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Airberlin-Insolvenz: Verbraucherschützer: Air-Berlin-Flüge nicht voreilig stornieren

Airberlin-Insolvenz

Verbraucherschützer: Air-Berlin-Flüge nicht voreilig stornieren

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    Air Berlin ist insolvent.
    Air Berlin ist insolvent. Foto: Marcel Kusch, dpa (Symbolbild)

    Air Berlin hat Insolvenz angemeldet. Kunden und Mitarbeiter sind verunsichert - auch, wenn der Flugbetrieb zunächst einmal weitergehen soll. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum aktuellen Stand.

    Ich habe einen Airberlin-Flug gebucht. Komme ich noch von Mallorca weg?

    Wer jetzt mit Air Berlin im Urlaub ist, muss sich um den Rückflug laut Fluggesellschaft keine Sorgen machen. Alle Flüge von Air Berlin und der Tochter Niki fänden weiter statt, versichert das Unternehmen. Gebuchte Tickets bleiben gültig. Auch neue Air-Berlin-Flüge kann man weiterhin buchen. Sichergestellt wird das durch einen 150-Millionen-Euro-Kredit der Bundesregierung.

    Wie lange reicht der Kredit aus, um in der Luft zu bleiben?

    Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) geht davon aus, dass der Flugbetrieb damit für ungefähr drei Monate gesichert ist. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach von einem gesicherten Flugbetrieb bis Ende November.

    Ich habe bei Air Berlin einen Flug in den kommenden Wochen gebucht. Sollte ich das Ticket stornieren?

    Die Verbraucherzentralen raten davon ab, bei Air Berlin oder ihrer Tochter Niki gebuchte Flüge jetzt überstürzt zu stornieren. "Wer angesichts der Meldungen zur Insolvenz von Air Berlin nun kalte Füße bekommt und seinen Flug stornieren will, sollte die Folgen gut überlegen", sagt Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern. "Kunden haben wie bei jeder Stornierung nur Anspruch auf Rückerstattung von Steuern und Gebühren und allenfalls eines Teils des Ticketpreises. Zudem: Gezahlte Flugpreise gehören zur Insolvenzmasse, sodass hier Rückzahlungen – wenn überhaupt – erst im langwierigen Insolvenzverfahren zu erwarten sind."

    Was ist mit Flügen, die über Niki Air abgewickelt werden?

    Die Air-Berlin-Tochter Niki Air ist eine eigenständige GmbH und rein rechtlich nicht von der Insolvenz betroffen, so die Verbraucherzentrale.

    Das ist Air Berlin

    Air Berlin wurde 1978 gegründet.

    Die Fluggesellschaft Air Berlin ist mit dem Boom der Billigflieger groß geworden. Erfolg hatte Deutschlands zweigrößte Airline zunächst mit Flügen von Berlin nach Mallorca.

    2002 nahm sie Linienflüge in europäische Städte ins Programm. Nach einem radikalen Expansionskurs geriet das Unternehmen in eine Krise.

    Seit 2008 schreibt Air Berlin - mit einer Ausnahme durch den Verkauf des Vielfliegerprogramms - rote Zahlen.

    Im vergangenen Jahr betrug der Verlust rund 782 Millionen Euro, der Schuldenberg wuchs auf knapp 1,2 Milliarden Euro.

    Jahrelang hielt der arabische Großaktionär Etihad, der 29,2 Prozent der Anteile besitzt, die Airline mit Finanzspritzen in der Luft.

    Warum kommt die Insolvenz gerade jetzt?

    Die Chronologie von Air Berlin

    1978: Gründung als Chartergesellschaft durch den Ex-Pan-Am-Piloten Kim Lundgren. Erstflug am 28. April 1979 von Berlin-Tegel nach Mallorca. Die Flotte umfasst zwei Maschinen.

    1991: Im April kauft der LTU-Manager Joachim Hunold die Mehrheit der Anteile. Es gibt kurz darauf 15 Flüge pro Tag.

    1998: Mit dem Mallorca Shuttle Einstieg ins Linienfluggeschäft

    2004: Einstieg bei der Fluggesellschaft Niki des früheren Rennfahrers Niki Lauda

    2006: Börsengang und Kauf der Fluggesellschaft dba

    2007: Kauf des Ferienfliegers LTU, damit auch Interkontinentalflüge

    2008: Air Berlin rutscht in die roten Zahlen, ein erstes Sparprogramm folgt. Die Übernahme des Ferienfliegers Condor scheitert.

    2011: Hunold wirft das Handtuch, Hartmut Mehdorn übernimmt. Ein weiteres Sparprogramm kommt. 18 der 170 Maschinen werden verkauft.

    2012: Die arabische Staatsairline Etihad erhöht ihren Anteil von knapp 3 auf 29,2 Prozent und stützt die Fluglinie mit Millionen. Ein neues Sparprogramm beginnt.

    2013: Wolfgang Prock-Schauer wird Vorstandschef und verschärft das Sparprogramm. Jeder zehnte Arbeitsplatz fällt weg, die Flotte schrumpft auf 142 Maschinen.

    2015: Im Februar löst Stefan Pichler den glücklosen Prock-Schauer ab. Air Berlin macht 447 Millionen Euro Verlust - so viel wie nie.

    2016: Nach einem juristischen Tauziehen kann Air Berlin den größten Teil der wichtigen Gemeinschaftsflüge mit Etihad weiter anbieten. Die Zahlen bessern sich nicht. Gespräche mit Lufthansa über einen Verkauf von Geschäftsteilen beginnen. Mit einem tiefgreifenden Umbau und der Streichung von bis zu 1200 Arbeitsplätzen will Air Berlin seine Krise überwinden. 

    2017: Air Berlin bekommt einen neuen Chef. Der Lufthansa-Manager und früheren Germanwings-Chef Thomas Winkelmann wird Vorstandschef. Air Berlin führt ihren Flugbetrieb in zwei getrennten Geschäftsfeldern weiter: Langstreckenflüge und Städteverbindungen in Europa werden zusammengefasst, Urlaubsflüge unter der Marke Niki geführt. Lufthansa erklärt sich bereit, Air Berlin zu übernehmen, wenn der Großaktionär Etihad zuvor die Schulden übernähme.

    15. August 2017: Air Berlin meldet Insolvenz an. Zuvor hatte Etihad seine finanzielle Unterstützung eingestellt.

    27. Oktober 2017: Der letzte Flieger von Air Berlin landet in Berlin.

    Jahrelang hat der arabische Großaktionär Etihad Air Berlin mit Finanzspritzen in der Luft gehalten. Jetzt aber habe Etihad mitgeteilt, "dass sie nicht mehr beabsichtigt, Air Berlin finanziell zu unterstützen", teilte die Fluggesellschaft mit. Am vergangenen Mittwoch habe der arabische Partner eine vereinbarte Kredittranche in Höhe von 50 Millionen Euro nicht überwiesen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Unternehmenskreisen. Am Freitagabend habe Etihad dann mitgeteilt, dass sie nicht mehr helfen wollten.

    Wie begründet Etihad das?

    Das Geschäft Air Berlins habe sich rapide verschlechtert, teilte Etihad mit. Dadurch könnten "entscheidende Herausforderungen nicht bewältigt und alternative strategische Optionen nicht umgesetzt werden". Etihad könne unter diesen Umständen die eigenen Verbindlichkeiten nicht erhöhen. Damit hält der Großaktionär seine bisherige Zusage nicht ein. Noch im April hatte Etihad schriftlich versichert, Air Berlin weitere 18 Monaten finanziell zu unterstützen.

    Was ist das Ziel der Insolvenz?

    Eine Insolvenz in Eigenverwaltung zielt darauf, das Unternehmen weiter am Leben zu erhalten. Es soll nicht abgewickelt werden, stattdessen soll der Flugbetrieb in einer soliden neuen Struktur weitergehen. Der bereits begonnene radikale Umbau soll fortgeführt werden. Erster Anwärter auf die Übernahme von Teilen Air Berlins ist die Lufthansa, aber nur wenn die Schulden zuvor getilgt sind.

    Was ist mit den Schulden?

    Die sind noch da. Der vorläufige sogenannte Sachwalter, der dem Management an die Seite gestellt wird, muss nun in Verhandlungen mit den Gläubigern eine Lösung finden. Die müssen auf viel Geld verzichten. Letztlich kommt es darauf an, was die Gläubigerversammlung entscheidet. Da dürfte vor allem Etihad ein entscheidendes Wort mitsprechen.

    Warum springt die Bundesregierung einem Unternehmen so bei?

    Das hat sicherlich auch mit der anstehenden Bundestagswahl zu tun. Bilder von Urlaubern, die von ihrem Ferienort nicht mehr zurückkommen, hätten niemandem in der Bundesregierung gefallen. Air Berlin hat trotz Krise bei vielen Deutschen immer noch einen guten Namen. Die Bundesregierung sichert mit ihrem Kredit einen halbwegs geregelten Übergang - in der Hoffnung, dass Lufthansa Teile übernimmt.

    Welches Interesse hat die Lufthansa an einer Übernahme weiterer Unternehmensteile?

    Die Lufthansa würde mit der Übernahme eines Großteils von Air Berlin ihre wichtigste Rivalin aus dem Inland schlucken - und könnte ihre eigene Billigtochter Eurowings stärken. Der Kranich-Konzern hat bereits sehr gute Erfahrungen bei der über Leasing organisierten Teil-Übernahme von 38 Flugzeugen für ihre Töchter Austrian und Eurowings gemacht. Die Airbus-Maschinen der Air Berlin seien in einem guten Zustand, die Crews operativ bestens unterwegs, ist aus dem Konzern zu hören. Vor allem die 17 Langstreckenjets, die vorwiegend ab Düsseldorf unterwegs sind, wären für die Tochter Eurowings interessant. Der Vorteil des Deals: Lufthansa bekäme Flieger und Personal, aber nicht die Verwaltung und Tarifverträge von Air Berlin. Denn bei Eurowings verdienen vor allem die Piloten deutlich weniger.

    Hätte das Kartellamt etwas dagegen?

    Aus Sicht Dobrindts wäre eine Übernahme durch die Lufthansa kartellrechtlich unproblematisch, weil es nur um Teile des Geschäfts gehe. Gespräche für Teil-Übernahmen gebe es mit mehreren Airlines.

    Was bedeutet der Schnitt für die Beschäftigten der Air Berlin?

    Bei den Gewerkschaften schrillen alle Alarmglocken, denn bei einer Zerschlagung drohen nicht nur Entlassungen während des Insolvenzverfahrens. Zwar kann sich das fliegende Personal relativ sicher sein, auch künftig gebraucht zu werden. Es fragt sich nur, zu welchen Arbeitsbedingungen. Aus den bisher vorliegenden Informationen geht hervor, dass neben der Lufthansa mindestens ein weiterer Investor zum Zuge kommen wird. Ein Übergang des kompletten Betriebs wird daher nicht möglich sein.

    Was bedeutet die Insolvenz für die deutschen Flughäfen?

    Zunächst einmal nichts, denn die Air-Berlin-Flüge finden ja mithilfe des Übergangskredits weiterhin statt. Bei einem endgültigen Aus für die Fluggesellschaft müssten die Start- und Landerechte neu vergeben werden. Dafür gibt es neben der Lufthansa zahlreiche weitere Interessenten, so dass sich keine Ausdünnung der Flugpläne ergeben sollte. Vor allem die großen Billigflieger Ryanair und Easyjet suchen nach neuen Einsatzmöglichkeiten für ihre Jets, weil ihr zentrales Großbritannien-Geschäft durch den Brexit bedroht ist.

    Und was passiert mit dem BER?

    Air Berlin ist für die Berliner Flughäfen ein wichtiger Partner. Zwischen Januar und Juli waren 28,2 Prozent der Fluggäste in der Hauptstadt Air-Berlin- und Niki-Passagiere. Auch im Konzept für den neuen Hauptstadtflughafen spielt Air Berlin eine wichtige Rolle. Was mit den eingeplanten Slots nun passiert, ist allerdings genauso unklar wie der Eröffnungstermin für den immer wieder verzögerten BER. dpa/AZ

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