Das erfolgreiche Volksbegehren „Artenvielfalt – rettet die Bienen“, für das sich 1,7 Millionen Wahlberechtigte in Bayern ausgesprochen haben, zeigt Wirkung. Immer mehr insektenfreundliche Wildpflanzen wachsen entlang von Feldern, auf öffentlichen Grünflächen, an Straßenrändern, auf Verkehrsinseln und Böschungen. Überall sprießen Blüten, die Insekten und Kleintieren Lebensraum geben sollen. Unterschiedlich wird diese Entwicklung allerdings von Anliegern angrenzender Siedlungen aufgenommen, stellt Wertingens Umweltreferentin Hertha Stauch in einer Pressemitteilung fest. Gerade an der Staatsstraße 2027 zwischen Roggden und Wertingen scheiden sich die Geister über den Bewuchs am Straßenrand. Während sich eine Naturfreundin bei Alt-Umweltreferent Ludwig Klingler beklagte, dass am Straßenrand Mäharbeiten der Blütenpracht teilweise ein Ende gesetzt haben, kritisierten andere Anwohner bei der Stadtverwaltung, dass das „Unkraut“ entlang der Straße auf den grünen Rasen ihrer Gärten übergreife.
Klingler kann die Abneigung mancher Rasenliebhaber gegen Wildpflanzen nicht verstehen. An der Staatsstraße handele es sich um natürliche, standortgerechte Wildkräuter, die nicht angesät wurden, sondern sich dort selbst angesiedelt haben, erklärt der frühere Umweltreferent. Es sei eine vielfältige Wildkräuterfläche, die nur geringe Pflegemaßnahmen erfordere und insbesondere von Hummeln und Wildbienen bevorzugt werden.
Blühstreifen erfreuen nicht alle Wertinger
Eine andere Sache sind Blühstreifen, wie sie derzeit überall entlang von Feldern wachsen. Diese wurden bewusst angesät. Nach Meinung Klinglers dienen derartige Blühstreifen vor allem der Ästhetik. Ein Beispiel dafür gibt es zur Zeit am Ortsrand von Geratshofen. Das Amt für Landwirtschaft Wertingen hat dort einen Biodiversitätspfad eingerichtet, der sich auf vier Stationen um Laugna erstreckt. Auf entsprechenden Hinweistafeln gibt es Informationen, die per QR-Code auf dem Handy abgerufen werden können.
Tatsächlich befassen sich derzeit Experten damit, welche Wirkung Blühstreifen auf die Biodiversität – die biologische Vielfalt und Nachhaltigkeit – ausüben und kommen zu neuen Erkenntnissen, wie Heidi Terpoorten, Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz und Grünen-Politikerin, berichtet. Studien zufolge sorgen diese blühenden Kleinode für Pflanzenvielfalt, erzeugen aber nicht in jedem Fall den gewünschten Effekt. Oft ist leider das Gegenteil der Fall. „Insekten werden angelockt, ihre Fressfeinde, die Vögel, ebenso und sterben, wenn sie sich im Bereich von Straßen befinden, durch den Verkehr. Kleintiere wie Amphibien platzen sogar bei vorbeifahrendem Verkehr“, erklärt Heidi Terpoorten. Sie sieht dennoch auch das Positive der Blühstreifen: „Die Menschen werden sensibler und gewöhnen sich an die Schönheit der Wildblumen, die unsere Insekten dringend brauchen.“
Terpoorten: Sensibilität für Notwendigkeit von Wildblumen wird erhöht
Noch besser allerdings wäre ihrer Meinung nach eine weiträumige mosaikartige Vernetzung von Blühflächen, um zudem einen Austausch unter den Arten zu ermöglichen. Blühstreifen seien nur sinnvoll, wenn gewisse Kriterien beachtet werden. Sie sollten mindestens sechs bis zehn Meter breit sein, regionales Saatgut beinhalten und dauerhaft für mindestens drei bis fünf Jahre angelegt werden. Zudem müsse dort auf Pestizideinsatz verzichtet werden; denn die Gifte driften ab. „Langfristig werden wir das Artensterben nur mit natürlichen Kreisläufen, wie zusammenhängenden Blühflächen, Hecken, Gewässerrandschutz und ökologischerer Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen aufhalten können“, macht Terpoorten deutlich.
Mit der Anlage von Blühzonen befasst sich derzeit auch der städtische Betriebshof. Er beteiligt sich an einer landkreisweiten Aktion unter dem Motto „Wertingen blüht auf“ mit der Anlage von insektenfreundlichen Blühstaudenbeeten. Mit wachsender Sorge beobachten Naturfreude allerdings, dass sich in vielen privaten Vorgärten Steinwüsten ausbreiten. Steinbeete, in denen kein Vogel mehr Nahrung findet und kein Pflänzchen mehr gedeihen kann. Umweltreferentin Hertha Stauch plädiert deshalb dafür, in künftigen Bebauungsplänen eine Empfehlung für grüne Vorgärten mit aufzunehmen, wie es in etlichen Städten schon der Fall ist. (pm)
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