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Vom Bauernsohn zum Nobelpreisträger: Johann Deisenhofers inspirierende Reise

Zusamaltheim

Ein Bauernbub aus Zusamaltheim ist heute Nobelpreisträger in den USA

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    Der Bruder eroberte im Dienst der Wissenschaft die weite Welt, Schwester Antonie Wagner blieb zurück im Bauernhof in Zusamaltheim. Das Foto von der Verleihung des Nobelpreises an Johann Deisenhofer ist ihr eine wertvolle Erinnerung.  
    Der Bruder eroberte im Dienst der Wissenschaft die weite Welt, Schwester Antonie Wagner blieb zurück im Bauernhof in Zusamaltheim. Das Foto von der Verleihung des Nobelpreises an Johann Deisenhofer ist ihr eine wertvolle Erinnerung.   Foto: Hertha Stauch

    Antonie Wagner wird den Satz nicht vergessen: „Jetzt gang i doch auf Amerika.“ Dann ist er gegangen, ihr Bruder Johann Deisenhofer. So ganz hat es ihm nicht mehr gepasst im Max-Planck-Institut für Festkörperphysik in München-Martinsried. Er wollte sich weiterentwickeln, und in Amerika, da waren sie schon auf ihn aufmerksam geworden und schickten ihm verlockende Signale. Der Wissenschaftler Johann Deisenhofer, ein Ausnahmetalent aus Zusamaltheim, das im Jahr 1988 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet wurde.

    Antonie Wagner ist hier geblieben im Elternhaus, auf sie fiel die Aufgabe der Hoferbin zurück, als der große Bruder Karriere machte drüben über dem Ozean. „Das war halt so, an mir ist der Hof hängen geblieben“, antwortet die Schwester auf die Frage, ob sie, heute 77 Jahre alt, sich nicht etwas anderes vorgestellt hatte. Im schönen Bauernhof in Zusamaltheim war früh klar, dass Johann eine besondere Begabung hatte, die nicht unbedingt in der Landwirtschaft lag. „Aus dem wird kein Bauer“, stellten seine Lehrer an der Mittelschule Heilig Kreuz in Donauwörth und kurz darauf dann an der Realschule Wertingen fest. In der Schule erkannte man, dass Johann ein fixes Kerlchen war und ermöglichte ihm den Übergang ans Holbein-Gymnasium, wo er 1963 das Abitur ablegte. „Im Holbein musste er sechs Jahre Latein nachlernen, das hat er gemacht“, bewundert Antonie ihren Bruder noch heute. Nach 18 Monaten Wehrdienst nahm er mit einem Stipendium des Bayerischen Kultusministeriums für besonders Begabte das Studium der Physik an der Technischen Universität München auf. Von 1971 an arbeitete Deisenhofer am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried, wo er 1974 seine Doktorarbeit vollendete.

    „Aus dem wird kein Bauer“, stellen Johann Deisenhofers Lehrer fest

    Während sich Johann fortan im Kreise hochrangiger Wissenschaftler bewegte, bekam Antonie den Hof übertragen. Mit dem Bruder blieb sie eng verbunden. Denn Deisenhofer und seine Freunde liebten es, übers Wochenende aufs Land zu fahren, um den Kopf frei zu bekommen.  Die Grillfestle, die es in Zusamaltheim gab, waren auch für Antonie eine willkommene Abwechslung. Der Bruder forschte erfolgreich in Martinsried, bis er 1988 eine Berufung als Professor für Biochemie der University of Texas in Dallas erhielt, um dort ein eigenes Institut aufzubauen. Die Schwester erinnert sich noch an die ganze Aufregung, die es zu Hause gab. „Wir hatten damals eine Ferkelzucht und sind mit einem Spanferkel nach München gefahren, um Abschied zu feiern.“

    Und dann 1988 der Nobelpreis: Antonie hat auswendig gelernt, für welche wissenschaftliche Erkenntnis ihr Bruder zusammen mit Robert Huber und Hartmut Michel ausgezeichnet wurde. „Es geht um die Struktur des Purpurbakteriums, die Funktion von Chlorophyll. Die Pflanze erzeugt mithilfe des Sonnenlichts Chlorophyll – aber wie?“ Die bahnbrechenden Forschungen des Zusamaltheimers sind von zahlreichen hochrangigen Auszeichnungen begleitet. Eine Kopie der Nobelpreis-Medaille hängt in Zusamaltheim eingerahmt an der Wand. „Wir sind damals alle zur Verleihung nach Schweden gefahren“, erinnert sich Antonie Wagner und kramt die Fotos des großen Ereignisses aus der Schublade: Ihr Bruder, der die Medaille aus der Hand von König Carl-Gustaff entgegennimmt. Für Antonie waren diese Tage eine Bereicherung. In Gedanken begleitete sie ihren Bruder, der fortan in den USA lebte, und von dort aus die ganze Welt im Dienst der Wissenschaft bereiste. In den USA lernte er seine Frau, eine Wissenschaftlerin aus Dänemark, kennen.

    1988 erhielt der Zusamaltheimer den Nobelpreis

    Der Kontakt zur Schwester verstetigte sich vom Ausland aus durch wöchentliche Anrufe, die es heute noch gibt. „Ich war in Zusamaltheim die Ansprechpartnerin, wenn jemand hier etwas von ihm wissen wollte“, beschreibt die Schwester ihre Rolle. Denn die Heimat hatte Johann Deisenhofer immer im Blick. Mindestens einmal im Jahr besucht er Zusamaltheim, meist im Zusammenhang mit Vortragsreisen oder dem jährlichen Treffen der Nobelpreisträger in Lindau. Schwester Antonie lernte bei den Besuchen des Bruders nicht nur seine Frau, sondern auch befreundete Wissenschaftler kennen. So bewegte sich die Zusamaltheimerin zeitweise in hochrangigen Kreisen. Ihr Bruder blieb trotz aller Welterfahrung ein bodenständiger Mensch, erzählt sie. Ihr schönstes Erlebnis war eine Reise zu ihm in sein Domizil in Jackson Hole am Rande des Yellowstone Nationalparks. Die Familie hatte ihr die Reise, die sie zusammen mit ihrem Sohn unternahm, zum 70. Geburtstag geschenkt.

    Heuer war Johann Deisenhofer schon zu Besuch an der Grundschule Zusamaltheim.
    Heuer war Johann Deisenhofer schon zu Besuch an der Grundschule Zusamaltheim. Foto: Monika Wagner (Archiv)

    Heute ist Deisenhofer 81 Jahre alt, und noch immer geht es ihm gut. „Er hat sich für diesen Winter einen Skipass gekauft, denn man kann dort wunderbar Ski laufen“, erzählt die Schwester. Inzwischen sei es ruhiger geworden um ihn. Aber im nächsten Sommer beim Treffen der Nobelpreisträger, da wird er wohl wieder da sein, in Zusamaltheim, wo es dann immer schöne Fotos gibt mit den Enkeln von Antonie im Kreis der Familie.

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