1300 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, 500 Jahre jüdische Spuren im ländlichen Schwaben: Diese Jubiläumsdaten rücken aktuell in den Fokus der Erinnerungs- und Kulturarbeit im Landkreis Dillingen. Dafür stehen die Gedenkorte Binswangen mit der Alten Synagoge als Haus der Begegnung und Besinnung sowie die Gemeinde Buttenwiesen als Lernort mit der begehbaren restaurierten Mikwe, dem jüdischen Friedhof und dem Synagogengebäude.
Den Verantwortlichen für die Kulturarbeit vor Ort, Anton Kapfer für den Förderkreis Synagoge Binswangen sowie Bernhard Hof, dem Beauftragten der Gemeinde Buttenwiesen für jüdisches Erbe und Erinnerungskultur, ist es ein großes Anliegen, die Arbeit mit ihren Teams nachhaltig zu gestalten und vor allem junge Menschen dafür zu interessieren. Nachdem auch der Landkreis dieses Bemühen nachdrücklich unterstützt und fördert, konnten das Staatliche Schulamt sowie die Verantwortlichen des Landkreises für die Idee gewonnen werden, eine Informationsveranstaltung für die Schulleiterinnen und Schulleiter aller Schularten sowie interessierter Lehrkräfte anzubieten.
Auch im Unterricht an das jüdisches Erbe in Deutschland erinnern
Landrat Markus Müller gab seiner Freude Ausdruck, dass er zahlreiche Pädagoginnen und Pädagogen als der demokratischen Mitte des Kreises begrüßen durfte. Die Anwesenheit der Leiterin der Schulabteilung an der Regierung von Schwaben, Susanne Reif, der Vertreter benachbarter Schulämter sowie der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung betonten die Bedeutsamkeit der Zusammenkunft. Für die Auftaktveranstaltung, gedacht als Impuls für nachhaltige Weiterarbeit an den historischen Orten sowie im Schulunterricht, konnten die Veranstalter prominente Referenten gewinnen.
Professor Dr. Klaus Wolf, Lehrstuhlinhaber an der Universität Augsburg, zeigte die historische Entwicklung des Judentums im heutigen Bayern auf. Die Anfänge, die nach seinen Ausführungen bereits in die römische Zeit datieren, belegen die bedeutenden römischen Gründungen Regensburg und Augsburg. Wirtschaftlicher Aufschwung sowie kulturelle Errungenschaften fußten bis ins Hochmittelalter auf friedlicher Koexistenz zwischen den christlichen und jüdischen Bürgerinnen und Bürgern.
Ehemalige Staatsminister Ludwig Spaenle betont Veranwortung der Schulen
Als weiterer prominenter Redner präsentierte sich dem Auditorium der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe, MdL Dr. Ludwig Spaenle. Er würdigte die Erinnerungsarbeit in Schwaben, insbesondere im Landkreis Dillingen, und attestierte den Verantwortlichen eine Vorbildwirkung für ganz Bayern. Besonders betonte der frühere Staatsminister für Unterricht und Kultus die Verantwortung der Schulen, im Unterricht das historische Wissen zu vermitteln und durch die Orientierung an einem Wertkanon jeglichen antisemitischen Strömungen in der Gesellschaft gegenzusteuern. Es komme vor allem darauf an, die Erinnerung wachzuhalten und den Menschen, die einem "Vergessen Wollen" oder einer Leugnung der Nazi-Verbrechen das Wort reden, argumentativ zu begegnen. Darin liege eine besondere Verantwortung für die Lehrerschaft sämtlicher Schularten. Spaenle gratulierte Landrat Markus Müller und allen Beteiligten zur Durchführung dieser bayernweit einmaligen Veranstaltung mit Vorbildcharakter.
Einmaliges Projekt zur Antisemitismusprävention in Bayern
Wie Erinnerungsarbeit im schulischen Kontext effizient gestaltet werden kann, stellte Dr. Michael Salbaum, Lehrer am Dossenberger-Gymnasium in Günzburg, vor. Ein Lehrer-Team der Schule entwickelte vor 25 Jahren die Idee, für die Gedenkarbeit an der ehemaligen Synagoge Ichenhausen einen Lernzirkel zu inszenieren und Themeninhalte über die jüdische Religion und das gesellschaftliche Leben einer jüdischen Gemeinde in einem Kooperationsprojekt zu bearbeiten. Das Konzept sieht gemäß seiner Ausführungen vor, dass Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen des Gymnasiums die Schülerinnen und Schüler der vierten Klassen des Landkreises durch verschiedene Lernstationen begleiten und sie mit definierten Inhalten und Zielen befassen. Der Themenkatalog umfasst etwa die Beschäftigung mit jüdischen Persönlichkeiten, israelitischen Festen, dem Gottesdienst oder auch der Begräbniskultur.
In der Reihe der Referate stellte schließlich Bernhard Hof die historisch-politische Bildung mit dem Schwerpunkt einer Antisemitismusprävention an den Lernorten Buttenwiesen und Binswangen in den Mittelpunkt. Es gelte, einen Wertekanon zu vermitteln, der sich am Artikel 1 des Grundgesetzes orientiert und die Würde jedes Menschen verabsolutiert. Die fachliche Leiterin des Staatlichen Schulamtes Dillingen, Schulamtsdirektorin Andrea Eisenreich, ermutigte zum Abschluss die anwesenden Kolleginnen und Kollegen zu weiterem Engagement in der Sache, denn nur strukturierte Weiterarbeit führe zur erwünschten Nachhaltigkeit. (AZ)