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Interview: Herbert Dlouhy: "Es kostet Energie, Künstler zu sein"

Interview

Herbert Dlouhy: "Es kostet Energie, Künstler zu sein"

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    Herbert Dlouhy hat der zeitgenössischen Kunst in Wertingen den Weg bereitet. Das Foto entstand in der Birnen-Allee im Stadtteil Hohenreichen. Dort soll in Kürze eine weitere Dlouhy-Skulptur aufgestellt werden.
    Herbert Dlouhy hat der zeitgenössischen Kunst in Wertingen den Weg bereitet. Das Foto entstand in der Birnen-Allee im Stadtteil Hohenreichen. Dort soll in Kürze eine weitere Dlouhy-Skulptur aufgestellt werden. Foto: Brigitte Bunk (Archivbild)

    Von der Birnbaum-Allee in Hohenreichen bis zu ihren Skulpturen im Donauried bei Wertingen - Ihre Arbeiten sind überall in der Region zu finden. Welches ist Ihr eigenes Lieblingswerk?
    HERBERT DLOUHY: Mit dieser Frage tue ich mich schwer. Ich bemühe mich in jedem Werk, dass da etwas rüberkommt. Für "Heimaterden" habe ich einen Förderpreis bekommen. Da schrieb ich viele Kollegen im Ausland an, die mir Erde aus ihrer Heimat schickten. Ich habe alles zusammengefügt zu einem Kreis. Mit der Idee, dass wir alle Erdenbürger dieser einen Welt sind - und wir uns doch vertragen können. In meinem Geburtsort Römerstadt im heutigen Tschechien, aus dem meine Familie vertrieben wurde, habe ich 1991 das "offene Tor" gebaut. Wir brauchen die Völkerverständigung mit dem Osten, das ist eine Grundlage meiner Arbeit.

    Es heißt ja, dass Sie mit der Unterstützung des früheren Bürgermeisters Dietrich Riesebeck ein Wegbereiter für die zeitgenössische Kunst in Wertingen waren? Welches Werk in der Zusamstadt ist Ihnen besonders wichtig?
    DLOUHY: Diese Frage ist schon wieder nicht leicht. Mit dem Mahnmal der Heimatvertriebenen beim Wertinger Schloss gehe ich an die Wurzeln meines Daseins. Obwohl ich erst drei war, habe ich die schrecklichen Bilder dieser wilden Vertreibung aus dem Sudetenland in Erinnerung. Tschechen und Russen waren da nicht freundlich. Ich kam mit den Großeltern nach Memmingen, dort fanden wir meine Mutter wieder. Wir mussten zu sechst in einem Raum in einem Stall leben. Das Mahnmal ist aus herausgebrochenen, zersägten Steinen gefertigt. Das daraus erbaute Kunstwerk hat die Form eines Hauses. Das Herausbrechen erinnert an das Leben vieler Heimatvertriebener, die aus Trümmern eine neue Existenz aufgebaut haben.

    Die Skulptur "Knkochen des Untergangs und der Wiedergeburt" von Baird Cornell steht seit September 2020 an der Birnen-Allee zwischen Hohenreichen und Possenried. Auf dem Bild: (von links)  die Künstler Baird Cornell und Herbert Dlouhy, der Initiator der Birnen-Allee.
    Die Skulptur "Knkochen des Untergangs und der Wiedergeburt" von Baird Cornell steht seit September 2020 an der Birnen-Allee zwischen Hohenreichen und Possenried. Auf dem Bild: (von links) die Künstler Baird Cornell und Herbert Dlouhy, der Initiator der Birnen-Allee. Foto: Brigitte Bunk (Archivbild)

    "Kunst im Schloss", Künstlerwohnung für Stipendiaten, Artothek, Skulpturenpfad, Bänke und Birnenallee - Wertingen ist heute auch durch Ihr Zutun eine Stadt der Kunst. Dabei stieß Ihre Arbeit immer wieder auf heftige Widerstände. Warum?
    DLOUHY: Das weiß ich nicht. Meine Sonnenzeichen, drei Stelen aus Stahl, wurden anfang der 1980er Jahre geschändet. Da wurde eine Grenze überschritten. Eines Tages hing ein totes Schwein an einer Stele. Danach Schlachtabfälle von Kühen. Die Worte an den Stelen "Erst das Schwein, danach die Kuh, dann der Künstler selbst dazu" haben mich schon getroffen. Ich empfand das als Morddrohung und habe Anzeige erstattet. Heute stehen die Sonnenzeichen in Bayreuth.

    Sind die Anfeindungen inzwischen Vergangenheit?
    DLOUHY: Leider nicht. Die Bäume an der Birnenallee in Hohenreichen wollte ein Unbekannter mit Salz zum Absterben bringen. Bei einer Skulptur wurde die Botschaft hinterlassen, dass das Schrott sei, die auf den Abfall gehören. Es kostet schon Energie, Künstler zu sein.

    Jetzt wird wieder über die Verkehrsberuhigung am Wertinger Marktplatz diskutiert. Sie hatten da auch Ideen?
    DLOUHY: Mit Kunstprofessor Hans Malzer hatte ich einen Wettbewerb für die Innenstadtgestaltung gewonnen. Der Wertinger Würfel, ein Brunnen, der auf der Spitze steht, wurde verwirklicht. Das große Tor in Richtung Thürheimer Tor nicht. Die Busse würden nicht durchkommen, hieß es. Natürlich hätten sie vorbeifahren können, aber nur ganz langsam.

    Wie werden Sie am Dienstag Ihren 80. Geburtstag begehen?
    DLOUHY: Wir sind hier in unserem Haus im Allgäu. Und ich werde mit meiner Frau Ilse, der ich so viel verdanke, zum Essen gehen. Am Wochenende kommen meine Tochter und mein Sohn, da machen wir einen schönen Spaziergang. Auch die beiden Enkel werden dabei sein.

    Der Wertinger Steinmetzmeister Ulrich Kempter-Kaim (vorne) hat das neueste Kunstwerk an der Birnbaumallee geschaffen, das bei Possenried zu sehen ist. Mit ihm auf dem Bild sind Herbert Dlouhy, Johannes Deisenhofer, Andreas Kraus und Bürgermeister Willy Lehmeier (von links).
    Der Wertinger Steinmetzmeister Ulrich Kempter-Kaim (vorne) hat das neueste Kunstwerk an der Birnbaumallee geschaffen, das bei Possenried zu sehen ist. Mit ihm auf dem Bild sind Herbert Dlouhy, Johannes Deisenhofer, Andreas Kraus und Bürgermeister Willy Lehmeier (von links). Foto: Brigitte Bunk (Archivbild)

    Für Ihr besonderes Engagement in Sachen Kunst haben Sie vor drei Jahren die Silberdistel unserer Zeitung erhalten. Hat sie einen Ehrenplatz?
    DLOUHY: Ja, ich bin besonders stolz auf die Silberdistel. Das hat mir den Rücken gestärkt. Viele Menschen haben das sehr gewürdigt, dass ich diese Auszeichnung erhalten habe.

    Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
    DLOUHY: Leider bin ich nicht mehr ganz so kräftig. Aber ich würde gerne noch einige Dinge angehen, die Wirkung haben. Vielleicht muss ich mir bei den Skulpturen helfen lassen. Am Aschermittwoch soll eine neue Skulptur von mir in der Birnenallee in Hohenreichen aufgestellt werden. Ich würde auch gerne noch einige Ausstellungen zu relevanten Themen der Zeit machen.

    Zur Person

    Herbert Dlouhy wurde am 22. Februar 1942 in Römerstadt, heute tschechisch Rýmařov, geboren. Nach der Vertreibung aus dem Sudetenland kommt Dlouhy über Wittenberg und Memmingen nach Wertingen. Er studiert an der pädagogischen Hochschule in Augsburg und macht das Staatsexamen für Kunsterziehung in München. Als er bereits in Buttenwiesen und Bliensbach an Volksschulen und Realschulen in Meitingen und

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