Droht Europa eine neue Schuldenkrise?
Frankreich kämpft mit seinen Finanzen. Nun könnten die sich die Krise sogar zuspitzen. Bundesfinanzminister Lindner warnt, Schulden dürften nicht in Mode kommen.
Was Experten prophezeit haben, ist wahr geworden: In Frankreich liegt in der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl der rechtsnationale Rassemblement National klar auf Platz 1, gefolgt von einem Linksbündnis. Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron kam nur auf Platz 3. Die endgültige Sitzverteilung steht zwar erst in einer Woche nach einer zweiten Runde fest. Doch bereits jetzt wachsen die Sorgen in Europas Hauptstädten nicht nur vor einem Frankreich, das wegen ständiger Machtkämpfe zwischen Parlament, Regierung und Präsident politisch auf der Stelle tritt. Sondern auch vor einem Frankreich, das die Stabilität der Eurozone ins Wanken bringen könnte. Die EU-Kommission hat jüngst ein Strafverfahren wegen zu hoher Neuverschuldung gegen die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU eingeleitet. Sollte die Partei von Marine Le Pen eine absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erreichen, dürften die von der Macron-Regierung angekündigten Sparpläne zur Makulatur werden und der Schuldenstand des Landes weiter steigen.
Die Finanzmärkte hatten bereits direkt nach Emmanuel Macrons Wahlankündigung reagiert, erklärt Daniel Lenz, Leiter Strategie Euro-Zinsmärkte bei der DZ-Bank: "Die Zinsaufschläge für französische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit lagen zuvor etwa 40 bis 50 Basispunkte über den vergleichbaren deutschen Renditen. Sie sind, befeuert durch die Unsicherheit, auf bis zu 80 Basispunkte gestiegen – und seitdem nur unwesentlich gesunken." Staatsanleihen gelten als Gradmesser für das Vertrauen von Investoren in die Politik.
Sowohl die Linken als auch die Rechten versprechen teure Geschenke
Viel Geld dürfte es vor allem kosten, wenn die Wahlsieger die gegen heftigen Widerstand durchgesetzte Rentenreform von Präsident Macron zurücknehmen. Sowohl das neue Linksbündnis "Neue Volksfront" als auch der RN hatten dies angekündigt. Experten schätzen, dass ein Zurück zur Rente mit 60 den französischen Haushalt mit bis zu 17 Milliarden Euro belasten könnte. Auch ein Herabsetzen der Mehrwertsteuer gehörte zu den Wahlkampfversprechen. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire warnte zuletzt: "Eine Schuldenkrise in Frankreich ist möglich." Eine Einschätzung, die Wirtschaftsforscher durchaus teilen.
Der Geldmarktexperte und frühere Wirtschaftsweise Volker Wieland sieht sogar Risiken für die Eurozone als Ganzes: "In der letzten Schuldenkrise war Frankreich noch zusammen mit Deutschland ein sicherer Hafen." Die EZB habe eingegriffen und versprochen, Staatsanleihen der hoch verschuldeten Länder wie Italien und Spanien im Notfall aufzukaufen, um steigende Zinsaufschläge zu verhindern. "Wenn zukünftig auch Frankreich in dieses Lager wechselt, wird es schwierig für den Euro, das Vertrauen der Investoren zu erhalten", sagt Wieland. "Und der Spielraum der EZB wird begrenzt sein, denn sie kann die Inflation nicht noch einmal so außer Kontrolle geraten lassen wie in den vergangenen Jahren."
Auch DZ-Banker Lenz sagt: "Der Druck, dass die EU ein Vehikel zur Aufnahme neuer Schulden wird, dürfte steigen. Für die Staaten ist das scheinbar komfortabel, da die europäischen Schulden nicht bei nationalen Schuldenstandsquoten Berücksichtigung finden."
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Christian Lindner warnt davor, sich über Schuldenregeln hinwegzusetzen
Geht Deutschlands Abwehrkampf gegen gemeinsame europäische Schulden verloren, wird auch das Festhalten von Christian Lindner (FDP) an der nationalen Schuldenbremse ad absurdum geführt. Der Bundesfinanzminister warnt deshalb: "Unsere stabilitätsorientierte Finanzpolitik sichert nicht nur Deutschland ab, sondern ist auch ein Anker für die Währungsunion", sagte er unserer Redaktion. "Deshalb ist es gefährlich, dass hierzulande das Schuldenmachen wieder in Mode kommt." Wenn sich die Bundesrepublik über europäische Regeln hinwegsetze, würden das andere Länder erst recht als Einladung verstehen. "Deutschland muss durch Vorbild führen", fordert der FDP-Chef.
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Nein - die Schuldenkrise ist schon da, wird aber ignoriert. Fehler rächen sich eigentlich immer - Frage ist nur: wann und in welchem Ausmaß. Aber die meisten hier können dies ignorieren, daß sie die Folgen kaum noch erleben werden.
Gestern beim England-Spiel habe ich wieder einmal feststellen müssen, wie schnell man doch seine Einschätzung ändern kann. Während die Kommentatorin Claudia Neumann(?) Kane & Co. samt Trainer über lange Zeit hinweg großes Versagen attestierte (fehlende Fitness, „Unpräzisionen“, viele Möglichkeiten blieben „unprobiert“, England könne den Gegner „nicht dechiffrieren“), war zum Schluss von der „Klasse“ englischer Spieler zu hören.
(Ach was habe ich die Sportkommentare von Bruno Moravetz geliebt. Er hat tatsächlich nur dann gesprochen, wenn er auch was zu sagen hatte.)
Umgekehrt verhält es sich dagegen mit der Darstellung von Frankreichs Schulden. Ich bin wirklich kein Freund der Rechten, aber für die französischen Schulden sind sie nicht verantwortlich. Richtig ist dagegen: Die Euro-Einführung eröffnete der französischen Politik die Möglichkeit, einen großen Schuldenberg anzuhäufen ohne dafür vom Markt mit sehr hohen Zinssätzen abgestraft zu werden. Natürlich wusste jeder, dass hohe Schulden den Handlungsspielraum künftiger Generationen einengen. Aber mit solchen Wahrheiten lassen sich eben schlecht Wahlen gewinnen. Und nun steht Frankreich und damit die ganze Eurozone vor dem Ergebnis, das nicht mit ein oder zwei guten Aktionen richtiggestellt werden kann. Da hilft es auch nicht weiter, wenn die Gelbwesten (oder wer auch immer) wieder zu Massenprotesten aufrufen.
Abschließend möchte ich Wolfgang Clement zitieren (zum wiederholten Male):
„Aus eigener Erfahrung glaube ich zu wissen, dass Politiker vor allem dann zu vernünftigen Kompromissen, kreativen Lösungen und klaren Entscheidungen kommen, wenn die Entwicklung ganz eng wird und kaum noch ein Ausweichen möglich erscheint. Als die rot-grüne Bundesregierung zu Anfang dieses Jahrhunderts politisch eingeklemmt war zwischen einem kaum zu finanzierenden Sozialstaat und einer scheinbar endlos ansteigenden Arbeitslosigkeit, ließ der sich aus dieser Lage ergebende Druck die Agenda 2010 entstehen.“
Lindner ( FDP ) sollte man nicht ernst nehmen. Er versteht nichts von Wirtschaftspolitik. Außerdem widersprechen alle namhaften
Ökonomen seiner rigorosen Sparpolitik, die Deutschlands Wirtschaft in den Ruin treibt, da aufgrund der sog. Schuldenbremse, die
es sonst nirgendwo gibt, staatliche Investitionen nicht getätigt werden können. Lindner hat nicht nur seine eigene Partei ruiniert
( von 11,5 % bei der Wahl 2021 ) auf jetzt 4 % ( aktuelles ZDF-Politbarometer der einzig seriösen Forschungsgruppe Wahlen ),
sondern auch die Ampelregierung, in der er sich zur Opposition in der eigenen Regierung gemacht hat. Zum Ausstieg aus dieser
Ampel ist er aber zu feige, obwohl dies ehrlich wäre aufgrund seines zur Regierung konträren, destruktiven Verhaltens. Kanzler
Scholz hat nur noch eine Chance : die FDP-Minister aus der Regierung werfen und als Minderheitsregierung bis 2025 weitermachen
um staatliche Investitionen zu ermöglichen und die maroden Schulen, Straßen und Brücken zu sanieren und den vielen allein-
erziehenden Frauen, Kleinverdienern und Kleinrentnern zu helfen, die am meisten unter den hohen Preisen und Mieten leiden.
Nur immer Steuererleichterungenf für die Großverdiener zu fordern wie es die FDP derzeit beim BVG macht um den Soli für die
10 % Einkommensstärksten auch noch abzuschaffen, ist völlig ungerecht und führt nur zu weiteren Schulden und ist eigentlich kontraproduktiv zu dem was Lindner predigt. Leider ist Kanzler Scholz zu schwach um diese sich selbst quälende Regierung
zu beenden.
Lindner mag ja kein Finanzfachmann sein.
Aber wahrscheinlich versteht er mehr vom Haushaltsrecht als Habeck von Wirtschaftspolitik und ganz bestimmt mehr als Sie.
Das es zur Abschaffung der Schuldenbremse eine verfassungsändernde Mehrheit bedarf, die ein Minderheitsregierung nicht hat, könnte man wissen. Muss man aber nicht.
Das die Auflösung des Investitionsstau nicht am Mehr an Schulden scheitert, sondern am Grün/Linken Nein zu Umschichtungen im Haushalt, geschenkt.
Das aber die Abschaffung des selektiven Solis „ungerecht“ sein soll, weil die, die sowieso schon am meisten Steuern zahlen noch mal zusätzlich lang genommen werden, das ist wirklich üble linke Polemik
Lindner muss selbst aufpassen.
Dass er ein Interview mit einer rechtsextremen Plattform namens Nuis unter Julian Reichelt geführt hat - da hat er die Grenze überschritten.
Dass Wissing mittlerweile ein Abkommen zum Datenaustausch mit China unterzeichnet hat, geht auch zu weit.
Die FDP entwickelt sich gerade in eine gefährliche Richtung.