Wenn andere Leute Julian Richter nach seinem Beruf fragen, sagt er: „Handwerker“. Dabei weiß er nicht einmal mehr, wann er das letzte Mal selbst eine Bohrmaschine in die Hand genommen hat. Viele respektierten seine Berufsgruppe nicht genug, sagt er. „Der hat ja nicht einmal studiert.“ So deutet er die Reaktionen mancher Menschen. Dabei hat er allen Grund, stolz zu sein.
Vor neun Jahren hat er in der Garage seines Elternhaus eine eigene Firma gegründet. Mittlerweile ist die Firma zweimal umgezogen, befindet sich derzeit in einem modernen Gebäude im nördlichen Augsburg. Richter hat 25 Mitarbeiter. Er könnte sich als Unternehmer oder Geschäftsführer vorstellen. Doch das will er nicht: „Wir Handwerker haben eben unseren Stolz.“
Durch den Quali fiel er durch
Als Schüler sah es zeitweise nicht danach aus, als würde er einmal eine solche Karriere hinlegen. In der neunten Klasse waren seine Gedanken überall – nur nicht in der Schule, sagt er. Seine Eltern schickten ihn in die Nachhilfe, doch auch dort: Desinteresse. „Sparen Sie sich Ihr Geld“, habe die Nachhilfelehrerin den Eltern empfohlen. Dann kam die Prüfung zum Qualifizierten Hauptschulabschluss: Durchgefallen.
Seine Eltern hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, als er trotz des Abschlusses eine Lehrstelle bei einem kleinen Elektroniker-Handwerksbetrieb bekam. Ab da änderte sich seine Einstellung. „Ich wollte es ihnen zeigen.“ Im ersten Zwischenzeugnis von der Berufsschule hatte er einen Notenschnitt von 1,0. Ähnlich gut ging es weiter.
Mit 20 Jahren fertiger Meister - und Jahrgangsbester in Bayern
„Als ich den Gesellenbrief hatte, bekam ich eine super Stelle.“ Statt als einfacher Monteur zu beginnen, war er sofort für den Kundendienst verantwortlich – der Mann für die schwierigen Fälle. Aber er wollte Meister werden und begann die einjährige Ausbildung wenige Monate später. Mit 20 Jahren war er fertiger Meister – als Jahrgangsbester und zugleich Jüngster in Bayern. Nur Tage später meldete er seinen Betrieb an.
„Mehr als die Garage meiner Eltern, einen alten Audi 80, in den ich eine Leiter geworfen habe, und eine Hilti, die mir mein Vater zum Gesellenbrief geschenkt hat, hatte ich nicht.“ Als er sich bei einem Großhändler als Kunde angemeldet hat, bekam er Klemmen und andere Materialien geschenkt. „Das klingt heute bescheuert, aber damals habe ich mich maßlos darüber gefreut.“
Dann kam der erste große Auftrag: Als eine Tankstelle in Königsbrunn umgebaut wurde, installierte er alleine die komplette Elektronik. Von dem Geld dafür kaufte er sich einen gebrauchten Transporter.
Das Firmengebäude ist schon wieder zu klein
Anfangs half ihm ein anderer Elektroniker, der mit ihm die Meisterschule absolviert hatte. Später stieg dieser als Miteigentümer in die Firma ein, verließ sie nach einigen Jahren aber wieder, sodass Richter wieder alleiniger Chef war. Erst stellten sie einen Azubi ein. In der Garage wurde es zu eng, sie zogen in ein größeres Gebäude. Nach und nach stellte er Mitarbeiter ein. Doch obwohl das Unternehmen wuchs, habe er sich bei den Aufträgen anfangs etwas übernommen. „Da muss ich rückblickend sagen: Manches war vielleicht etwas zu groß.“ Mit viel Arbeit für sich und seine Mitarbeiter habe es trotzdem immer geklappt. Fünf Uhr morgens Arbeitsbeginn, Feierabend um ein Uhr nachts, so etwas habe es gegeben. Mittlerweile arbeitet Richter meist am Computer, trifft Kunden oder begutachtet die Arbeit seiner Monteure auf der Baustelle. Mehrmals am Tag prüft er den Stand seiner Firmenkonten. „Die Zahlen sind mir wichtig.“ Meint er mit Zahlen das Geld? „Ich mache das hier alles, um Geld zu verdienen. Ich sitze nicht 13 Stunden am Tag in der Firma, um mich am Abend zu fragen, wie ich all die Ausgaben stemmen soll.“
Das Firmengebäude ist schon wieder zu klein – ein neues ist bereits in Aussicht. Es wird sechsmal so groß. Und obwohl die Firma des Unternehmers immer weiter wächst, stellt er sich als Handwerker vor.