In der regionalen Wirtschaft wächst die Befürchtung, dass der Umgang mit Flüchtlingen in Bayern in die falsche Richtung läuft. Viele Betriebe in unserer Region haben Flüchtlingen einen Ausbildungsplatz gegeben. Jetzt fürchten die Unternehmen, dass diese überraschend abgeschoben werden. „Wir haben einen hohen Anteil an Afghanen in Ausbildung – diese sind plötzlich über Nacht nicht mehr erwünscht“, sagte Andreas Kopton, Präsident der Industrie- und Handelskammer Schwaben (IHK). Die Schuld daran gibt er der Bayerischen Staatsregierung – insbesondere CSU-Innenminister Joachim Herrmann.
Wie groß ist das Problem? Der IHK zufolge befinden sich in Schwaben derzeit rund 500 Flüchtlinge in Ausbildung in Handwerk und Industrie, davon nehmen 202 am Vorzeigeprojekt „Junge Flüchtlinge in Ausbildung“ teil – ein großer Teil seien Afghanen.
Vor allem Afghanen könnten abgeschoben werden
Obwohl in einigen Regionen Afghanistans gekämpft wird, gelten andere Teile des Landes inzwischen als sicher, sodass Abschiebungen stattfinden können. Per Flugzeug ist dies bereits vorgekommen.
Bei der IHK ist der Fall eines jungen Mannes bekannt, der trotz Aussicht auf eine Lehre im Januar in seine Heimat zurückkehren musste. Bei der Handwerkskammer für Schwaben zählte man 2016 genau 79 Afghanen mit neuem Lehrvertrag und 27 in einer Einstiegsqualifizierung. Sie seien „massiv von Abschiebung bedroht“. Konkrete Erfahrungen mit abgelehnten Asylanträgen hat die Handwerkskammer in sieben Fällen, beispielsweise bei einem Bäcker in Kaufbeuren.
Die regionale Wirtschaft betont, sie habe sich auf die Regel verlassen, wonach Flüchtlinge nach einer dreijährigen Lehre mindestens zwei Jahre hier arbeiten dürfen. „Bayern hat diese 3-plus-2-Regel massiv eingeschränkt“, sagt IHK-Ausbildungsleiterin Josefine Steiger.
Wann dürfen Flüchtlinge arbeiten?
Anerkannte Flüchtlinge dürfen ohne Einschränkungen arbeiten.
Asylsuchende mit Aufenthaltsgenehmigung und geduldete Menschen, deren Asylantrag zum Beispiel abgelehnt wurde, können nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis erhalten und bundesweit Arbeit suchen - allerdings nur, wenn Ausländerbehörde und Bundesagentur für Arbeit zustimmen.
Die Vorrangprüfung entfällt für Asylsuchende und Geduldete, wenn sie bereits 15 Monate in Deutschland leben. Nach vier Jahren muss die Bundesagentur überhaupt nicht mehr beteiligt werden.
Es gibt Geduldete, die einem Arbeitsverbot unterliegen.
Eine betriebliche Ausbildung dürfen Asylsuchende nach drei Monaten und Geduldete sofort beginnen, sofern kein Arbeitsverbot vorliegt – und ein Betrieb sich darauf einlässt: Die Ausländerbehörde kann für die Aufnahme einer Ausbildung eine Duldung zunächst für ein Jahr erteilen – und jeweils bei Bedarf verlängern.
Rein schulische Berufsausbildungen sind für Asylsuchende und Geduldete rechtlich immer möglich und müssen nicht von der Ausländerbehörde genehmigt werden.
Praktika zur Einstiegsqualifizierung, wie sie viele Konzerne anbieten, können sechs bis zwölf Monate dauern. Die Ausländerbehörde muss das genehmigen, die Arbeitsagentur nicht. Eine Förderung muss bei der örtlichen Arbeitsagentur beantragt werden.
Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung dürfen sechs Wochen dauern und müssen von der Bundesagentur beantragt werden. Wieder gilt: Drei Monate Sperrfrist für Asylsuchende und Geduldete.
Grund für den Ärger ist eine Anweisung aus dem bayerischen Innenministerium vom 1. September. Demnach bezieht sich der Ausbildungspakt nur auf anerkannte Flüchtlinge und Asylbewerber mit hoher Bleibeperspektive – also aus Syrien, Iran, Irak, Somalia und Eritrea. Afghanistan ist nicht darunter. Die Ämter zögern den Kammern zufolge jetzt oft, Afghanen noch eine Arbeitserlaubnis zu geben.
Nach der Ausbildung sollen Flüchtlinge in Deutschland bleiben
Hans-Peter Rauch, Präsident der Handwerkskammer für Schwaben, fordert deshalb: „Wenn ein Afghane eine Ausbildung bekommen hat, muss er sie fertig machen und zwei Jahre hier arbeiten können.“ Hauptgeschäftsführer Ulrich Wagner warnt davor, die Flüchtlinge zu frustrieren: „Hier entsteht Sprengstoff ohne Ende.“
Denn die jetzige Politik raube jungen Flüchtlingen ihre Perspektive, am Ende könnten sie aber doch nicht abgeschoben werden, weil zum Beispiel Dokumente fehlen. Das stützen neue Zahlen: Demnach sind in Deutschland von Januar bis November 2016 nur 368 Menschen in nordafrikanische Länder abgeschoben worden, gleichzeitig lehnten die Behörden 8363 Asylanträge von dort ab.
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