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Audi-Chef: Rupert Stadler:"Bis 2020 wollen wir zwei Millionen Autos verkaufen"

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Rupert Stadler:"Bis 2020 wollen wir zwei Millionen Autos verkaufen"

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    Audi-Chef Rupert Stadler zu Besuch in unserer Redaktion. Er sieht die neuen CO2-Verpflichtungen als "Mammutaufgabe".
    Audi-Chef Rupert Stadler zu Besuch in unserer Redaktion. Er sieht die neuen CO2-Verpflichtungen als "Mammutaufgabe". Foto: Fred Schöllhorn

    Die Audi-Erfolgsgeschichte währt nun schon über 20 Jahre. Jetzt steht das Unternehmen vor der Herausforderung, den Kohlendioxid-Ausstoß auf Druck von Brüssel massiv zu senken. Audi- Vorstandschef Rupert Stadler erklärt im Interview, wo er das Unternehmen hinführen will und wie er die Entwicklung der Branche sieht.

    Der Gesetzgeber setzt die Industrie unter Druck, immer umweltfreundlichere Autos zu bauen. Wie groß ist diese Herausforderung?

    Stadler: Die Autoindustrie steht vor den größten Herausforderungen seit Jahrzehnten. Wenn wir reflektieren, was unsere Branche im Sinne der CO2-Verpflichtung in den nächsten Jahren zu erbringen hat, ist das eine Mammutaufgabe.

    Neue Technologien sind teuer. Zwar laufen bei Audi die Geschäfte weiter gut, aber die Autokrise in Europa ist hartnäckiger, als viele zunächst dachten. Wie ernst ist die Lage?

    Stadler: Beim Blick auf den europäischen Automarkt beschäftigt mich eine zentrale Frage. Stehen wir vor oder nach der Krise? Darauf eine Antwort zu geben, fällt mir schwer. Denn aus dem Jahr 2009, wo es blitzartig in den Keller ging, sind wir schneller herausgekommen, als wir das je geglaubt hätten. Da war jeder happy und dachte: So, jetzt liegt das hinter uns. Aber wir sehen heute, es ist nicht so. Die Schulden, die sich über Jahrzehnte hinweg aufgetürmt haben, die bekommt man nicht über Nacht wieder weg.

    Was müssen die EU-Staaten tun?

    Stadler: Die Staaten sind angehalten, an der Schuldenkonsolidierung weiterzuarbeiten, denn keiner will sie der nächsten Generation aufbürden. Insofern steht jeder auf der Ausgabenbremse.

    Was ist jetzt notwendig?

    Stadler: Die Volkswirtschaft bräuchte das Wachstum fördernde Maßnahmen, damit der Konsum wieder stärker anläuft und Investitionen auslöst. Vor allem in Südeuropa gibt es bei der Zulassung neuer Autos historische Tiefststände. In Italien und Spanien werden so wenig Autos verkauft wie seit den 70er beziehungsweise den 80er Jahren nicht mehr. Die Situation in diesen Märkten ist existenzgefährdend – nicht nur für einige Hersteller, sondern auch für viele, viele Händler.

    Und die Prognosen sind nicht gut.

    Stadler: Wir rechnen in diesem Jahr in Westeuropa mit einem Gesamtmarkt von rund elf Millionen verkauften Neuwagen, also werden wir einen weiteren Rückgang um fünf Prozent verkraften müssen. Audi liegt in Europa nach dem ersten Halbjahr mit minus 2,5 Prozent besser als der Gesamtmarkt. Unsere Internationalisierung zahlt sich aus, denn wir kompensieren die Marktschwäche in Europa mit zweistelligen Zuwächsen in China und den USA.

    Gelingt das auch in den kommenden Jahren?

    Stadler: Wir sind zuversichtlich, unser Wachstumstempo zu halten. Unser Absatzziel von 1,5 Millionen Autos pro Jahr werden wir deutlich vor 2015 erreichen, für 2020 peilen wir zwei Millionen Autos pro Jahr an. Auf dem Weg dahin begleitet uns das größte Investitionsprogramm unserer Unternehmensgeschichte.

    Wie viel investiert Audi derzeit pro Jahr in die Zukunft der Firma?

    Stadler: Deutlich über drei Milliarden Euro. Und zwar in neue Produkte, Technologien und Fabriken.

    Das Wachstum in dem für Audi zentralen Markt China verlangsamt sich nach stürmischen Jahren auf sieben Prozent. Wie wirkt sich das aus?

    Stadler: Hätten wir in Europa sieben Prozent Wachstum, dann würden wir uns im siebten Himmel wähnen. Bei den prognostizierten sieben Prozent handelt es sich um das gesamtwirtschaftliche Wachstum. Für den Automarkt werden rund zehn Prozent vorhergesagt. Wir waren im letzten Jahr bei einem Gesamtmarkt von 13,5 Millionen Autos. Der wird sich schnell auf 15 Millionen Neuwagen pro Jahr entwickeln. Wir sehen Perspektiven von 20 Millionen Pkw, leichte Nutzfahrzeuge gar nicht eingerechnet.

    Bleibt China ein Paradies für Autokonzerne?

    Stadler: Die Chinesen investieren enorm in Verkehrswege. Dort wurden in zwei Jahren 20 000 Kilometer an neuen Autobahnen vollendet. China will das Wachstum, das heute vor allem in den Metropolen stattfindet, in alle Bereiche des Landes ausdehnen.

    Audi ist schon vor 25 Jahren und damit sehr früh in China aktiv geworden. Zahlt sich das jetzt aus?

    Stadler: Wir sind dort unternehmerisch sehr früh ins Risiko gegangen, haben auch früh die Kompetenzentwicklung mit unseren chinesischen Partnern vorangetrieben. Das hat sich gelohnt, und es war – wie sich heute zeigt – auch notwendig. Ein Audi-Kunde in China ist genauso anspruchsvoll wie einer in Deutschland oder in den USA.

    Wie muss man sich den durchschnittlichen chinesischen Kunden vorstellen?

    Stadler: Er ist sehr technikaffin. Darum haben wir in China auch ein Entwicklungszentrum mit 300 Ingenieuren, unter anderem für Infotainment. Chinesische Audi-Kunden sind happy, wenn sie jetzt ihre Schriftzeichen, zum Beispiel zur Eingabe der Navigationsadresse, in unseren Autos über ein Touchpad eingeben können.

    Chinesische Kunden, heißt es, seien nicht so markentreu wie Europäer. Was unternimmt man bei Audi, um sie an das Unternehmen zu binden?

    Stadler: Wir spüren, dass unsere Kunden in China immer loyaler werden. Dazu muss man natürlich eine ganze Menge tun. Wenn Sie sich unsere Händler in China ansehen, dann werden Sie staunen. Sie haben da eine Wohnzimmer-Wohlfühl-Atmosphäre inklusive offenem Kamin. Die Kunden können beim Händler auf Bildschirmen beobachten, wie ihr Auto gewartet wird. Bei manchen Händlern gibt es Einkaufsmöglichkeiten oder Kinosäle, damit die Kunden gut unterhalten werden.

    Aus deutscher Sicht mutet das wie ein Science-Fiction-Film an.

    Stadler: Sie dürfen nicht vergessen, dass ein großer chinesischer Händler 3000 Neuwagen pro Jahr verkauft, das Vielfache eines Audi-Händlers in Europa. In nur zehn Jahren hat ein großer chinesischer Händler einen Stamm von rund 30 000 Kunden. Solche Dimensionen sind bei uns selten.

    Wenn Audi einmal zwei Millionen Fahrzeuge pro Jahr baut, wie stark wächst dann in der Folge der Standort Ingolstadt?

    Stadler: Von jedem Wachstumsschritt profitieren auch immer die Heimatstandorte. Heute arbeiten 36 000 Menschen in Ingolstadt. Vor 15 Jahren waren es nur 27 000. Dieser Trend wird sich fortsetzen, auch wenn neuer Personalaufbau natürlich vornehmlich in den Wachstumsregionen stattfinden wird.

    Müssen sich die Mitarbeiter in Ingolstadt langfristig Sorgen um ihre Jobs machen?

    Stadler: Nein. Sie müssen aber weiter intensiv daran mitarbeiten, dass die Leistung für den Kunden stimmt. Denn die Maxime lautet: Um das, was wir teurer sind, müssen wir besser sein.

    Audi gilt bei jungen Menschen als beliebter Arbeitgeber. Wie bindet man gute Leute?

    Stadler: Indem man ihnen beispielsweise auf sie zugeschnittene Arbeitszeitmodelle anbietet. Junge Leute wollen keine klassische Arbeitszeit mehr. Sie wollen flexibel sein und persönlichen Gestaltungsspielraum haben. Ich halte deshalb die Vertrauensarbeitszeit für ein gutes Instrument.

    Vertrauensarbeitszeit? Was verbirgt sich dahinter?

    Stadler: Die Menschen wollen projektorientiert arbeiten. Der Job muss ihnen Spaß machen. Sie wollen keine Stechuhr, bleiben wenn nötig auch mal länger im Büro und dafür mal, abgestimmt mit dem Chef, einen halben Tag zu Hause.

    Audi baut in Neuburg an der Donau derzeit ein „Driving Experience Center“. Auf einer Fläche von 47 Hektar werden Kunden und Interessenten künftig Audi-Modelle testen können. Wann wird das Zentrum eröffnet?

    Stadler: Wir starten im Frühjahr. Und wir sind der Überzeugung, einen Teil der 100 000 Kunden, die pro Jahr ihren Audi in unserem Auslieferungszentrum in Ingolstadt abholen, für solche besonderen Fahrerlebnisse gewinnen zu können. Wenn wir das gut vernetzen, zum Beispiel mit dem Wittelsbacher Golfklub in Neuburg und der Stadt, wird das ein tolles Paket, von dem die ganze Region profitieren kann. Zudem bekommt der Audi-Motorsport dort nach Jahren der Provisorien einen festen Standort.

    Zum Schluss eine persönliche Frage. Wollen Sie einmal Chef der Audi- Mutter Volkswagen werden?

    Stadler: Wer dann Volkswagen führt, wird der Aufsichtsrat entscheiden. Ich selbst bin gerne bei Audi und fühle mich da sehr wohl. Ich habe in meiner Karriere nie nach der nächsten Station geschielt, sondern meinen Job so gut wie möglich gemacht.

    Die Fragen stellten: Josef Karg und Stefan Stahl

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