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Fußball-Fanreporter: Die Stimme aus Osterbuch

Fußball-Fanreporter

Die Stimme aus Osterbuch

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    Der Osterbucher Elmar Mair (links) kommentiert mit Benjamin Schwarzenberger die Spiele des FC Augsburg für Sehbehinderte.
    Der Osterbucher Elmar Mair (links) kommentiert mit Benjamin Schwarzenberger die Spiele des FC Augsburg für Sehbehinderte. Foto: Foto: Fred Schöllhorn

    Augsburg Anna Adelmann fiebert mit, in jeder Sekunde des Spiels. Mit schwarzem FCA-Schal um den Hals rutscht sie nervös auf ihrem roten Plastiksitz hin und her, gestikuliert, klatscht, feuert an. Die 52-Jährige ist immer auf Ballhöhe. Nichts deutet darauf hin, dass Adelmann ein Bundesliga-Spiel beim FC Augsburg in der Arena anders erlebt. Adelmann sieht fast nicht mehr. 47 Jahre war sie alt, seitdem nimmt ihre Sehfähigkeit wegen einer Krankheit stetig ab. Auf einem Auge sieht sie weißen Nebel, auf dem anderen nur noch einen Ausschnitt, ein kleines Viereck, beschreibt Adelmann.

    Sie ist zum ersten Mal bei einem FCA-Spiel live im Stadion dabei, sonst drückt sie die Daumen am Radio. Heute, sagt die Haunstetterin strahlend, bekommt sie ein Stück Lebensqualität zurück. „Ich könnte Bäume ausreißen.“ Vergessen ist die Niedergeschlagenheit, als ihr Mann Peter von einem FCA-Spiel nach Hause kam, euphorisch erzählte und sie dadurch noch mehr runterzog. Vergessen die Momente, in denen sie sich ausgeschlossen fühlte von der Gesellschaft.

    Heute ist Adelmann mittendrin statt nur dabei, weil zwei Männer für sie sehen. Elmar Mair (47) aus Osterbuch und Benjamin Schwarzenberger (21) kommentieren das Geschehen auf dem Rasen für Adelmann und weitere sieben Sehbehinderte und Blinde. Über Funk sind Mair und Schwarzenberger mit ihren „Kunden“ verbunden.

    Während diese im Block C sitzen, haben sich die beiden Kommentatoren ganz oben, unter den Stahlträgern des Stadiondachs, spartanisch ihren Arbeitsplatz eingerichtet: ungepolsterte Stühle, ein Tisch, mehr nicht. Weit wichtiger ist die Technik, Headset und Kopfhörer.

    Große Klappe

    Bevor es losgeht, plaudern die beiden darüber, wie sie zu ihrer Sprechrolle gekommen sind. Beide sind sie Fans, beide hatten sie nie etwas mit Radio zu tun, beide haben sie sich einfach beworben, als der FCA Kommentatoren suchte. Warum er? „Vielleicht, weil ich allgemein eine große Klappe habe“, sagt Mair schmunzelnd. Schulung gab es keine. „Ich bin ins eiskalte Wasser geworfen worden“, sagt Mair. Der Mann aus Osterbuch kommentiert heute zum dritten Mal. Als Fan im angestammten M-Block hat er sich berieseln lassen, jetzt strengt ihn ein Spiel an.

    15.30 Uhr, Anpfiff. Der erste Aufreger, den Mair verbal präsentiert, sind grüne Rauchbomben und grellrote bengalische Feuer im Gästeblock, auf dem Rasen tut sich nicht viel. Alle zehn Minuten wechseln sich Mair und Schwarzenberger ab, stöpseln die Kabel um. Die beiden wirken unaufgeregt, routiniert. „Es läuft ganz gut, ich fühle mich heute sicher“, sagt Schwarzenberger.

    Die Amateur-Kommentatoren schleppen sich ohne Höhepunkte von Minute zu Minute. Die Fans an den Kopfhörern finden Mairs „rollendes R“ und Schwarzenbergers „Augschburg“ in ihren Ausführungen authentisch statt störend. „Die machen das ganz gut“, sagt etwa der Augsburger Anton Lindenmair in der Halbzeit. Robert Weichenmeier aus Kempten lobt die modernen Geräte, die seien besser als in der Münchner Arena.

    Dort hat Weichenmeier auch schon ein Spiel miterlebt. „Es ist immer etwas anderes, im Stadion, mitten unter Leuten“, sagt der Allgäuer. Schade sei, dass im Spiel noch nichts passiert sei, fügt er hinzu. Das ändert sich. In Halbzeit zwei schildern Mair und Schwarzenberger viele Torchancen. Immer öfter greifen beide zum Pappbecher, trinken Cola und Wasser, ölen ihre Stimme.

    Am Abend sei er meist heiser und ziemlich geschafft, erklärt Mair. Dem 47-Jährigen liegt bei Mölders Chance der Torschrei auf den Lippen, Schwarzenberger muss beinahe den FCA-Rückstand nach einem Pfostenschuss der Gäste verkünden. Während die Schlussminuten mit Schwarzenberger dahinrinnen, gönnt sich Mair die Zigarette danach. „Ich bin zufrieden, ob sie es sind, weiß ich nicht“, sagt er.

    Sie sind es. Kritisieren will keiner der sehbehinderten Stadionbesucher. Anna Adelmann schwärmt von der Stimme des jungen Kommentators („sehr angenehm“), beim älteren habe sie etwas leiser gedreht, gesteht sie. Als sie an der Hand ihres Mannes die Arena verlässt, wirkt sie beschwingt – vor allem wegen der zusätzlich gewonnenen Lebensqualität. (joga)

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