Marktoberdorf/Bäumenheim Seit Monaten schon war ein weitreichender Produktionsausbau beim Marktoberdorfer Traktorenhersteller Fendt Gesprächsthema. Doch die Entscheidung darüber zog sich immer mehr in die Länge. Am Donnerstag nun die mit viel Spannung erwartete Nachricht: Der US-Landmaschinenkonzern AGCO investiert insgesamt 172 Millionen Euro in die Fendt-Standorte Marktoberdorf und Bäumenheim. Gewissermaßen als Gegenleistung wurden mit Gewerkschaft und Betriebsrat "flexible Arbeitszeiten und Möglichkeiten zur Mehrarbeit ohne Lohnausgleich vereinbart", so gestern AGCO-Präsident Martin Richenhagen.
In diesem Jahr wird der Hersteller von Hightech-Schleppern gut 15 400 Traktoren verkaufen, 2009 sollen es schon 17 000 sein. Für das Jahr 2012 ist ein Absatz von 20 000 Fahrzeuge geplant, was aber einen erheblichen Ausbau der Fertigung und Montage verlangt. Die Investitionen in Marktoberdorf, die bei 120 Millionen Euro liegen sollen, umfassen den Neubau einer zweiten Fertigung, ferner eine komplette neue Schlepper-Endmontage. In Bäumenheim ist eine neue Kabinenschweißerei geplant und die Fahrerhaus-Endmontage wird ausgebaut.
Der deutsche AGCO-Chef Richenhagen begründet die Investition in Deutschland damit, "dass vor allem unsere Premium-Marke Fendt von der weltweit steigenden Nachfrage nach Hightech-Landmaschinen profitiert". Und er fügte hinzu: "Das jetzt beschlossene Investment rüstet uns für die Zukunft." Auch in den kommenden Jahren rechne Fendt mit überdurchschnittlichen Wachstumraten bei Umsatz und Ergebnis. Für Hermann Merschroth, Sprecher der Fendt-Geschäftsleitung, ist klar: "Die neuen Produktionslinien werden wegweisend für den modernen Landmaschinenbau sein."
Fendt-Betriebsratsvorsitzende Monika Hoffmann, die auch Mitglied der Tarifkommission war, zeigt sich erleichtert: "Ich bin natürlich froh, dass die Verhandlungen nun zu Ende sind." Die Investitionen des Mutterkonzern in die Tochter Fendt sieht sie als "langfristige Zukunftssicherung und Sicherung der Arbeitsplätze in Marktoberdorf und Bäumenheim".
Richenhagen spricht von einer "wegweisenden Entscheidung im Schulterschluss mit Betriebsrat und Gewerkschaften". AGCO gebe für die 3170 Mitarbeiter eine Beschäftigungssicherung bis zum Jahr 2012.
Nach Darstellung von Dietmar Jansen, der für die Gewerkschaft IG Metall am Verhandlungstisch saß, handelt es sich um eine "uneingeschränkte Beschäftigungssicherung", die betriebsbedingte Kündigungen ausschließe. Dies gelte auch für Änderungskündigungen. Für die Jahre 2012 bis 2014 gebe es ebenfalls eine Beschäftigungssicherung, die jedoch nur für Mitarbeiter gilt, die schon heute bei Fendt sind. Kündigungen seien nur mit Zustimmung des Betriebsrates möglich.
Bei den Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite in den vergangenen Monaten hielten sich beide Parteien strikt an ein vereinbartes Stillhalteabkommen. Nicht bestätigten Informationen zufolge soll es in den Gesprächen auch um die Einführung einer 38-Stunden-Woche gegangen sein. Laut Jansen gilt für Fendt aber nach wie vor die 35-Stunden-Woche, jedoch verbunden mit einem Qualifizierungskonto und "einem Lohn- und Gehaltsverzicht bei zukünftigen Zahlungen". Konkret heißt dies nach Lesart der IG Metall: Die Beschäftigten verzichten vier Jahre lang auf etwa sechs Prozent des Bruttoeinkommens. Nähere Details zum vereinbarten Gesamtpaket würden nicht veröffentlicht. "Vom Grundsatz her" sei er gegen solche Vereinbarungen, "weil es Erpressung ist", kommentiert Jansen das Verhandlungsergebnis, "doch die Beschäftigten haben sich hier gebeugt, weil für diese Situation gute Regelungen geschaffen wurden".
Martin Richenhagen stellte fest, Investitionen in dieser Größenordnung gehe bei einem globalen Konzern wie AGCO "immer auch ein internationaler Vergleich aller Standortalternativen voraus". Bei Fendt finde man "die besten Bedingungen vor, weil eine hoch qualifizierte und motivierte Belegschaft bereit ist, im Schulterschluss zwischen Unternehmensleitung, Betriebsrat und Gewerkschaften flexibel die neuen Herausforderungen anzunehmen".
Für das Ostallgäu ist dies die zweite große Investitionsentscheidung wenige Tage vor Weihnachten. Nestlé gab jüngst bekannt, sein Biessenhofener Werk für gut 100 Millionen Euro bis 2010 auszubauen. Nun folgt Fendt mit einer Investition ebenfalls mit über 100 Millionen Euro.