Schon aus der Bibel lässt sich lernen, Menschen an ihren Taten zu erkennen. Worte sind also das eine, Handlungen der Menschen das andere. So ist es sicherlich eine Königsdisziplin der Wahrheitsforscher – und zu denen sollten sich Journalisten zählen – zu ergründen, was aus Worten geworden ist, also wie es sich zwischen Anspruch und Wirklichkeit verhält. Die Wahrhaftigkeits-Übung lässt sich ideal mit dem Augsburger Roboter- und Anlagenbauer Kuka vollziehen. Hier heißt es in einer Pressemitteilung vom 28. Juni 2016 über die mit dem chinesischen Eigentümer Midea bis zum Jahr 2023 geschlossene Investorenvereinbarung: „Zu diesen Zusagen gehören unter anderem Standort- und Beschäftigungsgarantien.“
Der einstige Kuka-Chef Till Reuter wird in dem Text dahingehend zitiert, das mit Midea geschlossene Abkommen schütze die Interessen der Mitarbeiter bis weit ins nächste Jahrzehnt hinein. Bei einer Pressekonferenz ließen sich die Kuka-Chefs damals zu Zeiten der Hoch-Konjunktur und entsprechend dicker Aufträge für den Roboterbauer zu noch weitgehenderen Aussagen hinreißen. Der von den Chinesen Ende vergangenen Jahres geschasste Reuter versprach sogar: „Alle Mitarbeiter behalten ihre Jobs.“ Doch der Satz sollte nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden. Denn bei dem Anlass hatte der Manager eben auch betont: „Eine erfolgreiche Kuka wird keine Probleme mit Arbeitsplätzen haben.“
Die Euphorie über die Investoren-Vereinbarung bei Kuka war groß
Im Umkehrschluss heißt das natürlich, eine weniger gut laufende Kuka AG könnte durchaus Schwierigkeiten bekommen, was die Sicherung der Jobs betrifft. Reuters Nachfolger Peter Mohnen, der in diesen Tagen Finanzchef des Konzerns war, ergänzte: Wenn Kuka weiter wachse, die geschäftlichen Erwartungen für das Jahr 2020 erfülle und die Servicerobotik aufbaue, werde das Unternehmen 2023 mehr Mitarbeiter in Augsburg haben als heute. All diese Job-Versprechen waren also an die Hauptbedingung geknüpft, dass der Konzern unverändert prächtig gedeiht. Das Kleingedruckte ging 2016 freilich unter. Denn die Euphorie der Kuka-Chefs und Gewerkschafter über die siebeneinhalb Jahre, also ungewöhnlich lange, reichende Investoren-Vereinbarung zwischen Midea und Kuka war groß. Das Management wies einst aber auch nicht nachdrücklich und detailliert darauf hin, dass dem Abkommen Pferdefüße innewohnen.
Denn die damals global und etwas wolkig verkündete Beschäftigungsgarantie bezieht sich, wie Mohnen nun im Interview mit unserer Redaktion festgestellt hat, ausschließlich darauf, dass die Chinesen die Kuka-Vorstände in Augsburg nicht anweisen können, einen bestimmten Standort zu schließen oder Mitarbeiter abzubauen. Das bestätigen auf Anfrage auch die Beschäftigten-Vertreter im Aufsichtsrat, Michael Leppek und Armin Kolb. Entscheidend sei eben, dass durch die Investorenvereinbarung nicht ausgeschlossen werde, dass der Kuka-Vorstand von sich aus, wenn die Geschäfte wie jetzt spürbar schlechter laufen, Sparmaßnahmen ergreife und letztlich Personal verringere.
2017 wurden bei Kuka auch schon einmal 250 Stellen abgebaut
Dass Mohnen nun genau das angekündigt hat, ist im Übrigen kein Novum in der Kuka-Geschichte unter chinesischer Herrschaft. Denn Reuter selbst hatte 2017 den Abbau von 250 Stellen öffentlich gemacht, nachdem zuvor massive Probleme bei Projekten im Anlagenbau aufgetaucht waren. Die Kuka-Vorstände können in schwierigen Zeiten Stellen streichen. Um Personalschnitte zu erschweren, hätten die Arbeitnehmervertreter mit Kuka einen Standortsicherungsvertrag schließen müssen. Doch das unterblieb. Bei solchen Deals wird oft gegen kostenlose Mehrarbeit festgelegt, dass Stellen für eine bestimmte Zeit garantiert werden. Doch dem Unternehmen ging es 2016 bestens. Kostensenkende Deals mit Gewerkschaftern waren nicht notwendig.
Da aber trotz aller Einschränkungen Reuters Versprechen („Alle Mitarbeiter behalten ihre Jobs“) bei Beobachtern in Erinnerung bleiben, lässt sich ein fader Beigeschmack aus Sicht der Beschäftigten nicht wegdiskutieren. Zurück zur Bibel: Die Worte der Kuka-Manager waren einst größer und hoffnungsstiftender als die Taten. Aus Außensicht – mag mancher denken – klafft eine gehörige Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Am Ende bleibt, auch wenn das die Kuka-Verantwortlichen weit von sich weisen, der Verdacht, die Chinesen seien nicht unbeteiligt an dem nun eingeleiteten Sparkurs des Unternehmens und dem Arbeitsplatzabbau. Schließlich sind sie unzufrieden über die wirtschaftliche Entwicklung ihres Milliarden-Investments in Augsburg.
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