Immer wieder mal kommt es vor, dass sich junge Unternehmer bei Daniel und Denis Gibisch melden. Sie kennen die Brüder aus dem Fernsehen oder von jenen Veranstaltungen, auf denen sich die Start-up-Szene trifft. Die Nachwuchs-Gründer wollen wissen, wie man das schaffen kann: eine Firma gründen und damit ziemlich schnell ziemlich erfolgreich zu werden. Die Gibisch-Brüder geben dann einige Tipps, erzählen aber auch von den zähen Anfängen. Von jener Zeit also, bevor eine Fernseh-Show ihre Suppen-Firma Little Lunch quasi über Nacht bekannt gemacht hat.
Denis und Daniel Gibisch haben damals zwei Schreibtische, 40.000 Euro Schulden und ein paar Paletten Suppen im Glas, alles bio, ohne künstliche Zusatzstoffe, hübsch anzuschauen, aber eben auch: noch nicht sehr bekannt. Die Brüder haben kurz zuvor ihre Jobs gekündigt, sie sprechen bei Augsburger Bio-Läden vor, versuchen ihre Produkte dort anzubieten. Die ersten 6000 Suppen sind nach acht Wochen weg. Der große Erfolg will sich trotzdem nicht einstellen.
Die Gibisch-Brüder wollen die Suppe neu erfinden
Dass sie ausgerechnet mit Suppen ihr Geld verdienen wollen, können manche Freunde oder Familienmitglieder nicht so richtig nachvollziehen. Denn Suppe, das klingt erst mal ein wenig bieder, nach Schulküche oder Firmenkantine. Die Brüder sind trotzdem überzeugt von ihrer Idee. Sie wollen das Traditionsgericht neu erfinden, mit frischen Zutaten und raffinierten Rezepten. Die Gibisch-Brüder nennen das die „Tütensuppe 2.0“: gesundes Mittagessen, das gut schmeckt, sich überall mit hinnehmen und vor allem unkompliziert lagern lässt. Die Expertise holen sie sich am Anfang vom Augsburger Spitzenkoch Gerhard Frauenschuh, der die Betriebsgastronomie des MAN-Konzerns leitet. Die Suppen lassen sie dann nach ihren Rezepten abfüllen.
Im Frühjahr 2015 bewerben sich die Brüder bei der Fernsehsendung „Die Höhle der Löwen“. Ein Jahr zuvor war die erste Staffel der Gründer-Show auf dem Sender Vox gelaufen. Nachwuchsunternehmer präsentieren in dem TV-Format ihre Geschäftsideen vor fünf Investoren. Die Experten können ihr Geld als Risikokapitalgeber investieren, im Gegenzug erhalten sie Firmenanteile. Die Sendung kommt von Anfang an beim Publikum an, anderthalb Millionen Menschen schalten schon damals ein.
Der Auftritt verändert für die Gibisch-Brüder alles. Acht Tage vor der Ausstrahlung stellen sie die ersten zwei Mitarbeiter ein. In den Tagen nach der Sendung müssen Freunde und Familie mithelfen, um die über 5000 Kundenanfragen zu beantworten. Der Internet-Bezahldienst Paypal sperrt kurzzeitig das Konto. Die Kontrolleure sind misstrauisch, weil plötzlich immer mehr Geld eingeht.
Über Nacht steigerte Little Lunch den Umsatz um 3000 Prozent
Auf einmal stehen die Suppen, die vorher kaum jemand kannte, in jedem Supermarkt-Regal. Die Unternehmer steigern ihren Umsatz auf 600.000 Euro und damit um 3000 Prozent. Mittlerweile haben sie einen Jahresumsatz von zwölf Millionen Euro. In diesem Jahr sollen es 20 Millionen Euro werden. Bis heute ist kein Unternehmen aus der Sendung erfolgreicher als das Start-up aus Augsburg.
Nicht lange nach ihrem Fernsehauftritt haben die Brüder mit ihrer Firma ein Loft in einem umgebauten Kühlhaus bezogen, das auf dem Gelände des alten Augsburger Schlachthofs steht. 20 Menschen arbeiten mittlerweile dort. Die Räume sind hell und offen, von der Decke baumelt eine Holzschaukel, an der Wand hängen Aquarell-Malereien der Little-Lunch-Suppen. Regelmäßig wird zusammen gekocht. Es ist ein Ort, der eher wie ein Wohnzimmer wirkt als wie ein Büro.
Daniel Gibisch, 34 Jahre, grauer Pulli, rötlicher Bart, hat auf einem großen Sofa am Fenster Platz genommen. Dass man sich im Little-Lunch-Hauptquartier wohlfühlt, ist ihm wichtig. „Wir sind eigentlich immer hier“, erzählt er. Für ein Privatleben bleibt nicht mehr viel Zeit, das Unternehmen beschäftigt ihn und seinen Bruder die meiste Zeit des Tages. Die Gibisch-Brüder reisen durch Deutschland, ins Ausland, sie treffen sich mit Vertretern von Handelsketten, mit anderen Unternehmern. Das Start-up-Leben lässt sich eher selten mit einem geregelten Feierabend vereinen. „Aber wir machen das einfach extrem gerne“, sagt Gibisch. Für ihn ist Little Lunch kein Job, sondern Teil seines Lebens.
Bis 2014 hat er als Webentwickler gearbeitet, sein Bruder Denis war als Logistikleiter beschäftigt. Beide haben schon immer davon geträumt, sich irgendwann selbstständig zu machen. Sie entwickelten Ideen, dachten über ein eigenes Restaurant nach, dann über eine Currywurst-Bude. Am Ende wurden es die Bio-Suppen. Heute verkaufen sie etwa eine Million Suppengläser im Monat. Die Produkte stehen in Supermärkten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, bald sollen sie auch nach Polen und Italien verkauft werden. Längst haben die Brüder ihr Sortiment erweitert: Von Little Lunch gibt es auch Smoothies, Brühe und Fonds. Vergangenes Jahr haben die Unternehmer ein eigenes Kochbuch veröffentlicht.
Frank Thelen öffnete ihnen die Tür zu Rewe
Wie sehen die nächsten Ziele aus? Denis Gibisch hat sich mittlerweile neben seinen Bruder gesetzt. Beide schauen sich an, lachen. „Noch viel größer zu werden“, sagt Daniel Gibisch. „Das ist das Ziel.“ Und was ist ihr Antrieb? Denis Gibisch braucht nicht lange, um zu antworten. „Der Erfolg, eindeutig.“
Hätte es diesen Erfolg auch ohne die TV-Show gegeben? So erfolgreich wie heute, sagt Denis Gibisch, wären sie ohne „Die Höhle der Löwen“ auf keinen Fall. 180.000 Euro Risikokapital haben Tech-Investor Frank Thelen und Teleshopping-Unternehmerin Judith Williams damals in das junge Start-up gesteckt.
Aber noch wichtiger als das Geld waren die Ratschläge und die Kontakte, die beide den Brüdern vermittelt haben. Frank Thelen öffnete ihnen die Tür zu Rewe. Judith Williams sorgte dafür, dass die Little-Lunch-Produkte regelmäßig beim Münchner Verkaufssender HSE24 angeboten werden.
Am Anfang standen die Brüder noch gemeinsam mit Williams vor der Kamera. Mittlerweile haben sie dafür kaum noch Zeit. Ihr Ersatz kommt aber aus der Familie: „Unsere Mutter hat das jetzt übernommen“, sagt Denis Gibisch, lacht und fügt dann hinzu. „Sie macht das besser als wir.“