Gleich mehrere Projekte in Wertingen tauchen regelmäßig mit teils großen Summen im Haushaltsplan auf – doch in der Realität bemerkt man oft seit vielen Jahren keinen Fortschritt. So war es auch in der jüngsten Sitzung des Wertinger Stadtrats, als erneut die Nordtangente, das Baugebiet Marienfeld West 2, das Amtsgerichtsgebäude und der neue Betriebshof auftauchten. Kurze Erklärung zu den jeweiligen Punkten: Die Nordtangente soll im Norden der Stadt eine direkte Verbindung der Industriestraße zum Ebersberg und dem Baugebiet Eisenbach ermöglichen.
Für das geplante Baugebiet Marienfeld West 2 hatte die Stadt im Jahr 2016 Flächen gekauft, bislang ist das Gebiet kaum erschlossen. Es braucht eine Zufahrtsstraße über den Judenberg. Das Amtsgerichtsgebäude erfüllt moderne Standards der Barrierefreiheit nicht, und der Betriebshof teilt sich ein Gelände mit der Feuerwehr, worüber beide Parteien nicht glücklich sind. Deshalb kaufte die Stadt das Poltec-Gebäude, in das der Betriebshof ursprünglich schon im Jahr 2017 einziehen sollte. Der Umzug ist aber immer noch nicht erfolgt.
Echte Erklärungen werden in den öffentlichen Sitzungen des Stadtrates den Bürgern nicht geliefert – es fallen allerdings Schlagworte wie „überbordende Bürokratie“, welche die Arbeit erschwere. Bürgermeister Willy Lehmeier nimmt nun zu allen vier Projekten sowie den bürokratischen Herausforderungen ausführlich Stellung und erklärt aus seiner Sicht, welche Hürden es für seine Verwaltung zu bewältigen gibt.
Der alte Plan für den Betriebshof ging nicht auf
Betriebshof: Im kommenden Jahr müssten Raumnutzungen, technische Ausstattung und die Außen- und Verkehrsanlagen mit dem Betriebsbauhof final festgelegt werden. „Da haben sich immer wieder Veränderungen in den betrieblichen Abläufen und in den Anforderungen an die Räume ergeben“, sagt Lehmeier. Auch die Pandemie habe sich auf das künftige Raumkonzept ausgewirkt. Ganz grundsätzlich muss sich die Stadt entscheiden, wie sie die Aufgaben des Umbaus ausschreibt: Werden einzelne Gewerke ausgeschrieben oder aber ein Generalunternehmen mit der Aufgabe betraut? „Hierzu holen wir uns externen Rat, damit bei der komplexen Ausschreibung und Vergabe auch alle rechtlichen Belange berücksichtigt werden.“ Ziel sei, Ende 2022 die Baumaßnahme auszuschreiben. Nach der Vergabe im Frühjahr 2023 soll die Maßnahme im laufenden Jahr bis zum Frühjahr 2024 abgeschlossen sein, so der neue Zeitplan. Der Stadtrat hat dazu in den nächsten Jahren im Haushalt 3,85 Millionen Euro eingeplant.
Und wie geht es mit dem dann alleinigen Feuerwehr-Gelände an der Dillinger Straße weiter? Man werde sich dann mit den Bestandsgebäuden beschäftigen, sagt Lehmeier, und kündigt „umfangreiche Sanierungsmaßnahmen“ an.
Noch steht keine Planung für die Nordumfahrung
Nordtangente: Die Idee zur oft nur „Nordtangente“ oder „Nord-Ost-Tangente“ genannten, angedachten Verbindungsstraße kam 2012. Sie soll zukünftig den Schwerlastverkehr im Innenstadtbereich reduzieren und neue und gute Anbindungen schaffen. „Zu Beginn der Überlegungen war die Anbindung von der Donauwörther Straße bis zur Bauerngasse geplant“, sagt Lehmeier.
Doch Änderungen der Trassenführung wurden erstmals 2016 durch den Bau eines Nachschub- und Kommissionierlagers ausgelöst. Die endgültige Trasse ist auch heute noch nicht geplant. „So wird sich sicherlich im Verlauf einer vertiefenden Untersuchung die Trasse im Detail immer wieder verändern“, sagt der Rathauschef. Etwa durch die Planungen der Firma Reiter, die ihre Gewerbeflächen erweitern wolle – das müsse in die Überlegungen einfließen.
Und sind die für den Bau notwendigen Grundstücke für die Stadt vorhanden? Lehmeier sagt dazu lediglich, dass in den vergangenen Jahren rund fünf Hektar Land von der Stadt erworben wurden.
Das Amtsgerichtsgebäude bräuchte eine ganze Reihe von Maßnahmen
Marienfeld West 2: Für das bereits teilweise erschlossene Baugebiet sei 2022 die Realisierung der Baustraße und die Planung für die endgültige Anbindung an die Dillinger Straße vorgesehen. „Der geplante Verlauf der Trasse befindet sich auf städtischem Grund“, sagt Lehmeier auf die Frage, ob die Stadt die notwendigen Grundstücke für die Erschließung besitzt. „Zudem haben Vertreter aus dem Stadtrat einen maßvollen Ausbau angemahnt. Das nehme ich ernst“, sagt er im Hinblick auf Äußerungen der Stadträte Markus Müller (Freie Wähler) und Hertha Stauch (Grüne).
Amtsgerichtsgebäude: Ein echtes Problem stellt den Schilderungen Lehmeiers zufolge das alte Amtsgerichtsgebäude dar. In dem befinden sich das Bürgerbüro im Erdgeschoss, die Artothek im ersten und das Stadtarchiv im zweiten Stock. Der Bürgermeister wird deutlich: Es wäre eine „Generalsanierung notwendig, die bei der Vielzahl der Projekte nicht angegangen werden kann“. Statisch, brandschutztechnisch und energetisch bräuchte es für dieses Gebäude einen „ganzen Strauß an Maßnahmen“, die Millionen kosten würden. Und es kommt noch dicker: Das Gebäude steht unter Denkmalschutz und kann nur mit Zustimmung der Denkmalbehörde verändert werden. Und das gestaltet sich anscheinend schwierig: Die geplante Rampe für 150.000 Euro, welche der Stadtrat im Frühjahr abgesegnet hatte, wurde nicht genehmigt. Auch von der Förderbehörde in der Regierung gebe es bisher keine Zusage für städtebauliche Mittel.
So viel Arbeit steckt in jedem Verfahren
Bürokratie: „Die überbordende Bürokratie macht uns das Leben wirklich schwer“, sagt Lehmeier. Fällt eine Vielzahl von Projekten an, könnten sie nicht mehr gleichzeitig durch die Verwaltung zielführend begleitet werden, die einzelnen Angelegenheiten ziehen sich hin. Und das hat wiederum Folgen: Durch die längere Projektzeit verändern sich laut Lehmeier die Rahmenbedingungen und die Projekte werden teurer.
Der Bürgermeister gibt ein Beispiel: Das Verfahren zur Aufstellung sowie der Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen – also Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen, ist im Baugesetzbuch festgelegt. Schritt für Schritt sieht es wie folgt aus:
Zunächst erfolgt die Einleitung des Aufstellungsverfahrens: Voraussetzung dafür, dass ein Bebauungsplan aufgestellt werden kann, ist die städtebauliche Notwendigkeit. Diese kann prinzipiell jeder vorbringen und damit die Einleitung des Aufstellungsverfahrens anstoßen. Danach folgt der Aufstellungsbeschluss: Nach der Prüfung der Sach- und Rechtslage beschließt die Gemeinde die Aufstellung eines Bebauungsplans und macht diesen Beschluss bekannt, etwa im Amtsblatt und auf der Internetseite. Es folgt der Vorentwurf, meist von einem Planungsbüro erstellt. Oft werden hier verschiedene Varianten vorgestellt.
Und dann beginnt die Phase, in der sich die Öffentlichkeit und andere Behörden beteiligen: In der Praxis sind das etwa andere Kommunen, das Wasserwirtschaftsamt oder die Kreisheimatpflege. Die Behörden werden außerdem aufgefordert, sich zum Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung zu äußern. Nach Beratung über die eingegangenen Stellungnahmen beschließt die Gemeinde die öffentliche Auslegung des konkretisierten Bebauungsplans. Für mindestens einen Monat wird der Entwurf des Bebauungsplans öffentlich ausgelegt und ins Internet eingestellt. Während dieser Zeit können erneut alle Bürgerinnen und Bürger sowie die Behörden Stellungnahmen zu den Planinhalten abgeben. Beschluss des Bebauungsplans: Nachdem die Gemeinde über die eingegangenen Stellungnahmen beraten und keine Hindernisse oder Anlass für wesentliche Änderungen gefunden hat, kann der Bebauungsplan beschlossen werden. Bei wesentlichen Änderungen muss der veränderte Entwurf erneut ausgelegt werden und die Behörden müssen nochmals dazu befragt werden. Eine Genehmigung des Bebauungsplans von der höheren Verwaltungsbehörde – im Falle Wertingens das Landratsamt – ist nur dann erforderlich, wenn der Bebauungsplan nicht auf Grundlage eines bereits vorhandenen Flächennutzungsplans entwickelt wurde. Schließlich wird der beschlossene Plan öffentlich bekannt gemacht und samt Erklärung ins Internet eingestellt.
Viele Einzelparteien geben ihren "Senf" dazu
Ein kürzlich im Stadtrat diskutiertes und verabschiedetes Beispiel ist der geplante Neubau einer Fertigungshalle samt Verwaltungsgebäude der Firma Schüco an der Industriestraße in Wertingen. Lehmeier erklärt an diesem Beispiel, welchen Aufwand alleine die Sichtung und Beurteilung der zahlreichen Stellungnahmen für ein solches Verfahren für die Verwaltung darstellt.
15 relevante Stellungnahmen gingen zu der Änderung des Bebauungsplans ein. Einige Beispiele: Die Landesplanung der Regierung von Schwaben merkt an, dass es zu keinen „unzulässigen Einzelhandelsagglomerationen“ kommen darf. Übersetzt bedeutet das in etwa, dass ein Komplex von Einzelhandelsgeschäften nicht so dicht nebeneinander stehen darf, dass sie wie ein einzelner großer Markt wirken. Allerdings handelt es sich bei dem Vorhaben von Schüco überhaupt nicht um ein Einzelhandelsgeschäft, sondern eben eine Fertigungsanlage.
Es folgen Hinweise zum Hochwasserschutz, zu den Grünflächen, der Bauweise (jeweils Landratsamt), den zu erwartenden Gerüchen aus der angrenzenden Landwirtschaft (Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Umwelt), nochmal Hochwasserschutz (Wasserwirtschaftsamt), zur ansehnlichen Bauweise und Begrünung (Kreisheimatpfleger), nahen Telekommunikationsanlagen (Vodafone) und dem unbedingten Schutz von unterirdischen Erdgasleitungen in der Nähe (Schwaben Netz). Außerdem bittet das Amt für Digitalisierung, die Umrisse in die Digitalplattform „Bayernatlas“ einzutragen.
Wie das Personal der Verwaltung mit den Anforderungen zurecht kommt und wie es um ein weiteres Megaprojekt der Stadt, den Breitbandausbau, bestellt ist, lesen Sie demnächst in einem weiteren Bericht in der Wertinger Zeitung.