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Abgas-Skandal: Ex-Chef Stadler zeichnet im Audi-Prozess ein Bild von Zeitnot und Stress

Abgas-Skandal

Ex-Chef Stadler zeichnet im Audi-Prozess ein Bild von Zeitnot und Stress

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    Der unter anderem wegen Betrugs angeklagte langjährige Audi-Chef Rupert Stadler steht vor dem Landgericht München.
    Der unter anderem wegen Betrugs angeklagte langjährige Audi-Chef Rupert Stadler steht vor dem Landgericht München. Foto: Peter Kneffel, dpa (Archivbild)

    Es ist 9.24 Uhr, als Rupert Stadler beginnt. Schwarzer Rollkragen-Pullover, blau-gestreifter Anzug, die Frisur sitzt. Vor sich hat der Ex-Audi-Chef einen dickeren Stapel mit bedrucktem Papier, das Manuskript seiner Verteidigung. Der Mann wirkt vorbereitet, was keinesfalls schadet. Denn zu erklären gibt es eine Menge.  

    Was der langjährige Audi-Chef (bis 2018) im Hochsicherheitssaal des Landgerichtes bei der Justizvollzugsanstalt Stadelheim beginnt vorzutragen, ist eine auf etwa drei Stunden angelegte Reise in die Welt des Top-Managements, die dem Zuhörer besser begreiflich machen soll, wie ein Vorstandsvorsitzender arbeitet, wie dicht getaktet seine Tage und Wochen sind, wie vielschichtig ein mit diversen Hierarchieebenen durchzogenes Unternehmen wie der Volkswagen-Konzern aufgebaut ist.

    Abgasskandal: Im Fall Rupert Stadler geht es nach Aktenlage um Unterlassung

    Es folgt bei VW und Audi Sitzung auf Sitzung, Ausschuss auf Ausschuss, diverse Arbeits- und Produkt-Steuerkreise, Pressetermine, Auslandsreisen. Bis zu 200 Emails am Tag. Die Botschaft dahinter verdichtet sich später in diesem Satz: „Ein Blick von außen ermöglicht in aller Regel nur einen eingeschränkten Blick darauf, wer, wann, auf welcher Basis im Konzern Entscheidungen trifft.“

    Darum geht es in diesem auf mehrere Jahre angelegten Strafprozess, dem ersten, der den VW-Abgasskandal aufarbeitet, dem ersten bei dem ein Vorstandsvorsitzender umfassend zu den ihm gemachten Vorwürfen Stellung nimmt. Stadler muss sich mit drei weiteren Angeklagten wegen Betrugs, mittelbarer Falschbeurkundung und strafbarer Werbung verantworten.

    Die mit ihm angeklagten Ingenieure P., L. sowie der frühere Chef der Audi-Motorenentwicklung, Wolfgang Hatz, sollen zusammen dafür gesorgt haben, dass ab 2009 verkaufte Dieselmotoren die Grenzwerte mit Schummelsoftware auf dem Prüfstand einhielten, auf der Straße aber mehr Abgase hinten rauskamen als vorgeschrieben. Es geht dabei laut Anklage um mehrere hunderttausend Autos, die auf dem nordamerikanischen Markt und in Europa ihre Käufer fanden.

    Stadler soll erst 2015 von den Manipulationen erfahren und den Verkauf betroffener Autos - in Europa - aber nicht verhindert haben. Es geht bei ihm, so sieht es das Gericht nach Aktenlage, um Unterlassung.

    So schildert Stadler die Ereignisse des sogenannten Diesel-Gate ab 2015

    Der im Altlmühltal geborene Top-Manager hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe stets bestritten und er tut dies auch an diesem Dienstagvormittag im Gericht. Er liest dabei von seinem Manuskript ab, spricht abgehackt. Ein Stakkato. Es ist ein rhetorisch auf Präzision getrimmter Vortrag, eine lange vorbereitete Einlassung, bei der kein Fehler gemacht werden soll. Platz für spontane Improvisation ist da nicht. Stadler beschreibt seinen Werdegang, wie sich „ein Traum erfüllte“ als er Audi-Vorstand wurde.

    Er erklärt die Strukturen bei Audi und schließlich die Chronologie der Ereignisse des sogenannten Diesel-Gate ab 2015. Er betont und wird an dieser Stelle zum ersten Mal emotionaler, dass Audi professionell geführt und in der Lage gewesen sei, gesetzeskonform zu arbeiten. Er beschreibt, wie der „Schock umso größer war“, als dem Vorstand klar wurde, dass Audi tief mit drin steckt in diesem Skandal, der erst ausschließlich bei der Konzernmutter VW verortet wurde. Manchmal pocht er mit der Hand auf den Tisch, fixiert die Vertreter der Staatsanwaltschaft, denen er mehrfach vorwirft, Entlastendes in der Anklage nicht berücksichtigt zu haben.

    War es während der letzten Prozesstage, als P., L. und der frühere Motoren-Chef Hatz aussagten, ruhiger gewesen, ist am Dienstag das Interesse am Prozess wieder voll da. Derzeit ist die Verhandlung unterbrochen. Nach der Pause will Stadler dem Gericht mitteilen, wie es ihm persönlich in den vergangen Jahren ergangen ist. Für den Augenblick, nach den ersten Stunden des Sprechens, wirkte er: gelöst.  

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