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Autokonzern: Warum VW nun die letzten Audi-Aktionäre hinausdrängt

Autokonzern

Warum VW nun die letzten Audi-Aktionäre hinausdrängt

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    Volkswagen nimmt die Ingolstädter Tochter Audi von der Börse.
    Volkswagen nimmt die Ingolstädter Tochter Audi von der Börse. Foto: Armin Weigel, dpa

    Ganz ohne Gegenwehr wollen die verbliebenen Audi-Aktionäre nicht das Feld räumen. Auch wenn die Hauptversammlung des Ingolstädter Unternehmens am Freitag virtuell stattfindet, haben sie vorab 232 Fragen eingereicht, nicht wenige gespickt mit Kritik am Ziel des Mutterkonzerns Volkswagen, andere Audi-Anteilseigner aus dem Unternehmen zu drängen und den Autobauer von der Börse zu nehmen. Dabei weiß die VW AG bereits 99,64 Prozent der Audi-Papiere unter ihren Fittichen. Den Rest muss man sich als durchaus widerstandswilliges gallisches Dorf vorstellen.

    Einige der Mitglieder des Vereins begehrten bei dem digitalen Anteilseignertreffen noch einmal auf, auch wenn Wolfsburg sie mit einer ordentlichen Barabfindung von 1551,53 Euro je Aktie lockt und zur freudigen Aufgabe ihres Widerstands verleiten will. Dabei ist jede Rebellion ohnehin zwecklos, hat der Volkswagen-Riese doch die Macht des Aktienrechts auf seiner Seite. Demnach kann ein Hauptaktionär, der mindestens 95 Prozent des Grundkapitals sein eigen nennt, übrige Anteilseigner dazu zwingen, die Papiere an ihn zu übertragen. Der Prozess wird in der Fachsprache Squeeze-out genannt. Trotzdem nutzen Kleinaktionäre ihre letzte Chance, den Volkswagen-Managern zu zeigen, was auf der Strecke bleibt, wenn Audi von der Börse verschwindet.

    Die wohl letzte Hauptversammlung der Audi AG mit Vorstandschef Markus Duesmann (links) wirkte angesichts der Corona-Abstände fast etwas unwirklich.
    Die wohl letzte Hauptversammlung der Audi AG mit Vorstandschef Markus Duesmann (links) wirkte angesichts der Corona-Abstände fast etwas unwirklich. Foto: Audi

    Dabei fahren Anteilseigner das wohl schwerste ihnen noch zur Verfügung stehende Geschütz auf, indem sie VW-Chef Herbert Diess, der als Audi-Aufsichtsratsvorsitzender an der Veranstaltung teilnimmt, mit einem Mann konfrontieren, der bei Audi ein Säulenheiliger ist. Ein Aktionär will von Diess wissen, was Ferdinand Piëch zu einem Squeeze-out gesagt hätte, zumal dieser als früherer starker VW-Mann auf einen solchen Schritt bei Audi stets verzichtet habe.

    Audi-Kleinanleger befürchten weniger Transparenz

    Dazu muss man wissen, dass der Österreicher auch nach seinem Tod im vergangenen Jahr eine Instanz im Volkswagen-Reich bleibt. Er ist sozusagen der immerwährende Ehrenkaiser des Konzerns, der Audi als Chef erst zum Erfolgsunternehmen geformt und als VW-Lenker den Konzern in schwerer Zeit gerettet hat. Insofern ist die Piëch-Gretchenfrage geeignet, selbst einen selbstbewussten Mann wie Diess in Verlegenheit zu bringen. Der Volkswagen-Konzernchef kontert geschickt, indem er sagt: „Wir verneigen uns mit großem Respekt vor dem Lebenswerk Piëchs.“ Im Übrigen sei es spekulativ, Überlegungen anzustellen, wie der einstige Volkswagen-Patriarch zu einem Squeeze- out gestanden hätte, ergänzt Diess.

    Ein weiterer Aktionär führt aber an, Piëch habe stets ein Rausdrängen von Minderheitsaktionären abgelehnt, weil er die Transparenz schätzte, die mit einer Börsennotierung für Audi einhergeht. Selbst Investoren, die nur eine Aktie besitzen, können auf einer Hauptversammlung kritische Fragen stellen, die öffentlich werden. Die Vorstände müssen die Anmerkungen beantworten.

    Mancher nimmt also an, Piëch hätte sich gegen einen Rauswurf der Aktionäre ausgesprochen. Vielleicht wäre dann folgender Satz vom Meister messerscharfer, gerne auch kryptischer Formulierungen gefallen: „Ich bin auf Distanz zu Squeeze-out.“ Sein Satz „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, mit dem er vom einstigen VW-Chef abrückte, ist ja in seiner ganzen Skurrilität zur Legende geworden. Ein anderer Noch-Audi-Aktionär versucht in letzter Minute mit einer emotionalen Attacke, doch noch (was natürlich vergeblich ist) späte Erkenntnis bei den VW-Spitzenleuten zu wecken.

    Der neue Audi-Chef Duesmann will nicht für die Kleinaktionäre kämpfen

    Er verstehe nicht, warum Volkswagen die Audi-Minderheitsaktionäre ausschließen wolle, schließlich würden sie das Wertpapier vor allem „aus Liebe“ zu dem Unternehmen halten. Die Dividende sei ohnehin bescheiden, merkte der Mann an, um letztlich enttäuscht zu kritisieren: „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Minderheitsaktionäre.“ Audi-Chef Markus Duesmann, der auch im VW-Vorstand sitzt, zeigt sich zwar beeindruckt „von der Treue und dem Vertrauen der Aktionäre“, ist aber nicht bereit, für ihren Verbleib in der Audi AG zu kämpfen. Auf Emotionen antwortet er mit Argumenten: Durch einen Squeeze-out würden Abläufe vereinfacht, Kosten reduziert und schlankere Strukturen geschaffen. Außerdem müsse Volkswagen alle Kräfte bündeln, stehe die Autoindustrie angesichts von Herausforderungen wie E-Mobilität und Digitalisierung doch vor dem größten Transformationsprozess ihrer Geschichte.

    Das ist Aktionären durchaus bewusst, aber sie hängen einfach an ihrer Audi AG, fahren ein Auto des Unternehmens und lieben es, einmal im Jahr in Ingolstadt oder Neckarsulm bei einer Hauptversammlung Teil der Audi-Familie zu sein – und sei es auch, um ein Modellauto zu bekommen. Am Ende kommt es, wie es angesichts der VW-Übermacht schicksalhaft wirkt: Volkswagen setzt sich in der Abstimmung durch. Der Squeeze-out kommt. Ein Säulenheiliger wie Piëch kann daran nichts ändern.

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