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Augsburg: Kommentar: Weltbild braucht eine Antwort auf Amazon

Augsburg

Kommentar: Weltbild braucht eine Antwort auf Amazon

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    Die Enttäuschung, der neue Schock bei vielen Beschäftigten des Augsburger Buchhandelsunternehmens Weltbild ist nachvollziehbar. Ein halbes Jahr nach dem Einstieg eines Investors wird abermals über das Streichen von Stellen gesprochen. Der Düsseldorfer Investor Walter Droege will

    Digitale Welle: Amazon überrollt Weltbild

    Als Grund für die Einschnitte kursieren zwei Erzählungen. Dem Investor zufolge bleiben die Umsätze hinter der Planung zurück. Die Prognosen hätten auf falschen Zahlen beruht. Nun müsse man zwangsläufig Kosten senken, Stellen streichen. Interessant ist, dass die Droege-Gruppe bei den Plänen für den Jobabbau sogar die Größenordnung übertrifft, die ein Unternehmen ausgerechnet hatte, das im Sommer 2014 auch aus diesem Grund als Investor abgelehnt worden ist – die Münchner Investmentgesellschaft Paragon. Gewerkschaft und Betriebsrat argumentieren ganz anders: Sie kritisieren, dass Droege in der Vorweihnachtszeit ausgerechnet am Katalog und an der Werbung gespart habe. Die derzeitigen Gespräche sind verfahren. Für die Beschäftigten dauert das Drama fort.

    Das Grundproblem von Weltbild aber ist ein anderes. Es ist das Grundproblem des Buchhandels. Bis heute hat Weltbild keine richtige Antwort auf die Konkurrenz durch den US-Buchhändler Amazon gefunden. Dieser treibt seit Jahren die Buchhandelsbranche in Deutschland vor sich her.

    Das Unternehmen Weltbild

    Zahlen und Fakten zur Augsburger Weltbild-Gruppe:

    Weltbild beschäftigte einst insgesamt rund 6800 Mitarbeiter, davon 2200 am Standort Augsburg.

    Weltbild gehörte den zwölf katholischen Bistümern, dem Verband der Diözesen Deutschlands und der Soldatenseelsorge Berlin.

    Weltbild startete 1948 als Winfried-Werk in Augsburg. Der Verlag gab katholische Zeitschriften heraus. Als zusätzlichen Service gab es einen Bücherdienst.

    In den 1980er Jahren blühte das Unternehmen auf, es kaufte Verlage und Zeitschriften dazu. 1994 eröffnete man die ersten Filialen.

    Seit 1997 gibt es den Onlinehandel. Während das Buchgeschäft floriert, kränkelte das Zeitschriftengeschäft. 2008 stieß Weltbild den kompletten Bereich ab.

    Unter dem Dach der Holding DBH waren die Buchhandlungen Hugendubel, Weltbild und Jokers gebündelt. Zum Konzern gehörten auch die Vertriebsmarken Weltbild, Jokers, Kidoh und buecher.de.

    2012 verkündete die Verlagsgruppe 1,59 Milliarden Euro Umsatz.

    In den vergangenen Jahren geriet das Unternehmen unter Druck - die Konkurrenz von Amazon und anderen machte Weltbild zu schaffen.

    Im Januar 2014 meldete Weltbild Insolvenz an.

    In den folgenden Monaten bekamen hunderte Beschäftigte die Kündigung ausgesprochen.

    Im Mai kündigte Investor Paragon an, Weltbild zu übernehmen.

    Wenig später stieg Paragon wieder aus. Anfang August übernahm dann die Beratungs- und Investmentgruppe Droege die Mehrheit an Weltbild.

    Der Online-Medienhändler bücher.de gehört ab August 2014 vollständig zur Weltbild-Gruppe.

    September 2014: Nach der Mehrheitsübernahme durch den Düsseldorfer Investor Droege gibt es eine neue Geschäftsführung: Gerd Robertz, Patrick Hofmann und Sikko Böhm.

    Nach nur sieben Wochen tritt Gerd Robertz ab und widmet sich wieder nur dem Onlinegeschäft bücher.de.

    Im November kündigt die Geschäftsführung von Weltbild an, in der Verwaltung rund 200 Arbeitsplätze zu streichen.

    2015: Weltbild verkauft 67 Filialen an die kleine Kette "Lesenswert".

    Juli 2015: Rund ein halbes Jahr nach der Übernahme der 67 Filialen ist der Käufer pleite.

    Juli 2015: Knapp ein Jahr nach der Übernahme des Weltbild-Konzerns durch den Düsseldorfer Investor Droege muss der Logistikbereich von Weltbild erneut Insolvenz anmelden.

    Die digitale Welle hat nicht nur Weltbild überrollt. Auch die Buchhandelskette Thalia musste zum Beispiel massiv Ladenfläche reduzieren. Die Umwälzungen finden auf einem Markt statt, der alles andere als rasant wächst. Lange war die Nachfrage nach Büchern rückläufig, ein kleines Umsatzplus gilt als gute Nachricht.

    Weltbild punktet mit dem E-Reader "Tolino"

    Um in Zukunft eine Chance zu haben, muss Weltbild wie viele andere Handelsunternehmen eine Antwort auf Amazon finden. Grundvoraussetzung ist eine schnelle, reibungslose Lieferung. Das weiß man in Augsburg. Um gegen den Fast-Monopolisten anzukommen, ist aber noch mehr nötig. Ein Mehrwert. Ein Profil. Etwas, das den Buchhändler Weltbild von anderen unterscheidet. Die Kirche als früherer Eigentümer hat bei Weltbild viel falsch gemacht, die Krise mitverursacht und sich mit 65 Millionen am Ende geschickt aus der Affäre gezogen. Bei allen Fehlern hat die Kirche dem Unternehmen aber auch ein Profil gegeben. Weltbild hat bis heute treue Kunden. Viele stammen aus dieser Zeit. Dieses Profil fehlt heute. Die neuen Eigentümer müssen ein neues Kompetenzmerkmal aufbauen.

    Dabei hat Weltbild durchaus Pluspunkte und Chancen. Mit dem E-Reader Tolino bietet das Unternehmen ein Produkt an, das dem Kindle von Amazon Konkurrenz macht. Und mit den Buchläden vor Ort könnte Weltbild Präsenz zeigen. Die Augsburger müssen schnell ihre Stärken finden. Sonst droht wirklich ein „Sterben auf Raten“, vor dem die ersten Stimmen aus der Gewerkschaft warnen.

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