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Arbeitszeiten: Wie flexibel wollen wir arbeiten?

Arbeitszeiten

Wie flexibel wollen wir arbeiten?

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    Arbeiten nach der Stechuhr? In manchen Betrieben ist das noch Alltag. Aber die Wünsche nach flexiblen Arbeitszeiten werden immer lauter.
    Arbeiten nach der Stechuhr? In manchen Betrieben ist das noch Alltag. Aber die Wünsche nach flexiblen Arbeitszeiten werden immer lauter. Foto: Armin Weigel, dpa

    Lange Zeit schien in Deutschland alles klar, wenn es um das Thema Arbeitszeiten ging: Wer viel arbeitete, galt als fleißig und zielstrebig. Er genoss Ansehen und hatte gute Karriere-Chancen. Doch dieses Bild gerät zusehendsins Wanken. Der Grund: Die Menschen wollen mehr von ihrer Freizeit genießen. Work-Life-Balance heißt das, also ein Gleichgewicht zwischen der Arbeit und restlichem Leben.

    Viele wollen weniger arbeiten

    An der Hochschule Augsburg hat sich Professorin Erika Regnet mit diesem Thema befasst. Dazu befragte sie Bachelor- und Master-Absolventen. Einmal im Jahr 2013 und dann wieder 2017. Sie wollte wissen, was den jungen Menschen bei der Wahl eines Arbeitgebers am wichtigsten sei. „2013 landete die Work-Life-Balance noch auf dem sechsten Rang“, sagt die Professorin für Personalmanagement. „Vier Jahre später kam sie bei schon auf den dritten Platz – und zwar bei den Männern und den Frauen.“ Und noch etwas ergab die Umfrage unter den Hochschulabsolventen: 2017 liegt die Schmerzgrenze für die wöchentliche Arbeitszeit deutlich niedriger als bei der ersten Umfrage. Vor vier Jahren sagte noch mehr als jeder Dritte, dass er 45 Stunden und mehr in der Woche arbeiten würde. Heuer waren es nur noch zehn Prozent. Dafür konnte sich nun ein Drittel der Studenten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von höchstens 39 Stunden anfreunden.

    Doch es sind nicht nur die Jungen, die weniger arbeiten möchten. Bei Fach- und Führungskräften sei die Toleranzgrenze ebenfalls gesunken, berichtet Regnet. In einer anderen Befragung unter Fach- und Führungskräften fand sie heraus, dass nur noch jeder Zehnte mit einer Arbeitszeit von mehr als 50 Wochenstunden einverstanden war. „Die Arbeitgeber geraten also von zwei Seiten unter Druck. Von Berufsanfängern und von Führungskräften“, fasst Regnet zusammen.

    Arbeitszeiten müssen in Deutschland flexibler werden

    Die Gewerkschaften haben das Thema erkannt und es zu ihrem gemacht. So kündigte etwa die IG-Metall an, die Arbeitszeiten zum bestimmenden Thema ihrer Tarifpolitik machen. „Die Beschäftigten wollen Arbeitszeiten, die zu ihrem Leben passen“, sagte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann und fordert etwa selbst gewählte freie Tage oder die Möglichkeit, die Wochenarbeitszeit flexibel senken oder erhöhen zu können. Denn formell gelte zwar die 35-Stunden-Woche, aber nur in der Theorie, so die Gewerkschafter. So ergab der Mikrozensus, dass Beschäftigte im Schnitt 41,7 Stunden die Woche arbeiten. Die IG-Metall hat in einer Befragung unter ihren Mitgliedern herausgefunden, dass aber 68 Prozent gerne weniger als 35 Stunden arbeiten würden.

    Auch eine Kommission der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung beschäftigte sich unlängst mit dem Thema Arbeitszeiten. Sie gab diese Woche die Forderung heraus, dass Arbeitszeiten in Deutschland flexibler werden müssen. Arbeitgeber sollten ihre Angestellten in regelmäßigen Abständen nach deren Arbeitszeitwünschen fragen und auf dieser Grundlage ein Modell entwickeln, hieß es im Abschlussbericht der Kommission.

    Wie sehen moderne Arbeitszeitmodelle aus?

    Das Verrückte ist: Gewerkschaften und Arbeitgeber fordern das Gleiche. Fragt man bei Unternehmen nach, wie die Arbeitszeiten in Zukunft aussehen sollen, sagen sie auch, dass sie sich mehr Flexibilität wünschen. Allerdings definieren sie diese eher aus Kundensicht. Sie wollen ihre Mitarbeiter so einsetzen, dass sie Aufträge erfüllen können, wenn diese da sind. Herrscht Flaute, sollen sie weniger arbeiten. Peter Lintner von der Industrie- und Handelskammer Schwaben sagt, dass viele Kunden heute erwarten, dass Firmen und Händler rund um die Uhr erreichbar seien. „Man kann online jederzeit alles bestellen und das Bedürfnis wächst, dass die Waren dann auch möglichst schnell da sind“, fügt er an. Um das sicherzustellen, müssten die Mitarbeiter dann einsatzbereit sein, wenn die Nachfrage groß ist. Doch nicht nur Kunden haben höhe Ansprüche – auch die Weltmärkte seien heutzutage sehr sensibel. „Man kennt ja solche Nachrichten, dass ein Zulieferer Probleme hat und schon gibt es ganze Produkte nicht mehr. Darauf müssen auch produzierende Betriebe achten“, sagt er.

    Obwohl also Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich mehr Flexibilität wünschen, wird die Suche nach Arbeitszeitmodellen in Zukunft wohl nicht so leicht. „Für die Firmen ist es eine schwierige Gratwanderung zwischen den Anforderungen der Kunden an die Verfügbarkeit und den Arbeitszeitwünschen der Mitarbeiter. Denn beide Seiten müssen am Ende zufrieden sein, damit das Geschäft funktioniert“, sagt Professorin Regnet. Und ergänzt: „Aber aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass die meisten Unternehmen hinsichtlich der Arbeitszeiten gute Lösungen mit ihren Mitarbeitern finden.“

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