritisieren SUV-Elektroautos als zu „fette Karren“, die übermäßig Energie wie kostbare Rohstoffe verbrauchen. Das trage etwa in Afrika, wo seltene Erden für Batterien abgebaut werden, zu Menschenrechtsverletzungen bei. Aus der Perspektive dieser jungen Leute ist das Elektroauto nicht das gute Auto. Ein Motto in der Szene lautet: „Spielplätze statt Parkplätze.“ Stattdessen gibt es aber in einigen Kommunen Überlegungen, Parkbuchten wegen der immer dickeren SUVs größer zu gestalten. Jonathan Kolb vom Landesvorstand der BUND-Jugend geht das gegen den Strich: „Monster-SUVs parken die Stadt voll, während Studierende ihr letztes Hemd geben, um auf engstem Raum in München leben zu können.“

    Dabei ist der Kritikerschar bewusst, dass der geforderte Auto-Schrumpfkurs zu einem massiven Arbeitsplatzverlust führen würde. Der könne jedoch dadurch aufgefangen werden, dass viel mehr Busse, Bahnen und Fahrräder gebaut werden und so neue Jobs entstehen.

    Der Eingang zum "Mobilitätswende Camp München". Die IAA Mobility 2021 findet vom 07.-12.09.2021 in München statt.
    Der Eingang zum "Mobilitätswende Camp München". Die IAA Mobility 2021 findet vom 07.-12.09.2021 in München statt. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Am Ende rauschen in München wie bei der letzten IAA in Frankfurt zwei Blöcke im gegenseitigen Unverständnis aufeinander zu. Und das bei einem neuen Messekonzept, in dem es Platz für kritische Stimmen gibt, jede Menge Fahrräder ausgestellt werden und Autoriesen für ihre Präsentationen in der Münchner Innenstadt ganze Gärtnereien aufgekauft zu haben scheinen, so üppig grünt es dort überall. Mercedes hat vor der Feldherrnhalle eine wuchtige Öko-Carrera-Bahn mit viel Rasen und Holz aufgebaut. Auch dank der deutlich luftigeren BMW-Inszenierung vor der Oper könnte, wenn das Firmen-Logo nicht unübersehbar wäre, der Eindruck entstehen, in der Landeshauptstadt fände ein internationaler Gartenbau-Wettbewerb statt.

    BMW-Chef setzt dem Konzern ehrgeiziges Klimaziel

    Dabei wäre es spannend, wenn Löwenzahn, Reemtsma und Kolb mit BMW-Chef Oliver Zipse und Anna Goldhofer, einer Öko-Vorreiterin des Konzerns, ins Gespräch kämen. Denn der 57-Jährige steht in der BMW-Welt und erklärt, er wolle die Schlagzahl im Kampf gegen den Klimawandel erhöhen. Dabei erfüllt Zipse eine der Hauptforderungen der Umweltbewegung, indem er sich zum 1,5-Grad-Ziel zur Begrenzung der globalen Erwärmung bekennt. Um das zu erreichen, soll der CO2-Ausstoß je Fahrzeug und gefahrenem Kilometer bis 2030 im Vergleich zu 2019 mindestens halbiert werden.

    BMW hat sich also noch einmal strengere Regeln zum Klimaschutz auferlegt. Damit die Ziele erreicht werden, klopft der Konzern alle Teile eines Autos darauf ab, wie hoch ihre heutige CO2-Belastung ist und wie sich der Wert verringern lässt. Bei der gigantischen Fahndungsaktion nach Öko-Übeltätern erlebt Zipse eine „Aufbruchstimmung“ in der Belegschaft. Als wollte er Löwenzahn, Reemtsma und Kolb davon überzeugen, dass er doch letztlich ein Guter sei, ja ihr Verbündeter, meint der Diplom-Ingenieur: „Das ist eine ganz, ganz ernsthafte Geschichte.“ Wie Diess verzichtet Zipse bei der IAA-Vorabpräsentation darauf, die Gegnerschaft mit SUVs zu reizen, sondern versucht, mit einer knubbeligen Elektroauto-Studie, einem netten Mini-Bus und trendigen strombetriebenen Motorrädern zu punkten. Das ist der neue BMW-Öko-Schick.

    Doch just an dem Tag von Zipses Outing als Öko-Kämpfer folgt ein Nackenschlag. Denn es wird bekannt, dass Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe von BMW, Daimler und VW mehr Klimaschutz verlangen und dafür vor Gericht ziehen. Die Konfrontation zwischen den Autokonzernen und Umweltorganisationen verschärft sich fast tragisch noch einmal. Dabei arbeiten längst auch bei BMW junge Menschen, die im Grunde gar nicht so viel anders denken als Löwenzahn, Reemtsma und Kolb.

    Anna Goldhofer ist eine von ihnen. Die 28-Jährige sammelt in ihrer Freizeit Plastik an Stränden oder auf Bergen auf und setzt sich dafür ein, dass synthetische Textilien aus recyceltem Polyestermaterial, die einen geringeren CO2-Fußabdruck aufweisen, in BMW-Autos Einzug halten. Echtes Leder, erzählt sie, schleppe auf jeden Fall einen größeren CO2-Rucksack mit sich herum als Kunstleder, das man aus Kaktusfasern gewinnen könne. Dabei arbeitet BMW auch daran, Verkleidungsteile für das Wageninnere aus alten Fischernetzen, die von einer kleinen Firma aus den Meeren gezogen und zu Granulat verarbeitet werden, herzustellen. Das „Ocean Plastic“ mit einer sehr guten CO2-Bilanz ist inzwischen unter Unternehmen auf Klimakurs derart begehrt, dass BMW bittet, ja nicht den Namen des Betriebs zu schreiben. Am Ende stehen Öko-Premium-Fahrzeuge, die – so die Hoffnung des Managements – auch von der Generation Fridays für Future gekauft werden.

    Noch bleiben die Auto-Gegner standhaft

    Noch verfangen sich diese jungen Menschen nicht in den Netzen der Konzerne. Löwenzahn bleibt standhaft und versichert: „Mit der deutschen Autoindustrie ist keine Zukunft zu machen.“ Deshalb veranstalten die Kritikerinnen und Kritiker der Branche in München eine Gegen-IAA mit eigenen Kongressen und Diskussionen. Auf der Theresienwiese können die aus der ganzen Republik kommenden Aktivistinnen und Aktivisten in Zelten übernachten und sich, was ihnen wichtig ist, veganes Essen als Akt aktiven Klimaschutzes zubereiten. Bis zu 1500 Menschen dürfen dort bleiben. Vor einer Couch steht ein Kasten Augustiner, dessen Inhalt als vegan gilt, weil er nach dem Reinheitsgebot gebraut ist. Damit haben zumindest die Münchner Brauerei-Bosse während der IAA nichts zu befürchten.

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