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Augsburg: Renk-Chef Sauter: „Mitarbeiter brauchen Freiheit“

Augsburg

Renk-Chef Sauter: „Mitarbeiter brauchen Freiheit“

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    „Wenn ich nach der Arbeit daheim ankam, gab es nur noch die Familie", so Renk-Chef Ulrich Sauter.
    „Wenn ich nach der Arbeit daheim ankam, gab es nur noch die Familie", so Renk-Chef Ulrich Sauter. Foto: Fred Schöllhorn

    Wer fast zwanzig Jahre in einem Unternehmen war, entwickelt eine besondere Beziehung zu den Produkten, die hier hergestellt werden. Ulrich Sauter, 63, kennt in den Werkshallen von Renk in Augsburg jeden Prüfstand, jede Maschine – und ja, die Aufgabe jedes großen Zahnrads. Hier entstanden die Getriebe für die schnellste Fähre der Welt – die „Francisco“ – die vor der Küste Lateinamerikas verkehrt. Hier baut Renk gerade den Antrieb für eine neu entwickelte, gigantische Zementmühle für Nigeria. Wer neben den Zahnrädern steht, kommt sich wie ein Zwerg vor. In den Hallen entstanden Getriebe für Luxusjachten, die bis zu 180 Meter lang sind. Die größte Leistung von Sauter aber liegt darin, dass er bei Renk selbst das Ruder herumgerissen hat. Das sagen Beschäftigte, die die Firma gut kennen. Renk geht es glänzend, von der aktuellen Umsatzrendite von 17,8 Prozent können andere Firmen nur träumen. Doch das war nicht immer so.

    Renk 1995: Starker Personalabbau und hohe Schulden

    Als Sauter am 15. November 1995 zu Renk kam, befand sich das Unternehmen im Tief. „Es war geprägt von starkem Personalabbau“, erinnert er sich. Die Schulden waren hoch. Über Jahrzehnte hatte Renk von Aufträgen für Panzer der Bundeswehr gelebt. Mit der Wiedervereinigung 1990 brach die Arbeit weg. Und mit Getrieben für Omnibusse, Schwerlastfahrzeuge oder Feuerwehrautos machte Renk vor allem eines – Verlust.

    Sauter und sein damaliger Vorstandskollege Manfred Hirt strichen die Verlustbringer und begannen, Kosten zu senken. Doch sparen allein half nicht. „Das Wichtigste war, dass es gelungen ist, unsere Mitarbeiter zu motivieren“, sagt Sauter. Er beobachtete, dass Renk komplexe Strukturen hatte. Kleine Zahnräder wurden in Rheine gefertigt, große in Augsburg. Und wenn etwas schieflief, waren immer die anderen schuld.

    Renk wurde neugeordnet - Mitarbeiter konnten sich identifizieren

    Sauter und sein Kollege Hirt ordneten Renk neu. Sie schmiedeten für jeden Bereich eine eigenständige Einheit. Für Großgetriebe, für Panzergetriebe, für Prüfsysteme, für Gleitlager. „Plötzlich konnten sich die Mitarbeiter mit dem Produkt identifizieren, dies hat uns einen ungeheuren Motivationsschub gegeben“, sagt Sauter. Niemand musste auf Lohn verzichten – und es gab in Absprache mit dem Betriebsrat eine Zusicherung, dass niemand entlassen wird. Arbeiteten noch 1700 Leute bei Renk, als Sauter kam, sind es heute wieder rund 2200.

    Für ihn ist der Umschwung nur gelungen, weil eines gegeben war – Freiheit. „Unsere Mutter MAN hat uns die Freiheit gelassen, Renk so zu führen, wie es zu einem mittelständischen Unternehmen passt.“ Viel hält er deshalb von dem damaligen

    Freiheit – wie wertvoll diese ist, liest Sauter auch aus der Geschichte seines Unternehmens. Als der Techniker Johann Renk im MAN-Vorläuferunternehmen eine Maschine erfand, die automatisch Zahnrad-Rillen fräst, stieß dies in seiner Firma kaum auf Beachtung. So gründete er 1873 sein eigenes Unternehmen. „Mitarbeiter brauchen Freiheit und Verantwortung, nur dann entsteht Kreativität, dann kann man neue Produkte entwickeln“, rät Sauter auch seinen Nachfolgern.

    Rund 100 Millionen Euro Investition in vier Jahren in Augsburg

    In Augsburg stemmt das Unternehmen die größte Investition der Firmengeschichte. Renk baute eben an der Eichleitnerstraße eine neue Halle mit großen Prüfständen, auf denen in Zukunft Getriebe und elektrische Antriebsanlagen für Schiffe, Windräder oder Zementmühlen getestet werden können. Das Betonfundament reicht metertief in den Boden. In den letzten vier Jahren flossen so rund 100 Millionen Euro Investitionen in den Standort Augsburg, dieses Jahr kommen 30 Millionen hinzu.

    Auch persönlich ist Sauter mit der Heimat eng verbunden. Der Jurist wurde in Rieden bei Günzburg geboren, studierte in Augsburg, ging erst zur MAN, dann zu Renk. Mit seiner Frau Isolde wohnt er in Wertingen, seine drei Söhne stehen heute im Berufsleben. „Wenn ich nach der Arbeit daheim ankam, gab es nur noch die Familie“, erinnert sich Sauter an die Zeit, als die Kinder klein waren. Neue Aufgaben wird der Freund klassischer Musik finden, sei es im Garten, sei es, weil er Renk noch eine Zeit lang berät.

    Wer Sauter beobachtet, weiß, dass ihm der Abschied schwerfällt, wenn er am heutigen Freitag in den Ruhestand geht. Er will aber auch die Jüngeren ranlassen, sagt Sauter. Denn mit dem Umbau von MAN beginnt auch für die Augsburger Unternehmen Renk und MAN Diesel & Turbo eine neue Zeit im Volkswagen-Konzern. Nachfolger von Sauter wird Christian Hammel, 43, der von MAN kommt.

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