Der Andrang von Flüchtlingen nimmt kein Ende: Weil der Zustrom von Menschen auf der Balkanroute ungebrochen ist, wurden am Dienstag allein im Raum Passau rund 10 000 Asylbewerber erwartet. Angesichts solcher Rekordzahlen will Bayern jetzt notfalls aus eigener Kraft „Notmaßnahmen“ ergreifen.
Ministerpräsident Seehofer (CSU) kündigte das am Dienstag nach einer Kabinettssitzung an, blieb aber Details schuldig. Die soll es nach einer Sondersitzung der Ministerrunde am 9. Oktober geben. Aus Kabinettskreisen verlautete, es könnten beispielsweise Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen werden, für die nach geltendem EU-Recht eigentlich ein anderes Mitgliedsland zuständig wäre. Auch werde erwogen, Flüchtlinge einfach in andere Bundesländer weiterzuschicken.
Die Zahl der in Bayern eintreffenden Flüchtlinge erreichte im September einen neuen Rekord: Bislang kamen 169 400 Flüchtlinge an, wie Seehofer mitteilte. Er verlangte von Kanzlerin Merkel (CDU) und der Bundesregierung dringend ein klares Bekenntnis zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen. Dabei dankte er Bundespräsident Gauck, der auf die begrenzten Möglichkeiten Deutschlands zur Aufnahme von Flüchtlingen hingewiesen habe. Ein „vergleichbares Signal“ würde er sich auch aus Berlin wünschen. Für den 15. Oktober kündigte der Ministerpräsident eine Regierungserklärung im Landtag an.
Trennung nach Religion und Herkunft?
Trotz weiterer Gewaltausbrüche in Flüchtlingseinrichtungen stießen jüngste Forderungen nach einer getrennten Unterbringung von Flüchtlingen nach Religion und Herkunft parteiübergreifend auf Skepsis. Für die Integration der Flüchtlinge wäre dies „kontraproduktiv“ und „organisatorisch kaum zu bewältigen“, erklärte SPD-Generalsekretärin Fahimi. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, eine solche Trennung sei „praktisch in der jetzigen Lage unmöglich“. Dafür müssten die Kommunen zurzeit zu viele Menschen unterbringen. Ähnlich äußerte sich der Chef der Innenministerkonferenz, Lewentz (SPD, Rheinland-Pfalz). Die wichtigste Aufgabe sei jetzt, den Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten.
Was bekommen Flüchtlinge?
Flüchtlinge erhalten gemäß Asylbewerberleistungsgesetz Mittel zur Sicherung ihres Existenzminimums. Wie viel Bargeld ein Flüchtling bekommt, hängt davon ab, wie lange er in Deutschland ist und welche Sachleistungen er in seiner Unterkunft erhält.
In den Erstaufnahmeeinrichtungen werden vorrangig Sachleistungen gewährt. Dinge des täglichen Bedarfs wie Essen oder Möbel werden dort meist zur Verfügung gestellt. Außerdem gibt es Bargeld für persönliche Bedürfnisse.
Alleinstehende erhalten 143 Euro im Monat. Erwachsene, die als Partner einen Haushalt teilen, bekommen je 129 Euro. Wer sonst noch im Haushalt lebt, kriegt 113 Euro. Für Kinder stehen Familien je nach Alter 85 bis 92 Euro zu.
Wenn Asylbewerber nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften des Landes untergebracht sind und damit in der Regel Essen und andere Sachleistungen wegfallen, gibt es mehr Bargeld.
Erwachsene Alleinstehende erhalten dann 216 Euro, Kinder oder weitere Haushaltsmitglieder 133 bis 194 Euro.
Hier gibt es allerdings etwas Spielraum: Anstelle der Geldleistungen können auch - "soweit es nach den Umständen erforderlich ist", wie es im Gesetz heißt - Wertgutscheine und Sachleistungen gewährt werden.
Zudem übernehmen die Behörden anfallende Wohnkosten. Auch bei Krankheit, Schwangerschaft oder Geburt erstattet der Staat die Kosten.
Ist ein Flüchtling länger als 15 Monate im Land, stehen ihm bei Bedürftigkeit Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu. Damit erhält ein Alleinstehender etwa 392 Euro. Zudem werden seine Wohnkosten erstattet. (dpa)
Wie angespannt die Lage in vielen Unterkünften ist, zeigen neue Tumulte in Flüchtlingsheimen, wie etwa in Donaueschingen. Dort gerieten Bewohner unterschiedlicher Nationen in einen heftigen Streit um die Benutzung der Duschräume. Die Polizei konnte eine Eskalation gerade noch verhindern. Verletzt wurde niemand. In einer Flüchtlingsunterkunft in Ellwangen (Ostalbkreis) kam es zu einer Schlägerei unter Syrern. Dabei wurde ein Mann verletzt. Bei einer Massenschlägerei in einer Dresdner Erstaufnahmeeinrichtung wurden zwei Pakistaner verletzt. Nach Angaben der Polizei war ein verbaler Streit unter 150 Flüchtlingen aus Pakistan und Syrien ausgeartet. Dabei gingen mehrere von ihnen mit Holzlatten und Eisenstangen aufeinander los. dpa, afp, AZ