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Autokonzern: Wie die Türkei um ein VW-Werk kämpft

Autokonzern

Wie die Türkei um ein VW-Werk kämpft

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    Besucher dieser Autoschau in Istanbul hatten reges Interesse an diesem VW. Ein Werk hat Volkswagen bisher aber nicht in dem Land.
    Besucher dieser Autoschau in Istanbul hatten reges Interesse an diesem VW. Ein Werk hat Volkswagen bisher aber nicht in dem Land. Foto: Tolga Bozoglu, dpa

    Für den Filterhersteller Ufi geht es bald los. „Wir wagen den Schritt in die Türkei“, sagt Bozkurt Boylu, der in Deutschland aufgewachsen ist, türkische Wurzeln hat und für das italienische Unternehmen Ufi den Markt beobachtet. Geplant sei ein Werk, in dem zuerst 30 bis 40 Mitarbeiter für die Autoindustrie zum Beispiel Öl-, Luft- und Kraftstoff-Filter bauen. Eines Tages könnten 200 bis 300 Mitarbeiter dort arbeiten.

    Bereits seit 2014 habe sein Unternehmen mit einem Büro in der Türkei den Markt beobachtet, berichtet Boylu. Doch erst jetzt entschied man sich, eine Produktion aufzubauen. „Wir wollten abwarten, bis sich die politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen beruhig haben“, sagt er. In der Türkei dürfte man die Nachricht gerne hören. Denn die türkische Autoindustrie hat in den vergangenen Tagen versucht, Investoren vom Standort an der Grenze zu Asien zu überzeugen. Im Blick hat man dabei einen Weltkonzern: VW.

    Wer nicht aus der Branche stammt, dürfte überrascht sein, wie groß die Autoindustrie in der Türkei ist: Mit mehr als 1,5 Millionen produzierten Fahrzeugen pro Jahr gilt das Land als der wichtigste Standort der Automobilfertigung in Südosteuropa, berichtet die Deutsch-Türkische Industrie- und Handelskammer zusammen mit den türkischen Autoindustrie-Verbänden Taysad und OiB. Über 200.000 Beschäftigte seien bei Herstellern und Zulieferbetrieben angestellt.

    Fiat, Ford, Hyundai, Toyota, Daimler und MAN produzieren in der Türkei, auch der Renault Clio werde dort gebaut. Dazu kommen Zulieferfirmen wie Schaeffler oder Faurecia. In Stuttgart und Hannover warben in den vergangenen Tagen die großen Autoverbände der Türkei in zwei Konferenzen für weitere Investitionen.

    Die Türkei wirbt um neue Investoren

    Doch wirtschaftlich fährt die Türkei auf holpriger Piste. Im letzten Quartal 2018 rutschte das Land in eine Rezession. Zudem ist die Inflation hoch. Die deutsch-türkischen Beziehungen hatten bereits 2017 ihren Tiefpunkt erreicht: Deutschtürkische Journalisten wie Denis Yücel oder die Ulmerin Mesale Tolu waren in der Türkei festgenommen worden, plötzlich war die Meinungsfreiheit in der Türkei ein Thema. Mitten im türkischen Wahlkampf warf Präsident Recep Tayyip Erdogan Kanzlerin Angela Merkel umgekehrt „Nazi-Methoden“ vor. Mittlerweile hat sich seit dem Deutschlandbesuch Erdogans 2018 das Verhältnis entspannt, ganz unbelastet ist es aber nicht. Das macht sich wirtschaftlich bemerkbar.

    „Jahrelang wollte jeder etwas in der Türkei machen, durch die politische Situation ist es merklich schlechter geworden“, berichtet zum Beispiel Alper Kanca, Chef des großen türkischen Zulieferverbandes Taysad. „Es kommen noch neue Investoren – aber wir brauchen mehr“, betont Kanca.

    Niedrige Produktionskosten, viele Fachkräfte

    Die türkische Autoindustrie beobachtet die Verschlechterung des politischen Klimas mit Sorge. Aus ihrer Sicht hat die Türkei als Standort nämlich viele Vorteile, berichtet der Hamburger Sozialwissenschaftler Yasar Aydin: Die Türkei sei ein großer Binnenmarkt mit über 80 Millionen Einwohnern, die Produktionskosten seien niedrig, die Arbeitnehmer gut qualifiziert. Einen Fachkräftemangel kenne das Land angesichts der gestiegenen Arbeitslosigkeit nicht. Die Türkei profitiere vom freien Zugang zum EU-Binnenmarkt und der geografischen Nähe zu Asien, dem Nahen Osten und dem russischen Einflussraum. Der türkische Staat fördert Forschung und Entwicklung in der Autoindustrie mit viel Geld.

    Der VW-Partner Ford ist bereits in der Türkei, Skoda braucht ein neues Werk

    Werden diese Vorteile reichen, um VW zu überzeugen? Es geht nach Angaben von Konferenzteilnehmern um zwei Projekte: Zum einen erwägt VW eine Kooperation mit Ford im Bereich der Kleintransporter. Diese baut Ford in der Türkei. Könnten dort also bald auch VWs vom Band rollen? Zum anderen ist der Bau eines neuen Werks für die VW-Marke Skoda im Gespräch. Dabei konkurriert man mit Ländern wie Rumänien, Serbien oder Bulgarien. Gegenüber diesen Standorten will die Türkei überzeugen.

    Wirtschaftsvertreter wie Ebru Kunt Akin von der Außenhandelskammer plädieren deshalb dafür, nicht zu sehr auf die Politik zu achten, sondern die harten Wirtschaftsdaten im Blick zu behalten: „Wir wissen, dass unser Verhältnis in den vergangenen Jahren Hochs und Tiefs hatte, aber wir müssen unseren Fokus auf die Wirtschaft legen.“ Versöhnliche Töne kommen aus Richtung der türkischen Regierung: „Auch wenn es politische Differenzen gibt, sind unsere Wirtschaftsbeziehungen stark“, sagte der türkische Generalkonsul Mehmet Erkan Öner in Stuttgart. Stark sei auch die türkische Demokratie, betonte er – und fügte an: „Wir sind stets offen für konstruktive Kritik.“

    Den Filterhersteller Ufi hat man überzeugt, nun müsste VW folgen.

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