Im Arbeitnehmerlager des Augsburger Flugzeugzulieferers Premium Aerotec gibt es einen bösen Verdacht: Demnach spielt das Management des Mutter-konzerns Airbus im Ringen um die Zukunft des Unternehmens auf Zeit. Nach der Lesart soll vor der Bundestagswahl am 26. September keine Entscheidung mehr fallen, ob das Unternehmen mit insgesamt rund 7600 Beschäftigten zerschlagen und danach womöglich ein Teil an einen Investor verkauft wird.
Mit der Taktik wolle die Airbus-Spitze das Thema nicht weiter zuspitzen und damit in den Wahlkampf ziehen. Politische Fragen spielen in dem Wirtschaftskrimi deshalb eine Rolle, weil Deutschland mit knapp elf Prozent an Airbus beteiligt ist und als Großaktionär mitreden kann, wenn es um die Zukunft von Standorten und Arbeitsplätzen geht. Der Fall „Premium Aerotec“ hat mittlerweile eine derartige Brisanz erreicht, dass nach einem ersten Airbus-Krisengipfel nun am Dienstag ein zweiter unter Regie von Bundeskanzleramtsminister Helge Braun (CDU) folgt. Bei dem digitalen Treffen wird im Gegensatz zur ersten Zusammenkunft auch die Arbeitnehmerseite gehört. Das Kanzleramt ist für die deutsche Airbus-Beteiligung zuständig.
Augsburger Standort von Premium Aerotec wäre besonders hart betroffen
Wird die Einzelteile-Fertigung abgespalten, wäre der Augsburger Standort davon besonders hart betroffen, arbeiten in dem Bereich, in dem unter anderem kleinere Flugzeugteile hergestellt werden, doch etwa 2200 von rund 2800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sollte hier ein Investor zum Zuge kommen, befürchtet die Gewerkschaft IG Metall eine Verlagerung von Produktion in Billiglohnländer, einen massiven Arbeitsplatzabbau und auf Dauer einen langsamen Tod des Standortes.
Die Airbus-Spitze hält bisher an den Plänen für eine Zerschlagung fest, hat allerdings noch nicht die Analyse abgeschlossen, ob die Fertigung von Einzelteilen veräußert wird. Doch erste Ergebnisse der Untersuchung machte das Management bereits öffentlich, was die Arbeitnehmerschaft massiv verärgert. Sebastian Kunzendorf, Betriebsratsvorsitzender von Premium Aerotec in Augsburg, ist entsetzt über die Feststellung der Führungsriege des Konzerns, dass die Kostenstruktur der Einzelteilefertigung des Luftfahrtzulieferers 25 bis 30 Prozent über der des Marktes liege, also deutlich zu teuer und nicht wettbewerbsfähig sei. „Das ist eine Frechheit, so eine Zahl einfach in den Orbit zu schießen, ohne sie uns mit entsprechenden Fakten zu belegen.“
In dem Schritt sieht der Gewerkschafter eine weitere massive Bedrohung von Arbeitsplätzen. Kunzendorf hat beobachtet, wie stark die Nennung der Zahl Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zutiefst irritiert habe. „Nach einem entsprechenden Schreiben an die Beschäftigten ist die Stimmung in der Belegschaft weiter in den Keller gerutscht“, sagte er in einem Gespräch mit unserer Redaktion. Und der Betriebsrat warnte: „Werden die Beschäftigten vom Management noch mehr demotiviert, dürfte der ein oder andere über einen Arbeitsplatzwechsel nachdenken.“ Noch gebe es keine auffällige Zahl an Abgängen.
Premium Aerotec: Schon lange werden Jobs in Augsburg abgebaut
Das verwundert auch nicht, schließlich sind bei dem Unternehmen über ein freiwilliges Programm, also mit Abfindungen oder Altersteilzeitlösungen, zuletzt viele Mitarbeiter gegangen. Dabei hält der Arbeitsplatzabbau am Augsburger Standort schon lange an: Von einst etwa 4000 Stellen sind noch rund 2800 übrig. Kunzendorf ist überzeugt: „Das Vertrauen zur Geschäftsführung ist auf einem Nullpunkt angekommen.“ Auch für ihn sei die Situation belastend, meinte der 44-Jährige. Doch der große Zusammenhalt in der Belegschaft gebe ihm Kraft. Kunzendorf will eine Zerschlagung des Unternehmens und einen teilweisen Verkauf verhindern.
Hier fragt sich der Betriebsratsvorsitzende: „Warum stellt sich Kanzleramtsminister Braun nicht klar hinter unser Anliegen und übt Druck auf die Airbus-Spitze aus?“ Kunzendorf fordert den CDU-Politiker auf, sich die Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und Stephan Weil (SPD) zum Vorbild zu nehmen, die sich eindeutig für die Belange der Belegschaft einsetzen. So hofft die Gewerkschaftsseite, dass die Politik nicht auf Zeit wie die Airbus-Führung spielt und noch vor der Bundestagswahl das Management von den Zerschlagungs- und Verkaufsplänen abbringt.
Gewerkschaft fährt Doppel-Strategie bei Premium Aerotec
Dabei gehen Betriebsrat und die Gewerkschaft IG Metall mit einer Doppel-Strategie vor: Sollte die Politik der Airbus-Führung nicht erfolgreich ins Gewissen reden, bereitet die Arbeitnehmerfraktion nach Informationen unserer Redaktion bereits massive Proteste ab Anfang September vor. Das bestätigte Kunzendorf: „Dann sind Warnstreiks bis hin zu Streiks möglich.“ Wenn die Airbus-Spitze wirklich auf Zeit spielt und nach der Bundestagswahl hofft, unter einer neuen Koalition mit neuem Personal leichteres Spiel zu haben, könnte die Vorgehensweise durch die IG Metall öffentlichkeitswirksam mit Arbeitsniederlegungen torpediert werden.
Dem Management des Konzerns scheint bewusst zu sein, wie prekär die Lage ist. Dominik Asam, Airbus-Finanzchef und Aufsichtsratsvorsitzender von Premium Aerotec sagte: „Die Atmosphäre ist angespannt. Es gehe um die Zukunft der Mitarbeiter und Standorte, ja um die Zukunft von Airbus.“ Er verstehe, dass es nicht Freude innerhalb der Arbeitnehmerseite auslöse, wenn überlegt werde, Teile des Unternehmens zu veräußern. Doch der mächtigste Deutsche im Konzern betonte: „Es geht nicht nur um den Kaufpreis, sondern auch um Liefersicherheit.“ Zudem achte das Unternehmen genau auf das Gleichgewicht zwischen Deutschland und Frankreich innerhalb von Airbus. Asam versicherte: „Airbus verabschiedet sich nicht aus Deutschland.“
Dabei wird deutlich, dass sich das Management nicht unter Zeitdruck setzen lassen will: „Eine richtige Lösung ist uns wichtiger als eine schnelle.“ Airbus gehe hier nicht religiös vor, meinte er. Daraus kann man etwas Kompromissbereitschaft herauslesen. Überzeugt ist die Führungsetage allerdings davon, dass die Belegschaft der Einzelteilefertigung von Premium Aerotec bei einem Verkauf an einen Investor besser wegkommen könnte, als wenn der Unternehmensbereich bei Airbus bleibt. Davon versucht das Management die Beschäftigten mit zwei Argumenten zu überzeugen: Wenn ein solcher Partner auch in anderen Branchen wie der Autoindustrie aktiv ist, könne er wegen eines dann größeren Produktionsvolumens kostengünstiger als Premium Aerotec fertigen. Ein derartiger Käufer sei dann in der Lage, kräftiger als die Airbus-Tochter in die Fabriken zu investieren.