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Wertingen: Wie ticken die Wertinger „Spaziergänger“?

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Wie ticken die Wertinger „Spaziergänger“?

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    720 Personen zählt die Wertinger Polizei am Montag, die kreuz und quer durch Wertingen laufen. Die Stimmung ist ruhig, die Teilnehmer kommen aus allen Altersgruppen. Zahlreiche Spaziergängerinnen und Spaziergänger haben mit uns gesprochen.
    720 Personen zählt die Wertinger Polizei am Montag, die kreuz und quer durch Wertingen laufen. Die Stimmung ist ruhig, die Teilnehmer kommen aus allen Altersgruppen. Zahlreiche Spaziergängerinnen und Spaziergänger haben mit uns gesprochen.

    Die deutschlandweit stattfindenden „Spaziergänge“ sind in aller Munde. Auch in Wertingen und Dillingen finden sie seit Monaten statt und haben derzeit Zulauf. Auf Facebook bewirbt sie die Gruppe „Corona Rebellen

    Welche Route? Hunderte Teilnehmer des Spaziergangs – die Polizei zählt an diesem Abend 720 – treffen sich um 19 Uhr vor dem Wertinger Schloss, laufen dann über den Marktplatz erst in Richtung Edeka. Anschließend wieder über die Innenstadt, bis zur Laugnastraße hinunter, die Schützenstraße hinauf und wieder zum Rathaus. Der Spaziergang dauert rund eine Stunde. Anschließend bilden sich noch kleinere Grüppchen in der Nähe des Rathauses.

    In Wertingen gehen Leute aller Altersgruppen spazieren

    Wer geht spazieren? Die Spaziergänger kommen aus allen Altersgruppen, Kinder finden sich ebenso wie Senioren. Niemand außer uns trägt eine Maske. Manche bringen ihre Hunde mit, andere schieben Kinderwagen. Einige Personen haben auffallende Accessoires dabei, etwa umgehängte Lichterketten, leuchtende Ballons, oder einen Aluhut auf dem Kopf. Eine kleine Gruppe verteilt vor dem Spaziergang Teelichter. Mehrere der Personen, die mit uns sprechen, kommen nicht aus Wertingen, sondern aus der Umgebung. Eine Gruppe stammt aus dem Landkreis Augsburg, eine Frau aus dem Donauwörther Raum. Es gehe bei den Spaziergängen auch ums „Netzwerken“, sagt uns eine Teilnehmerin. Was genau sie damit meint, führt sie nicht aus. Allen unseren Gesprächspartnern gemeinsam ist, dass sie anonym bleiben wollen.

    Manche der Teilnehmer tragen auffällige Accessoires, wie Lichterketten, Öllampen oder Ballons.
    Manche der Teilnehmer tragen auffällige Accessoires, wie Lichterketten, Öllampen oder Ballons.

    Warum gehen sie spazieren? Die Antworten auf diese Frage gehen zwar alle in dieselbe Richtung, unterscheiden sich im Detail jedoch erheblich. Die Frau, welche die Vernetzung mit Gleichgesinnten anstrebt, sagt: „Ich will über meinen eigenen Körper bestimmen können.“ Sie befürchtet eine Impfpflicht gegen Corona. Den Politikerinnen und Politikern der Bundesrepublik wirft sie in Summe Unehrlichkeit vor. „Was vor der Bundestagswahl gesagt wurde und was jetzt dazu gesagt wird, passt nicht zusammen.“

    Ein klar formuliertes Ziel gibt es nicht

    Eine Wertingerin beklagt im Gespräch, dass die Maßnahmen zu sehr auf Kosten der Kinder gingen. „Das interessiert viele nicht, was mit denen geschieht.“ Außerdem dürfe man seine Meinung nicht mehr sagen. Ihr Mann gehe nur aus dem Grund nicht mit, da er sonst um seinen Job fürchten müsse. Die derzeit stattfindenden Spaziergänge in der Region sieht sie in der Tradition der Montagsdemonstrationen in der DDR. Diese richteten sich Ende der 80er-Jahre gegen die berüchtigte „Stasi“, den geheimen Sicherheitsapparat der

    Wofür die Spaziergänger in Wertingen genau einstehen, bleibt unklar. Frieden, Selbstbestimmung und eine drohende Spaltung der Gesellschaft sind Begriffe, die in unseren Gesprächen wiederholt auftauchen. Mehrere Personen antworten schlicht: „Ich gehe halt gern abends spazieren. Das soll ja gesund sein.“

    Die Stimmung ist ruhig, das Verhalten unauffällig

    Wie verhalten sie sich? Die Stimmung unter den Spaziergängerinnen und Spaziergängern ist ruhig, mitunter auch fröhlich. Gerade zu Beginn können wir beobachten, dass sich zahlreiche Personen wiedererkennen, grüßen, umarmen. Ein Teilnehmer scherzt: „Wer da einen Glühweinstand aufstellt, verdient ein Schweinegeld.“

    Die Polizei ist mit vor Ort und begleitet den Spaziergang mit mehreren Fahrzeugen. Die 16 Einsatzkräfte brauchen allerdings nur den Verkehr zu regeln, sonst verhalten sich alle friedlich und laufen auf den Gehwegen. Es gibt keine polizeilich relevanten Vorfälle, wie es von den Beamten heißt.

    Die meisten bleiben höflich, ein einzelner Mann wird beleidigend

    Uns gegenüber fallen vereinzelt spöttische Kommentare zu unseren Masken – meist haben sie irgendwas mit Fasching zu tun. Viele Personen lehnen ein Gespräch mit uns ab, die meisten sind aber redebereit und dabei freundlich. Mehrfach wird Kritik an den Medien im Allgemeinen an uns herangetragen – diese würden aus Sicht mancher Teilnehmer zu einseitig berichten. Ein Mann teilt uns diese Kritik energisch mit und entschuldigt sich zum Schluss mit den Worten: „Tut mir leid, wenn ich etwas lauter geworden bin.“

    Die Polizei musste nur den Verkehr regeln, Vorfälle gab es nicht.
    Die Polizei musste nur den Verkehr regeln, Vorfälle gab es nicht.

    Gegenüber unserem Fotografen ist der Tonfall zuweilen ruppiger. Viele Teilnehmer wollen sich nicht fotografieren lassen und äußern dies mit einigem Nachdruck. Ein einzelner Mann beleidigt ihn auch.

    Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer legen großen Wert darauf, dass „Schreihälse und Krawallmacher“, wie es ein Mann ausdrückt, hier nicht erwünscht seien. „Ich würde mich von denen abgrenzen, wenn hier ‚Rechte‘ auftauchen würden. Mit denen will ich nichts zu tun haben“, sagt eine Frau.

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