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Analyse: Der Bundesregierung droht ein Blindflug in eine Insolvenzkrise

Analyse

Der Bundesregierung droht ein Blindflug in eine Insolvenzkrise

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    Vielen Händlern könnte der Lockdown zum Verhängnis werden.
    Vielen Händlern könnte der Lockdown zum Verhängnis werden. Foto: Jens Kalaene, dpa (Symbolbild)

    Selbst die allergrößten Optimisten rechnen mit Firmenpleiten infolge der Corona-Pandemie. Noch müssen Unternehmen eine Insolvenz nicht anzeigen, die Frist dafür wurde verlängert. Die möglichen Konkurse hängen wie ein Damoklesschwert über dem Land und keiner weiß, wann und mit welcher Wucht es fallen wird. Eine solide Zahlenbasis wäre wertvoll, um die Folgen der vielen Lockdowns abzuschätzen. Doch eine Antwort der Regierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion zeigt, dass die Regierung zu diesem wichtigen Bereich keine eigenen Zahlen erhebt. Oder nicht erheben will.

    Die Regierung kann lediglich auf die Insolvenzstatistik des Statistischen Bundesamtes verweisen. Sie reicht von Januar bis November 2020. In dieser Zeit wurden 14621 Unternehmensinsolvenzen beantragt, rund 172.000 Beschäftigte waren davon betroffen. Aber: „Es wird nicht erhoben, wie viele Insolvenzen auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind“, schreibt die Regierung.

    FDP-Abgeordneter warnt vor Beerdigung ganzer Branchen

    Der FDP-Abgeordnete Roman Müller-Böhm kann darüber nur den Kopf schütteln. „Ein Jahr nach Beginn der Pandemie setzt sich die Bundesregierung noch immer nicht ernsthaft mit den Insolvenzzahlen auseinander“, sagte er unserer Redaktion. Dieses Regierungshandeln drohe „zu einer Beerdigung für ganze Branchen zu werden, sobald die Aussetzung der Insolvenzanmeldungspflicht ausläuft“, kritisierte der 28-Jährige und ergänzte, die „absolut inakzeptablen Verzögerungen bei der Auszahlung der Überbrückungshilfe im Zusammenspiel mit der Planlosigkeit bei den Öffnungsstrategien“ würden nicht nur zu einer Pleitewelle in Gastronomie und Tourismus, sondern auch in Einzelhandel und bei Selbstständigen führen.

    Wegen der Corona-Pandemie sind Gaststätten und zahlreiche Geschäfte geschlossen.
    Wegen der Corona-Pandemie sind Gaststätten und zahlreiche Geschäfte geschlossen. Foto: Martin Schutt, dpa (Symbolbild)

    Schwarz-Rot hat demnach nur vage Vorstellungen, wie sich die Pandemie auf die Insolvenzen auswirken könnte. „Nach Einschätzung der Bundesregierung wird sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Jahr 2021 deutlich erhöhen“, heißt es in der Antwort. Aktuelle Einschätzungen gingen davon aus, dass es im Vergleich zu 2019 mit 18.749 Fällen einen Anstieg im vierstelligen oder gar niedrigen fünfstelligen Bereich geben könnte. Das wäre also ein Plus von rund 10.000 Insolvenzen.

    Bundesregierung hat keine Prognosen für Insolvenzgeschehen entwickelt

    Dennoch sei, schreibt die Regierung weiter, „keine massive Insolvenzwelle in der Breite der Realwirtschaft zu erwarten“. Wobei sie anschließend wiederum einräumt, dass „angesichts der Einzigartigkeit der Covid-19-Pandemie“ solche Prognosen allerdings „mit hoher Unsicherheit behaftet“ seien. Von daher habe die Bundesregierung „keine Prognosen erstellt, wie sich die Insolvenzzahlen in den einzelnen Kalenderwochen des ersten Quartals 2021 entwickeln werden und in welchem Monat voraussichtlich die Zahl der Insolvenzanträge am höchsten sein wird“.

    Es bleibt also spannend, und wenn es dann ein Unternehmen erwischen sollte, müssen die Betroffenen offenbar nicht mit Empathie der Regierung rechnen. Auf die Frage, welche Gefahren sie aufgrund der gemeldeten Insolvenzen für Deutschland sehe, heißt es unter anderem, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verhindere „einen schädlichen Wettlauf der Gläubigerinnen und Gläubiger und erfüllt eine wichtige Marktbereinigungsfunktion“.

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