Wo es einst summte und brummte, herrscht heute manchmal Stille. Es ist nicht lange her, da hatte eine Studie zum Insektensterben die umweltinteressierte Bevölkerung aufhorchen lassen. Insektenforscher aus Krefeld hatten über Jahre die Insektenbestände beobachtet. Ihr niederschmetterndes Ergebnis, mit dem sie 2017 an die Öffentlichkeit gingen und die Bevölkerung wachrüttelten: Binnen 27 Jahren sind die Bestände an Fluginsekten in bestimmten Schutzgebieten um 75 Prozent zurückgegangen. Seitdem haben Bienen, Hummeln und Schmetterlinge deutlich mehr politische Aufmerksamkeit bekommen: Bayern macht sich nach einem Volksbegehren für den Bienenschutz stark, die Bundesregierung hat 2019 ein „Aktionsprogramm Insektenschutz“ vorgestellt. Jetzt plant SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze den nächsten Schritt: Sie hat den Entwurf für ein Insektenschutzgesetz vorgelegt. Die Inhalte kommen bei Naturschützern gut an, den Bauernverbänden gehen sie dagegen deutlich zu weit.
Bundesumweltministerium: „Insekten sind unverzichtbar“
Egal ob Bienen, Motten oder Käfer – Ziel der neuen Pläne ist der Schutz aller Insekten. „Fast drei Viertel aller Tierarten in Deutschland sind Insekten“, sagt eine Sprecherin des Umweltministeriums unserer Redaktion. „Insekten sind für uns Menschen und unsere Ökosysteme unverzichtbar: für die Bestäubung von Pflanzen, für den Abbau organischer Masse, die biologische Schädlingskontrolle, die Gewässerreinigung und die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit.“ Sowohl die Gesamtmenge als auch die Artenvielfalt der Insekten sei jedoch „dramatisch zurückgegangen“. Das Ziel sei, den Trend umzukehren und die Lebensbedingungen für Insekten deutlich zu verbessern.
Der Entwurf, der auch unserer Redaktion vorliegt, sieht zum Beispiel vor, noch mehr Biotope auszuweisen: „Künftig sollen auch artenreiches Grünland, Streuobstbestände, Steinriegel und Trockenmauern gesetzlich geschützt werden, denn sie sind für Insekten besonders wichtig“, berichtet das Ministerium. Ein zweiter wichtiger Punkt sei die Bekämpfung von Lichtverschmutzung: Künstliches Licht beispielsweise von Straßenlaternen zieht in der Nacht Insekten an und lockt sie in eine Falle.
Die Pläne sehen vor, den Betrieb von Himmelsstrahlern – sogenannten Skybeamern – stark einzuschränken, bestimmte Leuchten in Naturschutzgebieten und Nationalparken zu verbieten und die Nutzung von Insektenvernichterlampen außerhalb geschlossener Räume zu untersagen.
Der Nabu begrüßt Pläne für ein Insektenschutzgesetz
Umweltschützer wie der Naturschutzbund Deutschland, kurz Nabu, begrüßen die Initiative: „Es ist notwendig, dass der Schutz der Insekten verstärkt wird“, sagt Referentin Laura Breitkreuz. Im Gegensatz zum Umweltministerium habe sich nämlich das Bundeslandwirtschaftsministerium von CDU-Ministerin Julia Klöckner nicht um eine weitere Umsetzung des Aktionsprogramms Insektenschutz bemüht, kritisiert Breitkreuz.
Dass mehr Biotope ausgewiesen werden sollen, begrüßt der Nabu genauso wie die Bekämpfung der Lichtverschmutzung. Den größten Einfluss auf die Insektenpopulation könnte nach Ansicht der Expertin aber ein anderer Punkt haben. Dabei handelt es sich genau um die Pläne, die den Bauernverbänden zu weit gehen. Der Gesetzentwurf sieht nämlich auch eine Änderung im Wasserhaushaltsgesetz vor: Wenden Landwirte auf ihren Feldern Pflanzenschutzmittel an, müssen sie den Plänen zufolge künftig einen bestimmten Mindestabstand zu Gewässern einhalten. Hier darf nicht gesprüht werden. Ist der Streifen begrünt, sind es fünf Meter, sonst zehn Meter. Für die Umweltschützer ist diese Regelung wichtig: „An Gewässern leben besonders viele Insekten, es ist deshalb wichtig, dass die Streifen geschützt werden“, sagt Breitkreuz.
Deutscher Bauernverband: „Faktisches Ackerbauverbot für viele Flächen“
Der Deutsche Bauernverband kritisiert die Pläne scharf: „Die geplanten Gewässerrandstreifen stellen ein faktisches Ackerbauverbot für viele Flächen dar, da dort Pflanzenschutz nicht mehr möglich sein wird“, sagte Generalsekretär Bernhard Krüsken. Das Umweltministerium schieße „einmal mehr“ weit über das Ziel hinaus und lege die Axt an freiwillige Gewässerrandstreifenprogramme der Länder. Auch der Verband Familienbetriebe Land und Forst kritisiert die geplanten Mindestabstände: „Es ist unlogisch, dass reguliert wird, wo Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden, anstatt den Wirkstoff selbst in den Blick zu nehmen“, sagt Verbandschef Max von Elverfeldt.
Generell lassen die Landwirtschaftsverbände kein gutes Haar am Entwurf: Der Gesetzentwurf sei „unausgewogen“, sagte Krüsken. Themen wie der Flächenfraß würden nicht angegangen. Auch durch Straßenbau, Gewerbegebiete oder Steingärten geht schließlich Lebensraum für Insekten verloren. Der Teil zur Landwirtschaft sehe dagegen „Regelungen im Übermaß vor“, schimpft Krüsken. „Auch artenreiches Grünland und Streuobstwiesen pauschal unter Schutz zu stellen, ist nur ein Anreiz, solche Biotope gar nicht erst entstehen zu lassen“, fügt er an.
Verband Familienbetriebe Forst und Land: „Entwurf muss überarbeitet werden“
Der Entwurf sei „keine Hilfe“ für Land- und Forstwirte, wenn es darum geht, Artenvielfalt zu stärken, findet der Verband Familienbetriebe Land und Forst. „Der Gesetzentwurf muss inhaltlich und handwerklich grundlegend überarbeitet werden, damit Gesellschaft und Landwirtschaft Insekten wirksam schützen können“, fordert Verbandschef von Elverfeldt.
Umweltministerin Schulze hatte den Entwurf für das Insektenschutzgesetz im Juli vorgelegt, nun hat das Landwirtschaftsministerium die Meinung der Verbände eingeholt. Einen Kabinettsbeschluss strebt das Umweltministerium für den Herbst an. Anschließend müssten Bundestag und Bundesrat zustimmen.
Nabu-Expertin Laura Breitkreuz hofft, dass die Pläne bald umgesetzt werden. „Die Idee des Insektenschutzgesetzes ist gut, damit ist ein Anfang gemacht“, sagt sie. Das Insektensterben sei damit aber noch lange nicht aufgehalten: „Dafür sind deutlich größere Anstrengungen nötig“, betont sie.
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