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Wertingen: Das "Negerle" wanderte von der Kirche ins Wertinger Heimatmuseum – vom Bittsteller zum Partner

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Das "Negerle" wanderte von der Kirche ins Wertinger Heimatmuseum – vom Bittsteller zum Partner

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    Das Sammelgefäß für die Mission, das in den 1960er Jahren ins Museum kam.
    Das Sammelgefäß für die Mission, das in den 1960er Jahren ins Museum kam. Foto: Cornelius Brandelik

    Zu Beginn der 1960er Jahre war es in vielen Kirchen zu finden. Nach und nach verschwand es aus den Sakralräumen. In der Stadtpfarrkirche in Wertingen hatte das damals noch unbedarft „Negerle“ genannte Exponat auf der Mensa des nördlichen inneren Seitenaltars seinen Platz. Heute steht es im Heimatmuseum der Stadt Wertingen und ist Objekt des Monats Oktober.

    Das betende farbige Kind war das Sammelgefäß für die Mission

    Das Sammelgefäß für die Mission stellt ein betendes farbiges Kind mit weißem Mantel auf einer grün-braunen Erhöhung dar. Es ist innen hohl und nimmt die Münzen, die über einen Schlitz vor dem Kind eingeworfen werden können, in sich auf. Auf der Rückseite befindet sich eine abschließbare Schublade, in der das eingeworfene Geld liegt. Der Kopf des Kindes kann nickende Bewegungen ausführen, da der Hals auf einer Achse gelagert ist. In Verlängerung des Halses ragt in den Hohlraum ein Gewicht, das am Ende abgeplattet ist. Fällt eine Münze auf das abgeplattete Gewicht, wird der Impuls über den Hals weitergegeben und der Kopf nickt dankend.

    In einer abschließbaren Schublade auf der Rückseite wurde das Geld gesammelt.
    In einer abschließbaren Schublade auf der Rückseite wurde das Geld gesammelt. Foto: Cornelius Brandelik

    Zum Spenden aufgefordert wird der Kirchenbesucher durch den Spruch, der an der Erhöhung angebracht ist: „Ich war ein armer Heidensohn! Nun kenn‘ ich meinen Heiland schon und bitte darum Jedermann, nehmt Euch der armen Heiden an.“ Die ersten Figuren dieser Art entstanden wohl um 1850. Sie sollten die Bevölkerung zum Spenden anregen. Ab 1886 wurden die Figuren in verschiedenen Größen und Ausführungen zum Sammeln für die Mission vertrieben.

    Damals sah man in den Bewohnern Afrikas, Südamerikas und Indiens kindliche, unterentwickelte Völker, die man zu einer „höheren Gesinnung“ führen müsse. Durch die Symbolik der Sammelgefäße wies man ihnen eine untergeordnete und hilfsbedürftige Position zu, bei der sie als Bittsteller Dankbarkeit zeigten. Um 1960 wurde von den Bistumsleitungen in einem Rundschreiben dazu aufgefordert, diese Missionssammelgefäße aus den Kirchen zu entfernen. Das öffentliche Bewusstsein hatte sich zu der Zeit so weit gewandelt, dass im Rahmen der kirchlichen Eine-Welt-Entwicklungspolitik die Bewohner ärmerer Länder nicht weiter als hilflose Bittsteller, sondern als gleichberechtigte Partner betrachtet wurden.

    Das Wertinger Objekt des Monats Oktober zeigt, wie Einstellungen sich ändern

    An dem Objekt des Monats Oktober sieht man, wie sich Einstellungen ändern. Sowohl von politischer als auch von kirchlicher Seite ist der Umgang mit den weniger reichen Kontinenten heute ein anderer wie in den 1960er Jahren. Während die Empfänger der Spenden früher als Bittsteller gesehen wurden, sind sie heute Partner, mit denen man Solidarität zeigt. Dies ist zum Beispiel bei der Fairtrade-Bewegung sichtbar. Auch beim alljährlichen Weltmissionssonntag, der in diesem Jahr am 27. Oktober stattfindet, kommt dies zum Ausdruck.

    Das Sammelgefäß für die Mission kann im Oktober in der Vitrine fürs Objekt des Monats im Schloss-Eingangsbereich besichtigt werden. Danach kommt es wieder an seinen angestammten Platz ins erste Untergeschoss des Wertinger Heimatmuseums.

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