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Augsburg: Kuka-Chef Reuter: Wir haben für Übernahme das Maximale rausgeholt

Augsburg

Kuka-Chef Reuter: Wir haben für Übernahme das Maximale rausgeholt

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    Aufatmen bei den Angestellten von Kuka. Jetzt sind die Investoren dran.
    Aufatmen bei den Angestellten von Kuka. Jetzt sind die Investoren dran. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

    Zum Gespräch mit unserer Zeitung in einem Hotel am Münchner Hauptbahnhof kommt Kuka-Chef Till Reuter nicht alleine. Er hat zwei Arbeitnehmervertreter des Augsburger Roboter- und Anlagenbauers mitgebracht, die beide auch im Aufsichtsrat sitzen. Was schon nach wenigen Minuten der Diskussion auffällt: Der Manager und die Repräsentanten der Beschäftigten, Carola Leitmeir und Armin Kolb, ziehen an einem Strang, was in einer solch schwierigen Situation nicht selbstverständlich ist. Denn Kuka, eines der deutschen Vorzeige-Unternehmen, steht vor der Übernahme durch den chinesischen Haushaltsgeräte-Riesen Midea.

    In ähnlichen Situationen ist meist Feuer unter dem Dach eines Unternehmens. Oft brennt es zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, zu unterschiedlich sind die Interessen beider Blöcke. Betriebsräte befürchten beim Einstieg eines Investors den Abbau von Arbeitsplätzen und Standorten.

    Doch im Augsburger Fall besteht hier lange keine Brandgefahr, weil das Kuka-Management um Reuter eine feuerfest wirkende vertragliche Vereinbarung mit den Chinesen geschlossen hat, die in Europa ihresgleichen suchen sollte. Reuter sagt: „Wir haben das Maximale für Kuka rausgeholt.“ Er sei froh und stolz.

    Midea will keine Stellen in Augsburg abbauen

    Der Superlativ des Managers bezieht sich vor allem auf die ungewöhnliche Laufzeit des weitreichenden Friedensabkommens zwischen Augsburg und China. Demnach verpflichtet sich der Midea-Konzern für siebeneinhalb Jahre, das

    Die rund 3500 Kuka-Beschäftigten in Augsburg können also nach dem Deal mit Midea aufatmen. Der Chef des chinesischen Konzerns, Paul Fang, machte in einem Schreiben deutlich, dass Midea bei Kuka weltweit weder Personalveränderung vornehmen werde noch Standorte schließe. Ein sehr konkretes Versprechen. Üblich sind bei solchen Transaktionen schwammigere Formulierungen. Manager halten sich gerne alle Optionen offen.

    Im Fall Kuka lief es aber anders, auch weil das Unternehmen zu einem Politikum geworden ist, mit dessen Schicksal sich Kanzlerin Angela Merkel und ihr Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel intensiv beschäftigt haben. Die bayerische Firma gilt schließlich als deutsches Aushängeschild für eine gerade im Gange befindliche industrielle Revolution, bei der Mechanik, Elektronik und Sensorik immer stärker mit der Computer- und Datenwelt verschmelzen. Wer auf dem Gebiet vorne wegmarschiert, hat als Industrienation gute Voraussetzungen, hunderttausende Industriearbeitsplätze abzusichern. Deshalb ist Kuka kein normaler Maschinenbauer, sondern, wie der Augsburger Betriebsratsvorsitzende Kolb sagt, eine „Innovationsburg“. Folglich sind die Sorgen in der deutschen Politik und Wirtschaft groß, dass die High-Tech-Festung Kuka von den Chinesen vollkommen eingenommen wird und Wissen nach Asien abfließt.

    Kuka: So soll das Know-How in Augsburg bleiben

    Diese Ängste wiederum ermöglichten es den Managern in Augsburg, hart mit den Chinesen zu verhandeln. So soll etwa eine Abschirmungsvereinbarung sicherstellen, dass Geschäftsgeheimnisse und Kundendaten von Kuka nicht von Midea ausgespäht werden können. Gerade unter deutschen Automobil-Konzernen gab es Bedenken, dass die Asiaten über den Zulieferer Kuka Informationen über neue Fahrzeugmodelle bekommen.

    Durch den Vertrag jedoch sieht Reuter all die Bedenken ausgeräumt. Er begrüßt das Angebot der Chinesen, die 115 Euro je Aktie zahlen wollen und mehr als 30 Prozent an Kuka anstreben. Der Unternehmens-Chef ist selbst Kuka-Anteilseigner. Wie der Manager bestätigt, hält er 20078 Papiere des Unternehmens, was aber nur 0,05 Prozent am Gesamtkapital der Aktiengesellschaft ausmacht. Die Hälfte seiner Wertpapiere will Reuter behalten, den Rest „dient“ er Midea an.

    Chinesische Unternehmen kaufen sich in Firmen in Deutschland ein

    Chinesische Unternehmen kaufen sich seit einigen Jahren in Firmen in Deutschland ein. Beispiele:

    EEW ENERGY: Die chinesische Holding Beijing Enterprises gibt Anfang Februar bekannt, den Spezialisten in der Müllverbrennung EEW Energy from Waste aus Helmstedt für rund 1,44 Milliarden Euro zu übernehmen.

    KRAUSSMAFFEI: Der Spezialmaschinenbauer wurde im Januar von ChemChina, dem größten Chemiekonzern Chinas, für 925 Millionen Euro gekauft. ChemChina kam unlängst erneut in die Schlagzeilen - mit einem 43-Milliarden-Dollar-Angebot für den Schweizer Agrarchemie-Anbieter Syngenta.

    KOKI TECHNIK TRANSMISSION SYSTEMS: Das chinesische Unternehmen Avic Electromechanical Systems übernimmt 2014 den sächsischen Autozulieferer. Ein Kaufpreis wird nicht genannt.

    HILITE: Avic übernimmt 2014 für 473 Millionen Euro den deutschen Autozulieferer.

    TAILORED BLANKS: Der Industriekonzern Thyssenkrupp schließt 2013 den Verkauf seiner Tochter an den chinesischen Stahlkonzern Wuhan Iron and Steel ab. Zum Preis machen beide Seiten keine Angaben.

    KION: 2012 steigt der chinesische Nutzfahrzeugproduzent Weichai Power beim Gabelstaplerhersteller Kion ein. Die Chinesen kaufen zunächst für 467 Millionen Euro 25 Prozent an Kion und steigern 2015 ihren Anteil auf 38,25 Prozent. Außerdem erhält der Investor für 271 Millionen Euro eine Mehrheitsbeteiligung von 70 Prozent an der Hydrauliksparte Kions.

    KION: 2012 steigt der chinesische Nutzfahrzeugproduzent Weichai Power beim Gabelstaplerhersteller Kion ein. Die Chinesen kaufen zunächst für 467 Millionen Euro 25 Prozent an Kion und steigern 2015 ihren Anteil auf 38,25 Prozent. Außerdem erhält der Investor für 271 Millionen Euro eine Mehrheitsbeteiligung von 70 Prozent an der Hydrauliksparte Kions.

    KIEKERT: Der Weltmarktführer für Pkw-Schließsysteme, Kiekert, ging 2012 in chinesische Hände. Der Hersteller aus Heiligenhaus bei Düsseldorf wurde vom börsennotierten chinesischen Automobilzulieferer Lingyun übernommen.

    Die beiden Augsburger Betriebsräte, Carola Leitmeir und Armin Kolb, widerstehen der Versuchung, ihre Kuka-Mitarbeiteraktien abzustoßen: „Wir sind von der guten Zukunft des Unternehmens überzeugt und setzen auf das erfolgreiche Management um Reuter.“

    Das kommt auf die Kuka-Aktionäre zu

    Dabei werden in nächster Zeit Kuka-Aktionäre von ihren Banken angeschrieben, ob und wie viele ihrer Papiere sie verkaufen wollen. Wer der Verlockung erliegt, bekommt nicht gleich Geld gut geschrieben. Zuvor muss der Midea-Deal rechtlich abgeschlossen werden. In der Fachsprache heißt das „Closing“. Nach Prognosen sollen die Kuka-Mitinhaber ihre nach hohen Kurssteigerungen oft satten Gewinne frühestens im August oder September dieses Jahres einstreichen. Bei Verzögerungen könnte das auch erst im März 2017 der Fall sein. Die Kuka-Aktie jedenfalls blieb am Tag nach dem Ja des Vorstands zum Angebot der Chinesen auf dem Niveau von rund 107 Euro.

    So wirkt das Kuka-Reich auf den ersten Blick befriedet. Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch Unruheherde. Es wird heftig darüber spekuliert, dass die beiden jetzigen deutschen Kuka-Großaktionäre Voith und die Loh-Gruppe, die zusammen 35,1 Prozent halten, den Chinesen ihre Aktien auf dem Silbertablett servieren. Der Augsburger IG-Metall-Chef Michael Leppek wünscht sich deshalb ein „starkes Zeichen der beiden Investoren, dass sie an Kuka glauben und sich gegen kurzfristiges Gewinnstreben entscheiden“. Dann gäbe es einen starken deutschen Block in einem chinesisch dominierten Konzern.

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