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Wertingen: Das Chaosjahr 2020: Rückblick einer Schülerin

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Das Chaosjahr 2020: Rückblick einer Schülerin

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    Der 17-jährigen Patricia Redl wird das Jahr 2020 in besonderer Erinnerung bleiben. Das Bild zeigt sie an dem Platz, an dem sich heuer ein großer Teil ihres Lebens abgespielt hat – Schule und Freizeit gleichermaßen.
    Der 17-jährigen Patricia Redl wird das Jahr 2020 in besonderer Erinnerung bleiben. Das Bild zeigt sie an dem Platz, an dem sich heuer ein großer Teil ihres Lebens abgespielt hat – Schule und Freizeit gleichermaßen.

    Das Jahr 2020 hat viele Bereiche im öffentlichen Leben einschneidend verändert – besonders betroffen waren gerade auch die Schüler. Unsere Autorin Patricia Redl ist 17 Jahre alt, besucht mittlerweile die elfte Klasse des Wertinger Gymnasiums und schildert für uns dieses besondere Jahr aus ihrer Sicht.

    Januar: Gewöhnlich ist mein Schulalltag am Gymnasium Wertingen. In den Nachrichten fällt schon das ein oder andere Mal das Wort „Corona“, aber wirklich ernst nehmen tu ich das nicht. Medien zufolge gibt es ja auch nur wenige Fälle auf der Welt, die meisten in China. Leichtsinnig machen meine Freunde und ich uns über Leute lustig, die in Hysterie verfallen.

    Februar: Immer noch gehe ich ganz normal jeden Tag in die Schule und denke kaum an ein gewisses Virus. Trotzdem erfahre ich immer mehr über Covid-19: dass ich die Krankheit wahrscheinlich gut überstehen würde, ältere Menschen hingegen nicht. Trotzdem glaube ich, dass alles schnell wieder vorbei geht, es sei gar nicht so schlimm.

    Das Virus bricht schlagartig in den Schulalltag ein

    März: Mittlerweile kennen die Nachrichten scheinbar nur noch das Wort „Corona“. In der Schule klärt unsere Biologielehrerin uns mehr darüber auf, über den Verlauf, wie man sich ansteckt und über die leider hohe Mortalitätsrate. Ein bisschen mulmig wird mir dann schon, wenn ich in den vollen Bus steige. Ich achte also darauf, weniger Kontaktflächen anzufassen und mir öfter die Hände zu waschen. Aber was denken dann wohl die anderen von mir? Vielleicht hat einer diesen anderen aber auch das Virus in sich und ich handle schlau?

    Dazu kommt, dass die Schule uns alle paar Tage Elternbriefe mit Hygienehinweisen und Informationen zum Coronavirus schickt. Es kommt mir alles ein bisschen surreal vor, als würde ich in einem Film leben.

    Schließlich wird Covid-19 offiziell zur Pandemie erklärt, und am 13. März werden alle Schulen geschlossen. In den Osterferien tritt der erste Lockdown in Kraft. Anfangs bin ich noch optimistisch, doch dann wird er immer weiter verlängert. Gleichzeitig fängt das sogenannte „Homeschooling“ an, was um ehrlich zu sein, einen sehr chaotischen Start hatte. Unsere Lernplattform Mebis kommt überhaupt nicht mit der großen Anfrage klar und stürzt ab. Unsere Lehrer weichen auf Email und „Schul.Cloud“ – die Schul-Alternative für WhatsApp – aus und übermitteln uns Aufgaben, Lernvideos, Präsentationen und Hefteinträge.

    April: Nun wird mir bewusst, wie sehr ich meine Freundinnen und Freunde und überraschenderweise auch den Schulalltag vermisse. Wir wird bewusst, dass es etwas Schönes hat, sich in der Schulgemeinschaft verbunden zu fühlen. Und nach einem Tag in der Schule kann man zuhause erst einmal abschalten.

    Im Homeschooling geht das nicht so einfach, wenn der Platz an dem ich arbeite derselbe ist, an dem ich meine Freizeit verbringen will. Und zugegeben – ich werde fauler.

    Dieses Virusbild hat Patricia Redl gezeichnet.
    Dieses Virusbild hat Patricia Redl gezeichnet.

    Mai: So langsam merke ich, wie sehr mich die Situation belastet. Schon gute zwei Monate verbringe ich die ganze Zeit Zuhause – ohne Aussicht, wann das Leben wieder normal wird. Die Schule rückt für mich immer weiter in den Hinterkopf. Meine Motivation verlässt mich allmählich. Meine Lehrer geben ihr Bestes, und darüber bin ich auch froh. Aber mehr als das Nötigste für die Schule tu ich nicht.

    Juni: Ich habe mich wirklich noch nie so gefreut, wieder in die Schule zu gehen! Nach den Pfingstferien geht es los. Zwar mit geteilten Klassen im Wechselunterricht, aber besser als komplettes Homeschooling.

    Das Schulgebäude hat sich verändert: Überall machen Schilder auf den Abstand und das Einbahnstraßen-System aufmerksam. Die Tische im Klassenzimmer sind weit auseinander gerückt. Nur am Sitzplatz dürfen wir unsere Masken abnehmen. Sogar in der Pause darf jede Klasse nur an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit gehen. Wenn man das Schulhaus betritt, muss sich jeder die Hände desinfizieren. Im Unterricht bleiben die Fenster immer offen. Wer irgendwelche Symptome zeigt, darf erst wieder nach Absprache mit dem Arzt in die Schule kommen. Die Regeln sind streng aber angemessen, finde ich.

    Juli: In den letzten Schulwochen, die uns bleiben, machen die Lehrer keine Noten mehr. Wiederholen muss dieses Jahr niemand – trotzdem kenne ich einige Schüler, die freiwillig die Klasse wiederholen.

    Die erste Jahreshälfte kann ich zusammenfassend beschreiben als „sonderbar“. Sonderbar waren die Nachrichten, das Homeschooling, die Rückkehr in die Schule, die ganzen Regeln.

    August: Zumindest weiß ich jetzt, wie ich mich, wenn ich Zuhause lerne, (nicht) verhalten soll und wie ich am besten den Stoff erarbeiten kann, falls es wieder zu einem Lockdown kommt.

    Das kommende Schuljahr soll laut Regierung normal starten. Ich bin etwas skeptisch. 900 Leute in einem Gebäude, während einer Pandemie? Kann ich mir nur schwer vorstellen.

    Lange sieht es nicht nach einem zweiten Lockdown aus

    September: Alles ist im Grunde wie im Wechselunterricht, nur dass wir eben alle da sind. Deswegen können wir nicht alle Tische einzeln auseinander schieben. Es sind immer zwei Tische beisammen. So gut es geht, sollen wir unsere Sitznachbarn nicht ändern. Nach zwei Wochen müssen wir endlich keine nervigen Masken mehr in der Schule tragen. Schulveranstaltungen wie Konzerte oder Exkursionen fallen weiterhin aus.

    Die Infektionszahlen sind nicht besonders hoch. Bis jetzt bin ich noch optimistisch, dass uns ein zweiter Lockdown erspart bleibt.

    Oktober: Zu früh gefreut: Die Zahlen steigen wieder und wir laufen wieder mit Maske durch die Schule. Kurz danach kommt es zum ersten Corona-Fall am Gymnasium, der viele auf den Ernst der Lage aufmerksam macht.

    Wenn jemand positiv getestet ist, muss ab sofort die ganze Klasse samt allen Lehrern, die sie die letzten zwei Wochen betreut haben, in Quarantäne. Die rasant steigenden Infektionszahlen machen mich fast paranoid. Wer von uns ist infiziert, ohne es zu wissen? Und wann wohl die Schulen wieder geschlossen werden?

    November: In den Pausen draußen wird es langsam so richtig kalt. Einen Vorteil hat die Maske: sie hält einen warm. Nur bei Regen- oder Schneefall dürfen wir die Zeit drinnen verbringen, was trotzdem selten vorkommt. Die ersten Schulaufgaben haben wir mit Maske im Klassenzimmer geschrieben, später tun wir das in der Turnhalle, wo dank ausreichend Abstand und guter Belüftung der Mund-Nasen-Schutz auf dem Tisch liegen darf. Für etwas anderes wird die Turnhalle eh kaum noch gebraucht – nur noch die Oberstufe hat in geteilten Gruppen Sport.

    Dezember: Ich habe immer ein komisches Gefühl, wenn ich in die volle Schule gehe – jetzt, da die Infektionszahlen so hoch sind wie noch nie. Was wenn ich mich anstecke – oder ich jemand anderen? Schließlich wird zum Distanzunterricht gewechselt. Zunächst nur für die Jahrgangsstufen acht bis elf, später für alle. Obwohl ich wirklich kein Fan dieser Unterrichtsform bin, glaube ich, dass das eine schlaue Entscheidung ist. Angeblich soll es nach den Ferien – die verfrüht beginnen – mit Wechselunterricht weitergehen. Ob das wirklich passiert, wissen wir alle nicht. Ich hoffe nur, dass ich im kommenden Jahr meinen ganz normalen Schulalltag zurückbekomme.

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