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Analyse: Was sich hinter Chinas Neuer Seidenstraße verbirgt

Analyse

Was sich hinter Chinas Neuer Seidenstraße verbirgt

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    Unterwegs auf der Neuen Seidenstraße: Der „Yuxinou“-Güterzug verkehrt zwischen Chongqing in China und Duisburg. Unser Bild zeigt ihn während des Besuches von Chinas Präsident Xi in Duisburg im Jahr 2014.
    Unterwegs auf der Neuen Seidenstraße: Der „Yuxinou“-Güterzug verkehrt zwischen Chongqing in China und Duisburg. Unser Bild zeigt ihn während des Besuches von Chinas Präsident Xi in Duisburg im Jahr 2014. Foto: Federico Gambarini, dpa

    Im persönlichen Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lässt Chinas Präsident Xi Jinping manchmal die steinharte Maske fallen, die er in der Öffentlichkeit trägt. Frank und frei spricht er davon, dass die westliche Dominanz über die Welt – zunächst der Europäer, dann der Amerikaner – ein historischer Irrtum gewesen sei.

    Der Platz im Zentrum gehöre China. Ganz genauso wie es auf den chinesischen Landkarten seit jeher ist. Das Reich der Mitte soll wieder die ihm gebührende Stellung als erste Zivilisation einnehmen. Dieser aus chinesischer Sicht völlig natürliche Anspruch auf Weltgeltung verbirgt sich hinter dem Bau der Neuen Seidenstraße.

    Ein gigantisches Netz aus Häfen, Straßen und Schienensträngen soll China mit Asien, Afrika, Arabien und Europa verknüpfen. Die Verbindung enormer Distanzen, Klimazonen und Völkerschaften ist tief im Selbstverständnis Chinas als Vielvölkerstaat verankert. Der Philosoph Friedrich Schelling sprach von einem Wunder der Geschichte. Insofern ist das Erdteile überspannende Seidenstraßenprojekt in seiner Dimension selbst für China groß, aber eben nicht größenwahnsinnig. „Es ist eine Straße für einen gemeinsamen, globalen Aufschwung“, versprach Staatschef Xi zur Eröffnung des Gipfeltreffens über das Handelsnetzwerk in Peking. Seinem Ruf gefolgt waren 37 Staats- und Regierungschefs. Insgesamt hatten sich Vertreter von 100 Staaten angemeldet.

    Europa hat der Neuen Seidenstraße Chinas wenig entgegenzusetzen

    China steht in diesem Sinne bereits wieder in der Mitte der Welt. Amerikaner und Westeuropäer haben des Pudels Kern erkannt. Washington verzichtete darauf, hochrangige Vertreter in die chinesische Hauptstadt zu entsenden. Die Bundeskanzlerin blieb dem Gipfel fern, um ihn nicht aufzuwerten. Sie schickte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ins Rennen. Er soll den Chinesen erklären, dass sie endlich beginnen müssen, die Abermilliarden teure Unternehmung wirklich zu einer internationalen zu machen. Bislang funktioniert es nämlich als Einbahnstraße.

    Peking bestimmt allein. Chinesische Staatsbanken stellen das Geld für Teilprojekte über Kredite zur Verfügung. Den Auftrag dafür erhalten in neun von zehn Fällen chinesische Konzerne. Die wiederum entsenden ihre Arbeiter dorthin, wo sie gebraucht werden. Arme Länder wie Kirgisistan, Pakistan und Montenegro werden die Kredite kaum bedienen könne und stecken in der Schuldenfalle. Eine eigene Wertschöpfung und Entwicklung findet kaum statt. Gegen politischen Einfluss und Wohlverhalten ist China bereit, auf Rückzahlung der Darlehen zu verzichten.

    Das ist imperiale Politik in Reinform. Dem haben die Europäer bislang wenig entgegenzusetzen. Sie müssten selbst mehr Geld in die Hand nehmen, um den Einfluss des chinesischen Drachen zumindest in der eigenen Nachbarschaft einzudämmen. Bietet die EU – unterstützt von ihrer eigenen Entwicklungsbank – diesen Ländern beim Bau von Schienen, Straßen und Kraftwerken einen höheren Anteil an der Wertschöpfung, also Aufträge und Jobs für die lokale Wirtschaft, könnte sie chinesische Konkurrenten ausstechen. Auf dem Gipfeltreffen müssen die Vertreter Europas darauf bestehen, dass China seine seit Jahr und Tag gegebenen Versprechen zu höheren Umweltstandards und gerechterer Bezahlung seiner Arbeiter endlich in die Tat umsetzt. Bislang sind sie heiße Luft.

    Die Neue Seidenstraße sollte zum gemeinsamen Projekt werden

    Für die Europäer ist das eine schwierige Aufgabe. Der Staatenklub muss lernen, in geopolitischen Einflusssphären zu denken, wie es Russland, die USA und eben China tun. Gerade Deutschland fällt das schwer. Präsident Xi hat der Europäischen Union mit der Neuen Seidenstraße eine Lektion erteilt. Er hat sie gespalten und Griechenland, Ungarn, Tschechien und Italien auf seine Seite gezogen.

    Die chinesische Großreederei Cosco kontrolliert die Mehrheit am Hafen von Piräus. Der Verkauf kritischer Infrastruktur an staatskapitalistische Staaten wie China sollte verboten werden. Noch ist es nicht zu spät, die Herausforderung anzunehmen. Würde die Neue Seidenstraße tatsächlich zu einem gemeinsamen Projekt gleichberechtigter Partner, könnte das den Wohlstand durch mehr Handel mehren.

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