Wer je in ein Verkehrsflugzeug von Airbus gestiegen ist, konnte sich sicher sein, dass große Teile davon in Augsburg gefertigt worden sind. Hier liegt mit Premium Aerotec ein wichtiges Zulieferer-Werk. Mit seinen rund 3500 Mitarbeitern gilt es als Hightech-Standort, der europaweit führend im Leichtbau ist. Doch schon 2019 hat der Konjunkturabschung das Werk kalt erwischt. Im schlimmsten Fall könnten 1100 Stellen wegfallen, hieß es damals. Diese Woche dann die nächste Hiobsbotschaft: Im Zuge der Corona-Krise und dem Stillstand der Luftfahrt will der Airbus-Konzern weitere 5100 Stellen in Deutschland streichen. Auch Premium Aerotec mit mehreren Werken in Deutschland, einem Standort in Rumänien und insgesamt rund 9000 Beschäftigten soll es treffen.
Bis zu 3000 Stellen könnten nach ersten Spekulationen bei Premium Aerotec wegfallen. Die IG Metall will das nicht hinnehmen und für Premium Aerotec kämpfen. Airbus hatte angekündigt, die Produktion um 40 Prozent kürzen zu wollen. „Es ist brutal, wenn über zwei Jahre 40 Prozent weniger Flugzeuge produziert werden sollen“, sagt Augsburg IG-Metall-Chef Michael Leppek. Das bedeute auch rund 40 Prozent weniger Auslastung in den Werken. „Ein drastischer Stellenabbau in dieser Größenordnung ist für uns aber nicht nachvollziehbar“, erklärt er – gerade mit Blick auf Premium Aerotec. Ob und inwieweit die Pläne auch das Airbus-Werk in Donauwörth treffen könnten, sei bisher offen. Dort werden neben Hubschraubern auch Türen für viele Jets gefertigt. Für die anstehenden Gespräche hat der Gewerkschafter klare Forderungen – auch wenn noch nicht alle Zahlen zu den Auswirkungen auf einzelne Standorte auf dem Tisch liegen.
Michael Leppek: „Die Beschäftigten bei Premium Aerotec sind stinksauer“
Konzernweit will Airbus 15.000 Stellen abbauen. Weltweit sind derzeit 135.000 Leute in dem Unternehmen beschäftigt. Zahlen, wie die Abbaupläne die einzelnen Werke treffen, werden spätestens nächste Woche erwartet. Dann finden die Gespräche mit dem Konzernbetriebsrat statt.
„Die Beschäftigten sind stinksauer“, beschreibt Leppek am Freitag gegenüber unserer Redaktion die Situation. Aus seiner Sicht sei Airbus noch immer ein gesundes Unternehmen, das Aufträge für 7500 Flugzeuge in den Büchern stehen habe. „In normalen Zeiten würde dies für acht Jahre Produktion reichen“, sagt er, auch wenn Airbus in der Krise mit Sicherheit einige Aufträge verlieren werde. Für die anstehenden Gespräche fordert die Gewerkschaft von Airbus, so weit es geht, mit Kurzarbeit durch die Krise zu kommen.
„Wir können mit Kurzarbeit atmen und die Beschäftigung halten“, sagt Leppek. Auch Airbus selbst hat adressiert an die Bundesregierung bereits dafür geworben, die Kurzarbeit auf 24 Monate auszuweiten.
IG Metall: Airbus soll weniger Aufträge an Fremdfirmen vergeben
Die zweite Forderung der Gewerkschaft ist es, Premium Aerotec im Airbus-Konzern zu stärken und weniger Zulieferer-Aufträge an Fremdfirmen zu vergeben. „Jetzt ist die richtige Zeit, um über die Zukunft von Premium Aerotec zu reden“, sagt Leppek. Er kritisiert, dass Airbus Aufträge für den Bau von Flugzeugteilen auch an andere Unternehmen vergibt, zum Beispiel in der Türkei.
„Es kann nicht sein, dass Premium Aerotec wie ein x-beliebiger Zulieferer behandelt wird“, sagt der Gewerkschafter. Gerade in der Krise müsse man die eigenen Werke – inklusive Premium Aerotec – auslasten und dürfe Arbeit nicht fremd vergeben. „Sollte es am Ende auch Staatshilfe für Airbus geben, ähnlich wie bei der Lufthansa, dann müssen die Arbeitspakete auch an die deutschen Standorte vergeben und Arbeitsplätze gesichert werden“, betont der IG-Metaller.
Leppek macht sich trotzdem auf harte Einschnitte gefasst: „Corona ist ein Drama für Luft- und Raumfahrt“, sagt er. „Es trifft Airbus, aber auch Zulieferer.“ Seine letzte Forderung ist aber klar: „Es darf keine Kündigungen geben“, betont er. „Wir wollen nach dem ersten angekündigten Sparprogramm bei Premium Aerotec nicht zwei Mal bluten.“
Airbus sieht Chancen, dass noch Arbeitsplätze gerettet werden können
Indes betont man bei Airbus selbst, behutsam zu handeln und Fachkräfte halten zu wollen: „Wir haben im zivilen Flugzeugbereich etwa 90.000 Beschäftigte. Würden wir die Auswirkungen der Pandemie hier mit minus 40 Prozent veranschlagen, beträfe das direkt rund 35.000 Jobs“, sagte Airbus-Chef Guillaume Faury dem „Spiegel“.Er kündigte an, dass sich die Zahl der 5100 in Deutschland gefährdeten Airbus-Jobs noch reduzieren könnte. Dafür kommt es aber auf die Bundesregierung an. Airbus übt hier sanften Druck aus: 500 Jobs könnten erhalten werden, wenn der Bund Airbus bei der Entwicklung eines Flugzeugs mit Wasserstoffantrieb unterstützen würde. Weitere 1500 Stellen würde die Verlängerung der Kurzarbeit auf 24 Monate retten. Damit könnte sich die Zahl der in Deutschland gefährdeten Stellen auf 3100 verringern.
Die bisher im Raum stehenden Zahlen sind also nicht in Stein gemeißelt. Es stehen harte Verhandlungen an.