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Interview: Aufseher Andy Gu: "Augsburg bleibt das Innovationsherz von Kuka"

Interview

Aufseher Andy Gu: "Augsburg bleibt das Innovationsherz von Kuka"

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    Aufsichtsratschef Andy Gu im Gespräch mit unserer Redaktion.
    Aufsichtsratschef Andy Gu im Gespräch mit unserer Redaktion. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Gu, wie oft sind Sie in Augsburg?

    Andy Gu: Nicht so häufig. Ich komme einige Male im Jahr zu den Sitzungen des Aufsichtsrates, dessen Vorsitzender ich bin.

    Was schätzen Sie an der bayerischen Kultur?

    Gu: Ich lerne hier immer noch viel hinzu und bin sozusagen noch ein Bayern-Anfänger.

    Gibt es eine spezielle Kuka-Kultur?

    Gu: Ich habe schon sehr viel hier in Augsburg gelernt, möchte mir aber kein endgültiges Urteil anmaßen, schließlich unterscheidet sich das Automatisierungsgeschäft fundamental vom Midea-Geschäft. Wir stellen ja Haushaltsgeräte her. Und Sie müssen wissen: Ich kann weder Deutsch lesen noch schreiben. Ich spreche mit den Kuka-Leuten hier Englisch. Ich habe also noch einige Hausaufgaben zu machen.

    Was schmeckt Ihnen in Bayern am besten?

    Gu: Ich mag deutsches Essen. Würstchen zum Beispiel. Das Bier ist auch ok.

    Was bewundern Sie am meisten an Kuka-Robotern aus Augsburg?

    Gu: Dass sie bei so vielen Kunden in der Autoindustrie eingesetzt werden, aber auch in immer neue Industriebereiche vordringen. Gerade Letzteres wird für uns zunehmend interessant. Es gilt, die Autoindustrie weiter zu pflegen, aber auch die Abhängigkeit von der Branche zu reduzieren, indem Kuka neue Wirtschaftszweige erobert. Die Chancen liegen hier vor allem auf dem chinesischen Markt, der ja der größte Markt für Robotik und Automation ist. Und hier ziehen bei Kuka Deutsche und Chinesen an einem Strang. Zusammen versuchen wir, das Geschäft in China voranzubringen.

    Ist es für Kuka nicht gefährlich, so stark von der Autoindustrie abhängig zu sein?

    Gu: Kuka macht rund 50 Prozent seines Geschäfts mit der Autoindustrie. Gerade in China haben wir die Chance, in anderen Branchen stärker zugunsten der ganzen Kuka zu wachsen. Auto-Konzerne sind aber nach wie vor sehr wichtige Kunden.

    Was können Deutsche von Chinesen lernen und was Chinesen von Deutschen?

    Gu: Beide Nationen können viel voneinander lernen. Die Deutschen gehen ausgesprochen logisch an neue Themen heran und entwickeln Strategien, die sie versuchen, dann auch konsequent einzuhalten. Wir Chinesen achten sehr auf Zahlen. Es gilt, die Kosten im Griff zu behalten. Und wir Chinesen agieren schneller. In China gibt es viel mehr unterschiedliche Kundengruppen, die sehr fordernd sind und auf deren Wünsche wir rasch reagieren müssen.

    Sie müssen unzufrieden mit dem Kuka-Management gewesen sein, sonst hätten Sie nicht Konzern-Chef Till Reuter entlassen.

    Gu: Till Reuter hat über viele Jahre hinweg einen guten Job gemacht. Die Firma ist in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender enorm gewachsen. Er hat also viele gute Entscheidungen getroffen.

    Warum musste er dennoch gehen?

    Gu: Das ist auch nicht anders als in der Welt des Sports. Manchmal schleichen sich in einem Team Fehler ein. Manchmal liefert man nicht das, was erwartet wird.

    Welche Fehler hat Reuter gemacht?

    Gu: Wir schauen auf die Performance. Es gab zwei Gewinnwarnungen. Wir haben uns zusammengesetzt und gemeinsam entschieden, dass es eine Veränderung geben soll.

    Hat Reuter dann von sich aus aufgrund des Drucks die Firma verlassen oder wurde er rausgeschmissen?

    Gu: Noch einmal: Wir haben das Thema diskutiert und dann eine gemeinsame Entscheidung getroffen. Wir sind dabei ganz neutral vorgegangen. Es waren also keine Emotionen im Spiel.

    Haben die Erfolge von Reuter dann nicht mehr gezählt? Er wurde ja von Beschäftigten und Politikern als „Mister Kuka“ sehr geschätzt.

    Gu: Wie gesagt, Till Reuter hat sehr viel Gutes für Kuka getan. Und nein, das spielte keine Rolle. Die Entscheidung hatte nichts mit seiner Person und seinem Image zu tun. Es ging um die Performance des Unternehmens. Es ist die Aufgabe des Aufsichtsrats, darauf zu achten.

    Wie zufrieden sind Sie mit den neuen Top-Managern mit Peter Mohnen an der Spitze?

    Gu: Sie sind auf dem richtigen Weg. Ich hoffe, dass wir im zweiten Quartal dieses Jahres erste positive Entwicklungen sehen, was die Performance betrifft. Mohnen hat seine Strategie im Aufsichtsrat vorgestellt und wir stehen hinter seinen Plänen. Ich bin davon überzeugt, dass sich Kuka positiv entwickeln wird.

    War Kuka zuletzt nicht innovativ genug?

    Gu: Kuka ist innovativ und hat immer in Forschung und Entwicklung investiert. Manchmal brauchen Innovationen Zeit. Und Chinesen und Deutsche müssen sich sicher auch besser verstehen lernen, damit Kuka wieder erfolgreicher wird.

    Zur Unterstützung haben Sie sich ja die deutsche China-Kennerin Ulrike Tagscherer an Bord geholt. Hilft das?

    Gu: Das Kuka-Management hat sie eingestellt und sie hilft sehr. Frau Tagscherer hat in China gelebt und spricht Chinesisch. Sie und alle Kollegen, die mit ihr arbeiten, helfen uns, Gräben zwischen Augsburg und China zu überwinden. Frau Tagscherer ist wertvoll für uns, gerade um Missverständnisse in der Kommunikation zu vermeiden. Sie hilft der chinesischen Seite, die deutsche Seite besser zu verstehen. Das gilt auch umgekehrt.

    Welche Themen kommen hier zum Vorschein?

    Gu: Chinesische und deutsche Kunden sind sehr unterschiedlich. Chinesische Kunden haben viel weniger Geduld als deutsche. Chinesische Kunden sind fordernder und ändern oft ihre Wünsche. Das ist normal im Consumer-Bereich. In China werden Bestell-Pläne von einem Tag auf den anderen über den Haufen geworfen. Kunden wollen Waren einfach schneller haben. In Indien ist das übrigens ähnlich. So müssen Fabriken schnell reagieren können. Der chinesische Markt ist viel dynamischer als der stabile deutsche Markt. Auf diese Gegebenheiten müssen sich chinesische und deutsche Manager einstellen. Da läuft viel über Kommunikation.

    Hat Kuka Fehler in China gemacht?

    Gu: Kuka ist sehr schnell in China gewachsen. Der Markt ist anders als der europäische. Denn in der Robotik gibt es dort nicht nur bekannte Wettbewerber, sondern auch hunderte kleine chinesische Robotik-Firmen. Die Start-up-Szene ist sehr lebendig. Auf diesen viel wettbewerbsintensiveren Markt muss sich das Unternehmen einstellen.

    Wie wäre es mit einem Midea-Haushaltsroboter aus den Kuka-Labors?

    Gu: Darüber diskutieren wir. Einen solchen Roboter auf den Markt zu bringen, ist aber schwierig. Auf diesem Markt tummeln sich schon einige chinesische Hersteller.

    Aber was ist so schwierig daran, einen Roboter zu entwickeln, der etwa die Spülmaschine einräumt?

    Gu: Es ist eher die Frage, ob es derzeit Sinn macht. Die nächsten Schritte in China sind Scara und Delta-Roboter für China. Darauf liegt der Fokus. Das ist einfacher, denn Kuka kommt aus der Welt der Industrie. Zwischenzeitlich dachte man mal, unsere Co-Bots, also unsere kleineren Roboter, die mit dem Menschen zusammenarbeiten, seien die Basis für solche Haushaltsroboter. Doch derzeit sind diese Roboter für den Consumerbereich noch zu teuer.

    Im Fokus stehen sicherlich auch bessere Geschäftszahlen. Aber wie kann es sein, dass Kuka als Technik-Unternehmen derzeit allein von zwei Finanz-Experten geführt wird?

    Gu: Das ist eine sehr deutsche Frage. In Amerika würde diese Frage so nicht gestellt. Dort ist es ganz normal, dass ein Finanz-Vorstand, wie es Peter Mohnen war, die Funktion des Vorstandsvorsitzenden übernimmt.

    Bräuchten Sie nicht im Vorstand zusätzlich einen CTO, also Chief Technology Officer, um noch stärker technische Kompetenz in die Entscheidungen einzubeziehen?

    Gu: Wir suchen einen CTO.

    Haben Sie schon einen Kandidaten im Blick?

    Gu: Wir haben den Such-Prozess gestartet. Ich hoffe, dass wir bis Ende des Jahres einen solchen CTO gefunden haben. Wir suchen weltweit. Unter den derzeit identifizierten Kandidaten befinden sich aber mehr deutsche Bewerber.

    Viele gute Leute haben Kuka verlassen. Wie gefährlich ist das?

    Gu: Soweit ich das sehe, gibt es immer noch sehr gute Leute bei Kuka. In Deutschland reagiert man sehr besorgt darauf, wenn mal einige Mitarbeiter eine Firma verlassen. In China ist es ganz normal, dass fünf bis zehn Prozent der Belegschaft pro Jahr gehen.

    In Deutschland kritisieren Manager, die Chinesen hätten bei Kuka, wie so oft in diesen Fällen, zwei Jahre gewartet und dann durchgegriffen.

    Gu: Dabei ist sehr auffällig, dass einige dieser Manager in China sehr viel positiver über uns sprechen als in Deutschland. Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Natürlich haben Menschen immer Zweifel, wenn sich ausländische Firmen in ihrem Land engagieren. Das verstehe ich auch. Aber ich glaube an eine freie Wirtschaft.

    Manche Kuka-Mitarbeiter haben den Glauben in das Unternehmen und vor allem die Investoren verloren, werden doch trotz einer Beschäftigungsgarantie 350 Arbeitsplätze abgebaut. Hat Midea hier Druck auf Kuka ausgeübt?

    Gu: Diese Entscheidung wurde nicht von uns, sondern vom Kuka-Vorstand in Augsburg getroffen.

    Das ist schwer zu glauben. Haben Sie wirklich keinen Druck ausgeübt?

    Gu: Wir als Aufsichtsrat schauen nur auf die Performance und Leistung der Führung. Das Management hat uns seine Entscheidung mitgeteilt, 350 Arbeitsplätze in Augsburg abbauen zu wollen. Wir haben das im Aufsichtsrat diskutiert. Es ist aber letztlich eine Entscheidung des Managements. Und das Management hat seine Entscheidung getroffen. Wir als Vertreter der Investoren im Aufsichtsrat sagen den Kuka-Managern nicht, was sie zu tun haben.

    Sie haben aber einst versprochen, als langfristig orientierter Investor in Deutschland Jobs zu sichern.

    Gu: Und dazu stehen wir auch. Warum sollten wir das Geschäft und Arbeitsplätze von Augsburg aus nach China verlagern, wenn hier in Deutschland wichtige Kunden sitzen? Das würde für uns keinen Sinn machen. Wenn wir nur in China wären, würden wir ja den Kontakt zu unseren Kunden in Europa verlieren. Wenn wir die Kuka-Zentrale nach China verlagern würden, würden wir an Innovationskraft einbüßen. Augsburg bleibt das Innovationsherz von Kuka.

    Ist das in zehn Jahren noch der Fall?

    Gu: Ich sehe derzeit keinen Grund, warum wir das ändern sollten.

    Können Sie einen weiteren Arbeitsplatzabbau in Augsburg ausschließen? Und verstehen Sie, dass Beschäftigte in Augsburg verunsichert sind?

    Gu: Stellen Sie bitte diese Fragen dem Management in Augsburg. Wir haben als Midea viele Beteiligungen. Wir sagen den Managements vor Ort nicht, was sie tun sollen, aber wir sagen ihnen, welche Performance sie abzuliefern haben.

    Doch Mitarbeiter sind verunsichert.

    Gu: Es ist Aufgabe des Managements, bei den Beschäftigten Ruhe reinzubekommen. Wenn ich dazu beitragen kann, tue ich das natürlich.

    Was ist Ihre Vision für Kuka?

    Gu: Ich glaube, dass Kuka viel stärker in China wird. Und Kuka wird ein Beispiel für die gute Zusammenarbeit von Deutschen und Chinesen sein. Wir als Midea glauben an Kuka und investieren rund eine Milliarde Euro in Kuka, mehr als je zuvor in das Unternehmen investiert wurde. Aber wir brauchen auch eine gute Performance.

    Die Beschäftigten in Augsburg sind sehr stolz auf Kuka. Sie nennen sich Kukaner und sagen, in ihren Adern fließe orangenes Blut. Ist Ihr Blut auch schon ein wenig orange?

    Gu (lacht): Ich weiß, dass die Menschen hier stolz auf Kuka sind. Und wer weiß, vielleicht wird mein Blut auch irgendwann orange.

    Zur Person: Andy Gu, 55, ist Aufsichtsratsvorsitzender des Augsburger Roboter- und Anlagenbauers Kuka. Er nimmt die Interessen des chinesischen Eigentümers Midea wahr. Der Manager heißt in China Yanmin Gu. Er hat in den USA studiert und auch einen Doktortitel erworben.

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