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Augsburg: MT Aerospace in Augsburg: Raumfahrtfirma baut 100 Jobs ab

Augsburg

MT Aerospace in Augsburg: Raumfahrtfirma baut 100 Jobs ab

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    MT Aerospace muss Stellen abbauen.
    MT Aerospace muss Stellen abbauen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Der harte Einschnitt für die Beschäftigten des Augsburger Raumfahrt- und Luftfahrtunternehmens MT Aerospace kommt nicht überraschend. Denn im August vergangenen Jahres hatte Unternehmens-Chef Hans Steininger im Gespräch mit unserer Redaktion gewarnt: „Wenn nicht bis Herbst für uns positive Entscheidungen fallen, stehen gut 100 Arbeitsplätze auf der Kippe, ja irgendwann ist sogar der Standort gefährdet.“ Letzteres konnte der Manager, der selbst mit 30 Prozent an der Firma beteiligt ist, zwar abwehren. So sagte er am Montag: „Augsburgs Tor zum Weltall bleibt erhalten.“

    Es werden aber zumindest im Produktionsbereich weitere rund 100 Arbeitsplätze wegfallen. Zuvor wurden schon etwa 70 auf noch rund 480 Stellen gestrichen. Das erfolgte zwar sozialverträglich, also etwa über Altersteilzeit. Aber Steininger sagt: „Solche sozialverträglichen Lösungen werden wir jetzt wohl nur noch für rund die Hälfte der 100 Beschäftigen finden. Ich kann deshalb für die Gruppe von 50 Mitarbeitern betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen.“ Dem Unternehmer fällt der Schritt schwer: „Ich hätte mir, als ich vor 16 Jahren in das Unternehmen eingestiegen bin, nicht vorstellen können, dass ich einmal betriebsbedingt kündigen muss.“

    Schlechtere Auftragslage für MT Aerospace in Augsburg

    Immerhin gelingt es Steininger, die Entwicklungsmannschaft weiter zu beschäftigen, um die Innovationskraft des Unternehmens für bessere Auftragszeiten aufrecht zu erhalten. Dazu ist er in der Fertigung nicht in der Lage, weil sich die Auftragslage für MT Aerospace vor allem durch die Corona-Krise und deutliche Programmverzögerungen bei der neuen europäischen Trägerrakete Ariane 6 massiv verschlechtert hat. Dass die Ariane-5-Nachfolgerin nach dem letzten Planungsstand im zweiten Quartal 2022 erstmals fliegen soll, also um etwa zwei Jahre später als vorgesehen, ist fatal für die Zulieferindustrie.

    MT Aerospace-Chef Hans Steininger hat mit Verzögerungen bei der Ariane 6 heftig zu kämpfen.
    MT Aerospace-Chef Hans Steininger hat mit Verzögerungen bei der Ariane 6 heftig zu kämpfen. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    An dem Augsburger Raumfahrt-Standort, der mit rund zehn Prozent am Produktionsvolumen des neuen europäischen Satelliten-Lastesels beteiligt ist, entstehen die Außenhaut und die Treibstofftanks. In der Auto-Sprache könnte man sagen: MT Aerospace baut die Karosserie für die Raketen, die – so das Ziel der Europäer – spürbar günstiger als das Ariane-5-Modell werden sollen. Der Preiskampf in der Branche ist heftig. MT Aerospace und andere europäische Raumfahrtfirmen müssen sich etwa der aggressiven und erfolgreichen Konkurrenz von SpaceX, also der von Tesla-Zampano Elon Musk gegründeten Raumfahrtfirma erwehren.

    Wie die Ariane 6 Augsburger den Job kostet

    Die Ariane 6 wurde wie ihre Vorgängerin dafür ausgelegt, besonders schwere Satelliten (Galileo) ins All zu schießen. Steininger ist unabhängig von MT Aerospace auch an der Augsburger Firma Rocket Factory beteiligt, mit der deutlich kleinere Raketen als die Ariane 6 Lasten mit erheblich weniger Gewicht in den Himmel bringen sollen. Doch das Start-up ist ein Zukunftsgeschäft.

    Künstlerische Darstellung der "Ariane 6". Die neue europäische Trägerrakete hätte eigentlich schon Ende 2020 erstmals abheben sollen.
    Künstlerische Darstellung der "Ariane 6". Die neue europäische Trägerrakete hätte eigentlich schon Ende 2020 erstmals abheben sollen. Foto: David Ducros, dpa

    Die Gegenwart des Ariane-6-Programms wirkt für MT Aerospace ernüchternd. Sahen die Planungen vor, dass die Augsburger elf bis zwölf Sets, bestehend aus Außenhaut und Treibstofftanks, im Jahr liefern, zeichnet sich ab, dass auch nach Überwindung der Corona-Krise im nächsten Jahr vier und dann für längere Zeit fünf bis maximal sechs realistisch sind.

    Am Ende bleiben noch 360 Jobs in Augsburg erhalten

    „Damit kann ich leider die Produktionsmannschaft, die auf eine viel höhere, uns versprochene Produktionsrate ausgerichtet ist, nicht auslasten “, bittet Steininger die vom Stellenabbau betroffenen Mitarbeiter um Verständnis. Nach einer erfolgreichen Restrukturierung des Unternehmens sollen Anfang 2022 noch etwa 350 bis 360 Mitarbeiter in Augsburg für MT Aerospace arbeiten. Steininger hofft so nach Verlusten in 2020 und 2021 im nächsten Jahr bei einer schwarzen Null zu landen. Langfristig ist er optimistisch, weil die Firma in neue Geschäftsfelder wie den 3-D-Druck für die Raumfahrt und die Wasserstofftechnologie investiert. „Und auch die Bundesregierung und Bayern unterstützen uns, so dass wir den Raumfahrt-Standort Augsburg erhalten können.“

    Markus Zerle, Betriebsratsvorsitzender von MT Aerospace, reagierte auf die Ankündigung des weiteren Stellenabbaus mit heftiger Kritik: „Die Zeche bezahlt der kleine Mann. Und das ist nicht nur der Corona-Krise geschuldet. Es wurden auch viele Fehler im Voraus gemacht.“ Der Arbeitnehmervertreter ist überzeugt, das Management hätte früher neue Geschäftsfelder ins Haus holen müssen, um die Beschäftigung langfristig abzusichern.

    Die Firma MT Aerospace produziert in Augsburg unter anderem Bauteile für das Ariane-Raketenprogramm. Die Mitarbeiter kämpfen nun um ihre Arbeitsplätze.
    Die Firma MT Aerospace produziert in Augsburg unter anderem Bauteile für das Ariane-Raketenprogramm. Die Mitarbeiter kämpfen nun um ihre Arbeitsplätze. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Nun forderte Zerle die MT-Aerospace-Führung auf, sich bei den Verhandlungen über den Personalabbau großzügig gegenüber den Beschäftigten zu verhalten: „Es wird schwer für sie, einen Job in der Luftfahrtindustrie zu finden.“ Angela Steinecker verlangte für die Augsburger IG Metall von dem Unternehmen, „den Arbeitsplatzabbau sozialverträglich, also möglichst ohne Kündigungen zu gestalten.“

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