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Augsburg: Wie H-Tec Systems aus Augsburg für den grünen Wasserstoff der Zukunft sorgt

Augsburg

Wie H-Tec Systems aus Augsburg für den grünen Wasserstoff der Zukunft sorgt

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    Hier kommt grüner Wasserstoff her: Dominik Heiß, Geschäftsführer von H-Tec-Systems, vor einem Elektrolyseur.
    Hier kommt grüner Wasserstoff her: Dominik Heiß, Geschäftsführer von H-Tec-Systems, vor einem Elektrolyseur. Foto: Ulrich Wagner

    Weiß, eckig, rund 2,5 Meter breit, rund sechs Meter lang. Von außen betrachtet steht hier ein normaler Frachtcontainer. Öffnet aber Dominik Heiß, 41, Geschäftsführer des Unternehmens H-Tec Systems aus Augsburg, die Tür des Containers, öffnet sich damit auch ein Blick in die Zukunft. Alle Bestandteile einer kleinen Fabrik finden sich auf engem Raum. Wasseraufbereitung, Steuerungseinheiten und als Herzstück das Gerät, in dem die Elektrolyse stattfindet – der sogenannte Elektrolysestack. Alles, was benötigt wird, um Wasserstoff zu erzeugen – ein Gas, das seit einigen Jahren mit großer Hoffnung verbunden ist. Wasserstoff wird aller Voraussicht nach eine Schlüsselrolle in der Energiewende und im Klimaschutz spielen. Das Gas steht als Energieträger bereit, wenn Strom aus Sonne und Wind uns im Stich lassen und Batterien an ihre Grenzen stoßen.

    Die Herausforderung der Zukunft wird sein, hinreichend Wasserstoff zu erzeugen, um Kohle, Öl und Gas ersetzen zu können. Bei H-Tec Systems ist man überzeugt, dazu einen Beitrag leisten zu können. Das Unternehmen hat sich auf den Bau von Anlagen zur Erzeugung von Wasserstoff spezialisiert, vor allem wenn es darum geht, das Gas mit Strom aus erneuerbaren Quellen herzustellen. H-Tec Systems verfügt über eine Zukunftstechnologie, die in greifbare Nähe rückt, wovon Greta Thunberg und die Fridays-for-Future-Bewegung träumen: eine Welt, die mit 100 Prozent erneuerbarer Energie versorgt wird.

    Elektrolyse: Aus Wasser wird Wasserstoff und Sauerstoff

    Die Fahrt zu H-Tec Systems führt durch ein Gewerbegebiet im Augsburger Norden. Da hier mehrere Unternehmen ansässig sind, die in der Umwelttechnologie arbeiten, hat es sich den Namen Umweltpark verdient. H-Tec Systems, 1997 in Norddeutschland gegründet, begann als kleines Unternehmen, das Experimentier-Sets herstellte, um in Schulen zu zeigen, wie sich Wasserstoff herstellen lässt. Parallel wurde im Rahmen der Energiewende klar, dass das Gas große Vorteile hat, wenn es darum geht, Energie zu speichern. Wasserstoff ist energiereich, bei der Verbrennung entsteht harmloser Wasserdampf. Schnell ging es bei H-Tec Systems nicht mehr um Experimentier-Sets, sondern um industrielle Lösungen für die Energiewende. Heute zählt H-Tec Systems rund 85 Mitarbeiter und gehört zum Großmotoren- und Turbomaschinenhersteller MAN Energy Solutions, zahlreiche Neueinstellungen sind geplant. Die Geräte der Firma – Elektrolyseure genannt – funktionieren, wie es viele aus dem Chemieunterricht kennen. Mit Strom lässt sich Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegen. Fünf Elektrolyseure liefert H-Tec Systems beispielsweise nach Schleswig-Holstein, einer ging an das Projekt "Energie des Nordens" von Greenpeace, einer nach Schweden. In der Halle hinter dem Bürogebäude sind Beschäftigte dabei, einen neuen Elektrolyseur zu bauen. Teile werden in den Container getragen, die Arbeitsatmosphäre ist konzentriert. Noch läuft die Wasserstoff-Wirtschaft erst an. Doch die Hoffnungen sind groß.

    Alles in einem Container: Von außen sind Elektrolyseure unscheinbar. Rechts Dominik Heiß, Chef von H-Tec Systems.
    Alles in einem Container: Von außen sind Elektrolyseure unscheinbar. Rechts Dominik Heiß, Chef von H-Tec Systems. Foto: Ulrich Wagner

    Für den Klimaschutz müssen fossile Energieträger immer stärker durch erneuerbare Energien wie Strom von Wind und Sonne ersetzt werden. Bis 2045, so hat es sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, soll Deutschland nicht mehr Klimagase ausstoßen, als die Umwelt aufnehmen kann. Das bedeutet, dass auch Schiffe oder Flugzeuge klimaneutral unterwegs sein müssen. Batterien sind hier anders als in E-Autos aber meist nicht praktikabel. "Ein Containerschiff kann man nicht mehr mit Batterien bestücken", sagt H-Tec-Systems-Chef Heiß. Wasserstoff könnte hier eine Alternative sein, vor allem weil sich auf Basis von Wasserstoff auch synthetische Kraftstoffe herstellen lassen. Die Industrie steht vor ähnlichen Problemen. In der Stahlherstellung fallen große Mengen CO2 durch den Einsatz von Koks an. Thyssenkrupp erprobt nun, Koks durch Wasserstoff zu ersetzen. Damit wäre es möglich, "grünen" Stahl zu erzeugen. Unternehmen wie H-Tec Systems spielen eine wichtige Rolle in diesem Plan: Sie liefern die Anlagen, um Wasserstoff für den klimafreundlichen Einsatz überhaupt herstellen zu können. "Unsere Vision ist es, die Industrie, Mobilität und unseren Konsum klimaneutral zu machen", sagt Heiß, ein aufgeschlossener, kluger Manager, sportliche Figur, der derzeit viel zu tun hat, geboren in München, promovierter Philosoph, Diplom-Kaufmann und Vater von zwei Kindern. "Wir könnten den gesellschaftlichen Wohlstand erhalten, ohne die Umwelt zu belasten", lautet seine Idee.

    Milliarden Euro Fördergeld für die Wasserstoff-Wirtschaft

    In den ersten Jahren war Wasserstoff eine Nische, mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien gewann das Problem der Energiespeicherung rasch an Bedeutung. Inzwischen ist ein regelrechter Hype entbrannt. Bayern hat in Nürnberg ein Zentrum für Wasserstoff eingerichtet, die Bundesregierung verabschiedete vergangenes Jahr eine nationale Wasserstoffstrategie, um den Hochlauf der Technologie zu fördern. In Europa könnten bis zum Jahr 2050 bis zu 5,4 Millionen Arbeitsplätze entstehen und ein Umsatz von 800 Milliarden Euro im Jahr erwirtschaftet werden, berichtet die Bundesregierung. Mehrere Milliarden Euro Fördergeld sind auf den Ebenen von EU, Bund und Land im Spiel. Der Schub in dem Thema ist gewaltig. "Wenn wir das Ziel Klimaneutralität bis 2045 erreichen wollen, müssen wir den Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft weiter forcieren und Entscheidungen schneller herbeiführen", sagte unlängst Andreas Kuhlmann, Chef der Deutschen Energieagentur Dena. "Wir haben jetzt die Chance, Wasserstoff neben erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz zur tragenden Säule der Dekarbonisierung auszubauen." Dies sei die Herausforderung in den vor uns liegenden Monaten und Jahren und ein zentrales Handlungsfeld in der kommenden Legislaturperiode.

    Stacks sind das Herzstück der Elektrolyseure. Hier wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.
    Stacks sind das Herzstück der Elektrolyseure. Hier wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Foto: Ulrich Wagner

    Doch es gibt ein Grundproblem: Wasserstoff wird heute zum großen Teil noch aus fossilem Erdgas erzeugt. "Die Erzeugung ist mit sehr hohen CO2-Emissionen verbunden", sagt Heiß. "Klimafreundlich ist die derzeitige Erzeugung von Wasserstoff aus Erdgas nicht." Der Wasserstoff ist bisher zum allergrößten Teil nicht "grün", sondern "grau". H-Tec Systems will dies ändern. Nicht aus Erdgas, sondern aus Wasser mittels erneuerbarer Energie soll der Wasserstoff kommen. "Wasserstoff ist das häufigste Element im Universum", sagt Heiß. "Leider kommt es in der reinen Form auf der Erde praktisch nicht vor." H-Tec Systems – und das ist das Innovative – hat sich dabei auf ein Verfahren spezialisiert, das bei der Wasserstoff-Erzeugung mit dem schwankenden Strom der Windkraft und Photovoltaik bestens zurechtkommt, um "grünen" Wasserstoff zu produzieren. Fachleute sprechen von der PEM-Elektrolyse. Gelingt es, mit erneuerbaren Energien große Wasserstoff-Mengen zu erzeugen, wäre die Energiewende einen großen Schritt weiter.

    Dass es funktioniert, zeigt sich in Nordfriesland. Fünf Elektrolyseure von H-Tec Systems erzeugen dort aus Trinkwasser Wasserstoff. Bis zu hundert Kilogramm Wasserstoff entstehen täglich pro Elektrolyseur. Ein Kilo reicht, damit ein Auto rund 100 Kilometer weit fahren kann. Der Strom stammt aus überschüssigem Strom von Windrädern. Häufig nämlich, wenn an den Küsten eine stramme Brise weht, erzeugen die Windkraftanlagen mehr Energie, als das Netz gerade aufnehmen kann. Der Wasserstoff wird in Tanks zwischengespeichert und dann zu zwei Tankstellen in der Nähe transportiert. Dort steht er für den öffentlichen Nahverkehr – zum Beispiel Wasserstoff-Busse – und Autos zur Verfügung.

    Dominik Heiß, H-Tec Systems: "Ziel ist es, Kohle, Öl und Erdgas vollständig zu ersetzen"

    Was im Kleinen funktioniert, davon ist die Volkswirtschaft noch weit entfernt. "Vor uns liegt eine große Aufgabe", sagt Heiß. Strom mag in Deutschland im Corona-Krisenjahr 2020 bereits zu rund 50 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen, im Verkehr und im Wärmebereich sieht es ganz anders aus. Betrachtet man den gesamten Primärenergieverbrauch, stammten im Jahr 2020 gerade einmal 16,6 Prozent aus erneuerbaren Quellen, berichtet die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen. Ein großer Teil der Energie stammt noch immer aus fossilen Quellen. "Das Ziel ist es, Kohle, Öl und Erdgas vollständig zu ersetzen", sagt Heiß. Dies komme einer Revolution gleich. "Wir stehen vor einer kompletten Transformation der Energiewirtschaft."

    In Augsburg, im Hof von H-Tec Systems, ist gerade einer der Elektrolyseure bereit zur Auslieferung. Läuft man mit Dominik Heiß um den Container herum, verrät nicht viel, um welche besondere Anlage es sich handelt. Hier ein Wasseranschluss, dort ein Zugang für den Strom. "Unser Elektrolyseur ist ein All-Wetter-Gerät", sagt Heiß. "So, wie er ist, kann er draußen stehen, er braucht nur ein Fundament und einen Anschluss." Standorte bieten sich dort an, wo Strom günstig ist. Baut Deutschland die erneuerbaren Energien aus, werden zwangsläufig Überkapazitäten entstehen. Manchmal ist mehr Wind- und Sonnenstrom da, als benötigt wird. Elektrolyseure aus Augsburg könnten direkt neben Windrädern oder Photovoltaikanlagen arbeiten. Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass das Land den Wasserstoffbedarf nicht alleine wird decken können. "Die für die Energiewende voraussichtlich benötigten Mengen an Wasserstoff werden aus heutiger Sicht nicht nur in Deutschland produziert werden können", heißt es in der Nationalen Wasserstoffstrategie. "Der Import wird aus Regionen mit günstigeren Produktionsbedingungen erfolgen", sagt Heiß. Länder, in denen viel Sonne scheint, wie in Nordafrika oder im Nahen Osten. Oder Küsten, an denen Wind weht, etwa in Südamerika. "Wir sprechen hier über einen globalen Markt", sagt der Manager.

    Eigentümer ist MAN Energy Solutions

    Hier kommt die Muttergesellschaft MAN Energy Solutions ins Spiel. Das Unternehmen ist mit seinen Lösungen für die Schifffahrt und die Stromerzeugung nicht nur weltweit vertreten. Kompressoren von MAN Energy Solutions könnten auch für den Betrieb von Wasserstoff-Pipelines eingesetzt werden. In Deggendorf baut MAN ES Reaktoren für die Umwandlung von Wasserstoff in synthetische Kraftstoffe. Fachleute sprechen hier von der Power-to-X-Technologie: Mit Strom (Power) werden andere Energieträger (X) erzeugt, zum Beispiel Gas oder synthetische Treibstoffe. Diese könnten die Containerschiffe der Zukunft antreiben. Dass eine "grüne" Schifffahrt, eine maritime Energiewende möglich ist, das ist eine Grundüberzeugung von MAN-ES-Chef Uwe Lauber. "Auf dem Weg in eine klimaneutrale Weltwirtschaft wird ,grüner‘ Wasserstoff zu einem immens wichtigen Rohstoff", sagt Lauber. "Das haben wir bereits frühzeitig erkannt." Seit 2013 sei MAN Energy Solutions ein Pionier der Power-to-X-Technologie in Deutschland und habe den Reaktor für die erste und größte Power-to-Gas-Anlage Europas in Betrieb genommen. "Mit der Übernahme von H-Tec Systems decken wir nun alle Prozessschritte der Wasserstoffwirtschaft unter dem Dach von MAN Energy Solutions ab – vom ,grünen‘ Wasserstoff durch Elektrolyse bis hin zur Umwandlung in synthetische Kraftstoffe sowie deren Speicherung und Transport", sagt Lauber. "Die Wasserstofftechnologie kann in Augsburg, Bayern und Deutschland viele zukünftige Arbeitsplätze schaffen", ist er überzeugt.

    Fürs Tanken brauchen Fahrer beim Toyota Mirai nur wenige Minuten. Allerdings gibt es noch nicht viele Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland.
    Fürs Tanken brauchen Fahrer beim Toyota Mirai nur wenige Minuten. Allerdings gibt es noch nicht viele Wasserstoff-Tankstellen in Deutschland. Foto: Toyota Motor Corporation, dpa-mag

    Kritiker wie Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung mahnen, sparsam mit dem "grünen" Wasserstoff umzugehen. Denn bei der Erzeugung von Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen geht auch viel Energie verloren. Wasserstoff sei der "Champagner unter den Energieträgern", argumentiert Kemfert. Er sollte Bereichen vorbehalten bleiben, wo kein direkter Einsatz von "grünem" Strom möglich ist. In Bayern macht sich Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) für einen breiten Einsatz von Wasserstoff stark. Bei BMW hat er sich über das Wasserstoff-Auto informiert. Auch in unserer Region gibt es Projekte. Das Unternehmen Quantron aus Augsburg stattet Lkw mit Brennstoffzellen aus. In Zusmarshausen im Kreis Augsburg steht ein Wasserstoff-Haus, Erdgas Schwaben macht sein Gasnetz fit für eine höhere Wasserstoff-Beimischung. Die Industrie- und Handelskammer Schwaben hat ein Netzwerk Wasserstoff eingerichtet.

    Noch ist die Herstellung von "grünem" Wasserstoff teuer. "Alles hängt vom Strompreis ab", sagt Heiß. Die Erzeugung von "grauem" Wasserstoff aus Erdgas ist bisher günstiger. Ist der Strom sehr günstig oder gratis, weil er gerade im Überfluss vorhanden ist, lägen die Kosten der Elektrolyse aber nur bei 1,50 bis drei Euro pro Kilo. Zum Vergleich: An der Tankstelle kostet ein Kilo Wasserstoff 9,50 Euro.

    Hubert Aiwanger (FW), Wirtschaftsminister von Bayern, bei der Vorstellung der bayerischen Wasserstoffstrategie.
    Hubert Aiwanger (FW), Wirtschaftsminister von Bayern, bei der Vorstellung der bayerischen Wasserstoffstrategie. Foto: Timm Schamberger, dpa

    Bis zum Jahr 2030 will Deutschland eine Kapazität von fünf Gigawatt für die Produktion von "grünem" Wasserstoff aufbauen. Das ist ein Vielfaches des Heutigen. "Technisch ist die Wasserstoff-Wirtschaft möglich", sagt H-Tec Systems-Geschäftsführer Dominik Heiß. ",Grüner‘ Wasserstoff muss dafür aber schnell günstiger und die Produktion massiv ausgebaut werden. Wir müssen schnell zeigen, was möglich ist."

    Bisher fertigt H-Tec Systems Elektrolyseure in Kleinserie. Dies soll sich bald ändern. "Wir wollen in Richtung industrielle Produktion gehen", verrät er. Das bedeutet: Elektrolyseure in großer Stückzahl für eine saubere Energiezukunft.

    Hier sehen die Augsburger ihren Auftrag: "Wenn es die Vision der Menschheit ist, die globale Erwärmung auf ein erträgliches Maß zu begrenzen, dann ist unser Beitrag, ,grünen‘ Wasserstoff so günstig wie möglich produzieren zu können", sagt Heiß.

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