Entsetzen am Standort Sonthofen: Der Technologiekonzern Voith passt in der Konzernsparte „Turbo“ seine Strukturen an und schließt das Werk im Oberallgäu mit etwa 420 Mitarbeitern. Ebenfalls angekündigt wurde das Aus für den kleineren Standort Zschopau in Sachsen. Geplant ist, die Produktion jeweils bis „Ende 2020“ einzustellen – wobei das wohl aufs Ende des Geschäftsjahres abzielt, also den 30. September 2020. Unterm Strich sollen nach aktuellem Plan in Deutschland 230 Arbeitsplätze wegfallen und 370 an andere Standorte verlegt werden.
Sprachlos zeigten sich Mitarbeiter, als sie am Montag um 10 Uhr von der geplanten Strukturänderung erfuhren. „Es ist für alle ein Riesenschock“, sagt Birgit Dolde, Betriebsratsvorsitzende in Sonthofen. Dies auch, weil sich der Schritt weder angekündigt habe, noch wirtschaftlich nachvollziehbar sei. Man habe einen hohen Auftragseingang in Sonthofen, der Umsatz stimme, die Kollegen arbeiteten im Drei-Schicht-Betrieb und machten Überstunden, sagt sie. Auch die IG-Metall kritisiert die „Schließung ohne wirtschaftliche Not“.
Wie die Zukunft für die Mitarbeiter aussehen wird, kann Voith-Sprecher Lars Rosumek noch nicht sagen. „Wir wollen faire Lösungen finden.“ Die Information über die Pläne der Geschäftsführung sei der erste Schritt gewesen. Nun ständen Gespräche mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich an. Noch sei nicht sicher, wohin Voith die Sonthofer Produktion verlagert, heißt es offiziell. Nach Informationen unserer Zeitung soll es Crailsheim oder Hyderabad in Indien sein. Die Sonthofen am nächsten gelegenen „Voith Turbo“-Standorte sind Garching, Heidenheim und Crailsheim. Im noch näher liegenden Ravensburg produziert „Voith Paper“.
Aus für Standort in Sonthofen: Voith will Kosten sparen
Der Konzern mit weltweit etwa 19.000 Mitarbeitern ist in verschiedenen Gebieten tätig und fertigt unter anderem Turbinen, Generatoren und Antriebselemente. Voith ist in vier Kernbereiche gegliedert: Antriebstechnik, Wasserkraft, Papierindustrie und digitale Anwendungen. In Sonthofen gefertigte Turbogetriebe dienen laut Rosumek vor allem für Industrieanwendungen, etwa für Erdgas und zur Stromerzeugung. Im untergeordneten Bereich kommen Turbogetriebe auch im Bereich Mobilität zum Einsatz.
Ziel des Konzernumbaus sei es, durch die Konzentration auf weniger und dafür leistungsfähigere Standorte Kosten zu sparen und das Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten, teilte Voith mit. Man stelle sich auf Auftragsrückgänge ein, verweist Rosumek auf die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung. Die aktuellen Maßnahmen sollen das Ergebnis von Voith bis 2021 „im niedrigen zweistelligen Millionenbereich“ verbessern.
Das Werk in Sonthofen hat eine jahrhundertelange Historie. Zum Voith-Konzern kam es erst im Jahr 2007. Damals hatte es geheißen, um den Standort Sonthofen müsse sich niemand sorgen: Es bestünden klare Wachstumschancen. Ebenfalls noch 2007 hatte die frühere „BHS Getriebe GmbH“ ihr 475-jähriges Bestehen gefeiert, denn schon 1532 entstand dort eine Schmiede als Eisen verarbeitender Betrieb. Der Erzabbau in der Region reicht sogar noch weiter zurück. Im Jahr 1803 wurde aus den Vorläufern das Königliche Berg- und Hüttenwerk. 1927 begann in Sonthofen der Getriebebau.
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