Rudolf Ahnert weiß es noch gut. Als er von 1965 bis 1969 Vikar in der Wertinger Bethlehemkirche war, stellte ihm die Gemeinde einen VW-Bus. Mit ihm holte er am Nachmittag Schulkinder aus Buttenwiesen und Nordendorf ab, um sie in Wertingen zu unterrichten. Denn damals fand der evangelische Unterricht noch nicht gleichzeitig mit dem katholischen am Vormittag statt. Oder aber, der heute 85-Jährige war für Ausflüge mit dem Jugendkreis mit dem grauen, später roten VW-Bus unterwegs.
Es sind persönliche Erinnerungen, Details aus der umfassenden und nunmehr 75 Jahre alten Geschichte der evangelischen Bethlehemkirche in Wertingen. Diese Zahl feiert die Gemeinde in diesem Jahr. Zu diesem Anlass sind einige Veranstaltungen und Aktionen geplant. Eine Ausstellung läuft bereits. Der ehemalige Vikar Rudolf Ahnert und Günther Böhm, der sechs Jahre lang im Kirchenvorstand war und das Jubiläum mitorganisiert, blicken zurück und nach vorn – auf das, was die Vergangenheit prägte und was 2025 ansteht.
Mit dem VW-Bus zum evangelischen Religionsunterricht nach Wertingen
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts fanden sich im katholisch geprägten Raum Wertingen evangelische Christen, sie hielten erste Bibelstunden und Gottesdienste in Privathäusern in Buttenwiesen ab. 1926 wird die „Tochterkirchengemeinde“ Wertingen/Buttenwiesen gegründet, 1927 der Betsaal im Wertinger Rathaus eingeweiht. Infolge des Kriegs kamen immer mehr evangelische Flüchtlinge nach Wertingen, etwa aus Schlesien. Ahnert erinnert sich mit einem Lachen, dass Wertingens erster evangelischer Pfarrer Paul Bessert auch Schlesier war und im Gottesdienst statt „liebe Gemeinde“ „liebe Schlesier“ gesagt haben soll. Das stimme jedoch nicht, sei lediglich eine Erzählung.
1950 dann wurde die erste Bethlehemkirche – die ihren Namen übrigens erst seit 1970 hat – eingeweiht: eine Notkirche in Holzbauweise mit kleiner Pfarrwohnung, geplant von Otto Bartning vom Hilfswerk der Evangelischen Kirchen in Deutschland. „Die war sowas von heimelig“, wissen die beiden Männer noch. Ahnert ergänzt: „Ich habe diese Kirche sehr geliebt. Sie hatte eine besondere Atmosphäre, gerade an Weihnachten.“
Die alte Bethlehemkirche in Wertingen war „sowas von heimelig“
Nach dem Bau der Johanneskirche in Meitingen wurde die Pfarrstelle 1960 dorthin verlegt. So verlor die Wertinger Kirche ihre Eigenständigkeit, war jetzt ohne Pfarrer und dafür mit einem Vikar besetzt. Fünf Jahre lang war Rudolf Ahnert Vikar, der zeitweise in der sehr kleinen Pfarrwohnung lebte, die zur Kirche gehörte. Erst 1989 wendete sich das Blatt wieder und mit einem großen Fest im Schlossgarten feierte die evangelische Gemeinde in Wertingen die erneute Pfarrstellenerhebung.
Doch dann entdeckte man, dass das in der Kirche verbaute Holz mit Schadstoffen belastet war, und so galt es, eine schwere Entscheidung zu treffen. Das Gotteshaus wurde abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Am Anfang hatte das kritische Stimmen zur Folge, doch eine Dekontaminierung wäre sehr teuer gewesen, so Böhm, also wählte man den Abbruch. Die neue, lichtdurchflutete Kirche, die 2007 eingeweiht wurde, entpuppte sich jedoch schnell als sehr praktisch angesichts der räumlichen Einteilung. Während der Bauphase wurden Gottesdienste in der Krankenhauskapelle abgehalten, „da waren wir sehr gut aufgehoben“, sagen Böhm und Ahnert. Für besondere Anlässe, wie eine Beerdigung, konnte man auf die katholische Kirche ausweichen.
Die neue, lichtdurchflutete Bethlehemkirche wurde 2007 eingeweiht
Heute gehören der evangelischen Kirchengemeinde in Wertingen etwa 1500 Mitglieder an. „Zu meiner Zeit waren es noch 600“, sagt Ahnert, der Gründe dafür in der wachsenden Industrie und in der Ansiedlung des Gymnasiums 1970 sieht. Ahnert zog nach seiner Zeit als Vikar um und lebt nun, im Ruhestand, wieder in Wertingen. Hier hat er schließlich auch seine Frau kennengelernt, die als Krankenschwester arbeitete.
Um 75 Jahre Jubliäum zu feiern, ist in der Bethlehemkirche derzeit bereits eine Ausstellung des Chiemgauer Holzbildhauers Marco Bruckner zu sehen. „Wenn die Welt aus den Fugen gerät“, heißt diese und befasst sich mit dem Thema Schöpfung. Sie kann nach dem Gottesdienst, montags von 16 bis 18 Uhr oder freitags von 10 bis 12 Uhr besichtigt werden. Vermutlich werde die Ausstellung bis Ostern aufgebaut sein, so Böhm.
Die evangelische Kirchengemeinde in Wertingen hat etwa 1500 Mitglieder
Konkret geplant ist außerdem ein Konzert mit Paul Brändle und Enji Erkhem am Samstag, 15. März, um 19 Uhr. Der Eintritt kostet 20 Euro, die Platzwahl ist frei. Am Montag, 20. Januar, wird dafür der Kartenvorverkauf in der Buchhandlung Gerblinger und im Pfarrbüro starten (Bürozeiten: montags von 16 bis 18 Uhr, dienstags, donnerstags und freitags von 10 bis 12 Uhr). „Paul Brändle ist ein Sohn Wertingens“, sagt Böhm. Mittlerweile sei der Jazzgitarrist „international unterwegs“. Die Freude darüber, dass der Musiker anlässlich des Kirchenjubiläums in Wertingen auftreten wird, ist ihm anzumerken.
Abgesehen davon sind am Sonntag, 16. März, um 10 Uhr ein Festgottesdienst mit Dekan Frank Kreiselmeier und am Sonntag, 13. Juli, ein Konzert mit dem Chor „Good News“ vorgesehen. Ideen, die noch ausgearbeitet werden müssen, sind Böhm zufolge ein Garten-Gemeinde-Fest mit Musik und Kinderprogramm im Sommer und ein Malwettbewerb zum Thema „Was bedeutet dir ein Kreuz? Gestalte ein Kreuz“ mit den benachbarten Schulen. Ebenfalls angedacht, doch noch nicht bis ins Detail ausgearbeitet, sind die Pläne für ein Konzert des Binswanger Blasorchesters mit Chor und Orgel (“Missa Katharina“) im Rahmen der Dillinger Kulturtage sowie ein Konzert der Gruppe Kurzweyl mit Musik und Texten aus dem Mittelalter und der Renaissance. Beide sind für den Herbst vorgesehen.
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