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Augsburg: Wie die Familie Still ihr Autohaus-Imperium aufgebaut hat

Augsburg

Wie die Familie Still ihr Autohaus-Imperium aufgebaut hat

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    Die Gesichter hinter einem der größten Autohaus-Konzerne Europas: Roman Still (links) und sein Bruder Albert C. Still.
    Die Gesichter hinter einem der größten Autohaus-Konzerne Europas: Roman Still (links) und sein Bruder Albert C. Still. Foto: Nadine Rupp

    Fast versteckt liegt das rechteckige Nutzgebäude am Augsburger Stadtrand. Wer es nicht weiß, vermutet hier auf dem Gelände eines Opel-Händlers nicht eine der größten Autohandelsgruppen Europas. Im zweiten Stock des Gebäudes residiert der Vorstand. Wobei residieren eigentlich der falsche Ausdruck ist. Denn auch hier ist alles auf Zweckmäßigkeit getrimmt. In einem Raum diskutieren hinter einem Glasfenster die beiden Vorstandssprecher Albert C. Still und sein jüngerer Bruder Roman mit ihrem Vater und Vorgänger, dem seit ein paar Wochen 75-jährigen Albert K. Still, über die Geschäfte. Die laufen auch in Zeiten der Dieselkrise überraschenderweise ausgezeichnet.

    Die jüngsten Zahlen der AVAG wirken beeindruckend: Deutschlands zweitgrößter Kfz-Händler verkaufte im vergangenen Geschäftsjahr 122.000 Fahrzeuge, davon 63.000 Neu- und 59.000 Gebrauchtwagen. Der Umsatz beträgt 2,1 Milliarden Euro, das sind 240 Millionen mehr als im Vorjahr.

    Die AVAG-Chefs fahren Opel Insignia

    Manche würden angesichts einer solchen Bilanz abheben, die Stills tun es nicht. Den großen Auftritt meiden sie. Albert Still senior beschreibt das auch als einen der Erfolgsfaktoren des Unternehmens. Er nennt es „schwäbische Grundbescheidenheit“. Die zweite Devise von ihm und seinen Söhnen lautet: „Wenn ich langfristig erfolgreich sein will, muss ich fair und wertschätzend mit Kunden umgehen.“

    Albert K. Still sieht die „schwäbische Grundbescheidenheit“ als Erfolgsfaktor des Unternehmens.
    Albert K. Still sieht die „schwäbische Grundbescheidenheit“ als Erfolgsfaktor des Unternehmens. Foto: Ulrich Wagner

    Das Großspurige liegt diesen Autohändlern fern. Auch die Brüder fahren als Vorstandssprecher keine Luxus-, sondern Mittelklasselimousinen der Opel-Modellreihe Insignia. „Wir müssen schließlich Vorbild für den ganzen Betrieb sein“, argumentiert Roman Still. Selbst die Betriebsprüfer würden den Kopf vor Erstaunen schütteln, weil sie nicht verstehen, dass die Chefs hier keine teuren Autos fahren.

    Gegründet wurde der unbekannte Autoriese am 15. November 1915. Der damals 28-jährige Schmiedemeister Albert Sigg gründet in Augsburg ein Unternehmen. 1927 bekommt er die Vertretung für BMW-, NSU- und Horex-Motorräder. Während der Kriegsjahre wird der Betrieb der Deutschen Wehrmacht unterstellt. Mitte der 1950er Jahre folgt die Vertretung des französischen Fabrikats Panhard. Dann werden die Modelle von BMW mit vertrieben. 1957 zieht die damalige

    1967 steigt Albert Still in den Betrieb ein

    Bereits in dieser Zeit werden erste Kontakte zur Adam Opel AG geknüpft. Die Firma wird zunächst Unterhändler, dann ab 1967 anerkannter Vertragshändler der damaligen General-Motors-Tochter. Im ersten Jahr werden bereits 250 Opel-Neufahrzeuge verkauft, heißt es in der Firmenchronik. 1967 steigt der damals 24-jährige Albert Still in die Verkaufsleitung des väterlichen Betriebes ein. Der Betrieb macht damals 1,9 Millionen Mark Jahresumsatz und beschäftigt 43 Mitarbeiter.

    Es war eine gute Zeit für Autohändler, vor allem, wenn sie Opel verkauften, die damals zu den meistverkauften und beliebtesten Autos in Deutschland zählten. Und die Stills verkauften etwas wohl besonders gut. Damit wurde Augsburg zur Opel-Stadt. Noch heute hat der Rüsselsheimer Konzern am Lech einen Marktanteil von knapp 20 Prozent (bundesweit sind es nur 7,5 Prozent). Das dürfte einmalig sein in Deutschland.

    Die Firma wuchs und wuchs. 1991 kommt es zur Gründung der AVAG Holding AG. Bald darauf expandiert das Unternehmen in Richtung Osteuropa. Auf eine persönliche Freundschaft aufbauend, wird 1993 das erste Engagement in Kroatien gestartet. Und so geht es rasant weiter.

    Heute betreibt die AVAG 56 Autohäuser mit 172 Standorten in Deutschland, Österreich, Kroatien, Polen, Ungarn, Serbien und Slowenien. Der Konzern vermarktet mit seinen 4800 Mitarbeitern neben dem Stammfabrikat Opel inzwischen auch die Marken Ford, Toyota/Lexus, Nissan, Hyundai, Kia, Honda, Subaru, Suzuki, Dacia, Peugeot, Citroën, Alfa Romeo, Volvo und Cadillac.

    Die Stills glauben an die Zukunft des Automobils

    Der Expansionshunger ist nach wie vor nicht gestillt. Auch im vergangenen Jahr wurden wieder zwölf Autohäuser übernommen. Das Geschäftsprinzip ist immer das gleiche, erläutert Albert Still senior. Bei der AVAG wird kühl kalkuliert. Pro 100.000 Einwohner werden beispielsweise in Deutschland 4300 Autos im Jahr verkauft. „Mal ein paar mehr, mal ein paar weniger.“ Nimmt man den Marktanteil eines bestimmten Herstellers, lasse sich schnell berechnen, ob sich ein Investment lohnt oder nicht.

    Und die Stills, wie sollte es auch anders sein, glauben allen derzeitigen Unkenrufen zum Trotz an die Zukunft des Automobils. Albert Still senior und seine Söhne vermuten, dass die Kraftwagen irgendwann mit Wasserstoff fahren werden. Die Dieseldebatte halten sie für schädlich, letztendlich auch fürs Klima. Weil wohl künftig weniger Dieselautos verkauft werden, werde der Kohlendioxidausstoß im Straßenverkehr insgesamt deutlich steigen, vermuten sie. Elektroautos hält die Autohaus-Familie übrigens für keine massentaugliche Zukunftslösung – zumindest kurz- und mittelfristig nicht. Sie nennen eine ganze Latte von Gegenargumenten. Eines davon lautet: „Für Elektroautos wird es auf absehbare Zeit keine ausreichende Infrastruktur geben“, sagt Roman Still. Auch die Kundennachfrage sei bisher zurückhaltend.

    Doch letztendlich sind die Augsburger Mehrmarken-Autohändler auch in dieser hochemotionalen Frage pragmatisch. „In zehn Jahren ist der Gesamtbestand aller Autos einmal umgedreht“, prognostiziert Still senior. Die Söhne nicken.

    Ob dann Benzin-, Diesel-, Elektromotoren oder Fahrzeuge mit wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen verkauft werden, ist für sie nicht entscheidend. Hauptsache, es sind Autos.

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