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Bei Schaeffler geht jetzt die Angst um
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Bei Schaeffler in Deutschland sind bis zu 4500 Arbeitsplätze bedroht. Die befürchteten Massenentlassungen wurden zwar erst einmal abgewendet. Trotzdem fühlt sich manch Mitarbeiter nun veräppelt.
Von Angelika Röpcke und Klaus Tscharnke, dpa
Schweinfurt/Herzogenaurach. Die befürchteten Massenentlassungen wurden erst einmal abgewendet, die Angst vor einem Job-Verlust aber bleibt: Trotz einer vorläufigen Vereinbarung der Unternehmensführung mit Betriebsrat und Arbeitnehmern gerät die aktuelle Krise für die bundesweit rund 28 000 Mitarbeiter des Schaeffler-Konzerns zur Zitterpartie.
Viel wird nach Einschätzung von Arbeitnehmervertretern davon abhängen, ob sich Betriebsrat und Geschäftsführung bis Ende Juli auf ein Sparpaket im Volumen von 250 Millionen Euro einigen können.
Der Schaeffler-Gesamtbetriebsratschef Norbert Lenhard zeigt sich am Mittwoch zwar optimistisch. Dennoch stehe der Kampf um die Arbeitsplätze bei dem ins Trudeln geratenen Autozulieferer und Wälzlagerhersteller aus dem fränkischen Herzogenaurach erst ganz am Anfang. Und selbst wenn es gelingt, in zähen Verhandlungen den Arbeitsplatzabbau zu verhindern oder zumindest zu minimieren, werde der Preis für den Job-Erhalt groß sein, fürchtet Lenhard. Längere Arbeitszeit bei gleichem Lohn oder Verzicht auf Weihnachts- und Urlaubsgeld sind nur einige der erwogenen Maßnahmen.
Bei der Unternehmensleitung ist zumindest der ernsthafte Wille zu erkennen, unter allen Umständen betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Eine Verringerung der Belegschaft scheint nach dem vorliegenden Konzept des Schaeffler-Managements aber keineswegs ausgeschlossen zu sein. Als sozialverträgliche Varianten des Personalabbaus zieht das Unternehmen etwa freiwillige Aufhebungsverträge und Altersteilzeit durchaus in Betracht.
Die Verunsicherung ist bei den Beschäftigten dennoch groß. Das war jedenfalls bei einer Kundgebung in Schweinfurt deutlich zu spüren. Keineswegs wohl in seiner Haut fühlt sich Mitarbeiter Paul Hedrich: "Wir hängen alle in der Luft", sagt er. Dem Schleifer wird angst und bange, wenn er an die Zukunft seiner Familie denkt. Seit 15 Jahren arbeitet er in Schweinfurt - zuerst für FAG Kugelfischer, später dann für den Autozulieferer Schaeffler, der den Konkurrenten FAG 2001/02 schluckte. Hedrichs Frau ist schwer krank, er hat zwei Kinder zu versorgen. Der 49-Jährige hat kein Vertrauen mehr zur Firmenleitung in Herzogenaurach, fühlt sich "veräppelt". "Weihnachten hat es noch geheißen, wir kriegen das alles in den Griff", erzählt Hedrich am Mittwochmorgen kurz vor einer Betriebsversammlung. Nun soll viel Geld eingespart werden, Tausende könnten ihren Job verlieren. "Die Belegschaft ist frustriert."
Dass sich Schaeffler mit der Übernahme des Autozulieferers Continental aus Hannover schwer verhoben hat, sagen auch Hedrichs Kollegen, die im Schweinfurter Großlager arbeiten. "Sie haben gedacht, sie haben ein Schnäppchen gemacht." Jetzt zeige sich, dass die Conti-Übernahme übereilt gewesen sei. "Vor einem Jahr sind wir Samstag und Sonntag zur Arbeit 'reingeprügelt' worden", berichtet ein 43 Jahre alter Kollege von_Hedrich, der in der Montage eingesetzt ist. Nun werde kurzgearbeitet, die Abteilung sei diese Woche sogar geschlossen, die Beschäftigten zu Hause.
Auch Roland Bauriedel, der 1995 zu Schaeffler kam, fürchtet um seinen Job. Vier Kinder und eine Frau muss er ernähren. Zur Hiobsbotschaft seines Betriebes sagt er nur:_"Du klappst innerlich weg." Vertrauen in die Firmenleitung hat er nicht mehr: "Die Wahrheit kriegen wir eh nie gesagt, wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt."
Der Unmut vieler Beschäftigter war auch an den Transparenten abzulesen, die sie am Mittwoch in Schweinfurt bei der Kundgebung mit rund 4500 Teilnehmern hochhielten: "Danke für gute Arbeit sieht anders aus!", hieß es darauf beispielsweise. Verärgerte Arbeiter riefen:_"Einer muss als erster gehen - Geißinger auf Wiedersehen" - in Anspielung auf den Vorsitzenden der Geschäftsleitung, Jürgen Geißinger.
Auch Kollegen aus den benachbarten Betrieben SKF und ZF Sachs beteiligten sich an dem Protest im Anschluss an die Mitarbeiterversammlung. Betriebsratsmitglied Jürgen Schenk sprach wohl vielen aus der Seele: "Wir wurden in den fetten Jahren nicht beteiligt, dann sind wir auch nicht bereit, in den schlechten Zeiten zu bluten."
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