Bernd Osterloh versucht vor Weihnachten die angespannten Nerven der früheren MAN-Mitarbeiter etwas zu beruhigen. Der mächtige Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Volkswagen-Konzerns macht in einem Schreiben an die Beschäftigten der Augsburger VW-Tochterfirmen MAN Energy Solutions und Renk, das unserer Redaktion vorliegt, deutlich: „Über die Zukunft beider Unternehmen ist nichts entschieden!“ Und weiter heißt es: „Es sind auch noch keine Weichenstellungen getroffen, die uns unter Zugzwang setzen!“
Die mit diversen Ausrufezeichen bestückte Weihnachtsbotschaft des 63-jährigen Osterloh lässt nur eine Interpretation zu: Bis Jahresende passiert nichts. Die Entscheidung, ob und an wen die beiden Maschinenbaufirmen verkauft werden, fällt erst 2020. Zunächst war spekuliert worden, dass zumindest für den Getriebehersteller Renk noch eine Einigung sozusagen in letzter Minute in diesem Jahr gefunden werden könnte. Doch nun heißt es aus gut unterrichteten Kreisen: Wichtige Gespräche über die Zukunft der beiden Firmen könnten erst Anfang Januar geführt werden. Davon sind allein rund 5200 Beschäftigte in Augsburg betroffen: 1200 bei Renk und 4000 beim Diesel- und Turbomaschinenbauer MAN Energy Solutions.
Renk ist einfacher zu verkaufen als MAN Energy Solutions
Sollten sich Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter im Januar schon einig sein, muss aber noch der Volkswagen-Aufsichtsrat, der regulär Ende Februar tagt, zustimmen. Natürlich könnte auch schon früher eine außerordentliche Sitzung des Kontrollgremiums anberaumt werden. Doch zunächst müssen sich die Repräsentanten der Kapital- und der Beschäftigtenseite erst einmal einigen, wer sich die beiden Firmen schnappen darf. Dabei scheint es nach wie vor einfacher zu sein, einen Käufer für die renditestarke und börsennotierte Renk AG zu finden, selbst wenn die Getriebe des Herstellers auch in deutsche oder französische Panzer eingebaut werden.
Hinter den Kulissen kämpfen die Renk-Interessenten mit harten Bandagen, um sich möglichst in gutem Licht zu präsentieren und Mitbewerber gezielt in den Schatten zu stellen. So wird wiederum das Gerücht gestreut, der ebenfalls börsennotierte Düsseldorfer Rüstungs- und Automobilzulieferkonzern Rheinmetall sei aus dem Rennen um Renk. Nach Recherchen dieser Redaktion handelt es sich hierbei um reine Nebelkerzen. Demnach ist Rheinmetall nach wie vor mit von der Partie und als Betrieb mit starker Gewerkschaft im Haus der Favorit der IG Metall.
Im Rennen um Renk sind EQT, Rheinmetall und Triton
Dennoch scheint sich das Feld der drei Mitkonkurrenten um die schwäbische Technologie-Perle zu lichten. Gerüchten zufolge hat mit der US-Gesellschaft Carlyle bereits einer der drei Finanzinvestoren die Segel gestrichen. Dabei dürfte sicherlich eine Rolle gespielt haben, dass Renk-Getriebe auch in französische Panzer eingebaut werden und es die Regierung in Paris nicht so gerne sähe, wenn eine „Heuschrecke“ aus Amerika die Zügel bei Renk in der Hand hält. Somit hat der schwedische Finanzinvestor EQT größere Chancen, bei dem Getriebehersteller landen zu können, wenn Rheinmetall doch noch aus dem Bieterrennen aussteigen sollte.
Die Skandinavier genießen in Gewerkschaftskreisen einen Ruf als „gute Heuschrecke“, welche Arbeitnehmerrechte achtet. Solch weiche Faktoren entscheiden maßgeblich darüber, wer bei Renk und MAN Energy Solutions vorne liegt. Denn Betriebsräte üben bei Volkswagen großen Einfluss aus. In Wolfsburg etwa gehören gut 90 Prozent der VW-Mitarbeiter der IG Metall an. So hat das Wort Osterlohs enormes Gewicht und strahlt bis nach Augsburg aus. Der Gewerkschafter ist ein Mann klarer Worte. In seinem Weihnachtsbrief formuliert er auch: „Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von VW werden nur einer Lösung zustimmen, die die Beschäftigung in beiden Unternehmen langfristig garantiert!“ Der IG-Metall-Mann wünscht den Mitarbeitern: „Atmet durch, erholt euch gut – und kommt im neuen Jahr gesund wieder!“ Trotzdem müssen die Beschäftigten zittern, ist die Zukunft ihrer Unternehmen doch unklar. Dem Vernehmen nach hat nach wie vor auch der Restrukturierer Triton Appetit auf Renk. Der Bieter wird jedoch in Finanzkreisen als Außenseiter gesehen. Auf alle Fälle zeichnet sich ab, dass zunächst eine Lösung für Renk gefunden wird. Produkte der Firma stecken in Megajachten, Marinebooten, Öltankern, Windkraftanlagen, Zementmühlen und Panzern wie dem Leopard oder dem Puma.
Japaner und Amerikaner werben um MAN Energy Solutions
Mitarbeiter von MAN Energy Solutions müssen wohl länger als ihre Renk-Kollegen bangen. Für den Diesel- und Turbomaschinenbauer werden drei Interessenten genannt: Neben dem US-Diesel- und Gasmotorenhersteller Cummins und der japanischen Firma Mitsubishi Heavy Industries rechnet sich auch der österreichische Interessent Innio Jenbacher, ein Hersteller von Gasmotoren, Chancen aus. Hinter letzterer Firma steckt der US-Finanzinvestor Advent International.
Für die VW-Betriebsräte wäre es schwer vermittelbar, wenn Volkswagen Renk und MAN Energy Solutions an eine Finanz-„Heuschrecke“ verkaufen. Ein industrieller Investor sei das Minimum, heißt es. Dabei halten es Branchenkenner für durchaus möglich, dass MAN Energy Solutions noch einige Jahre unter dem schützenden VW-Dach bleibt. Das Unternehmen mit unterschiedlichen Geschäftsbereichen ist wohl schwerer als Renk zu verkaufen.
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