Vor zahlreich erschienenem Publikum hielt Prof. Dr. Klaus Wolf von der Universität Augsburg am Montag im Colleg in Dillingen einen interessanten Vortrag über den Dichter Ulrich von Thürheim. Der Vorsitzende des Historischen Vereins Dillingen,Arnold Schromm, gab zu Beginn einige Informationen zu Biografie und wissenschaftlichem Werdegang des Referenten und wies in diesem Zusammenhang auch auf dessen 2018 erschienenes Werk „Bayerische Literaturgeschichte. Von Tassilo bis Gerhard Polt“ hin. Auch Ulrich von Thürheim kommt in diesem Werk vor. Der schwäbische Autor wird dort als einer der „begabtesten einheimischen Dichter der späten Stauferzeit“ bezeichnet.
Dies konkretisierte Klaus Wolf in seinem Vortrag. Er informierte das interessierte Publikum anhand ausgewählter Textbeispiele detailliert über die in Ulrichs Werk aufscheinenden biografischen Nachweise zu dessen Person. Grundsätzlich gilt der schwäbische Autor als Fortsetzer der Versromane „Tristan“ von Gottfried von Straßburg und „Willehalm“ von Wolfram von Eschenbach. Dies hatte Ulrich von Thürheim in der Vergangenheit landläufig die abwertende Bezeichnung „Epigone“ eingebracht. Die Ausführungen Wolfs zielten aber darauf ab, die Leistung des schwäbischen Autors, der um 1240, zur Zeit des Staufer-Kaisers Friedrich II. wirkte, neu zu bewerten und deutlich höher einzustufen.
Er verkehrte bald in höchsten Kreisen
Dabei stellte er zunächst fest, dass Ulrich von Thürheim ein hochgebildeter Mann gewesen sein muss, der in der Lage war, ohne Probleme aus dem Altfranzösischen zu übersetzten, denn die Vorlagen seiner Versepen stammten von französischen Autoren. Offensichtlich hatte er, wahrscheinlich in Augsburg, eine Lateinschule besucht, in der er von Klerikern in Grammatik, Dialektik und Rhetorik unterrichtet worden war. Dabei verkehrte er bald in höchsten Kreisen. Seine Fortsetzung des „Tristan“ widmete er dem Reichsschenken Konrad von Winterstetten. Dieser starb 1243. Im „Rennewart“, der Fortsetzung des „Willehalm“, beklagt Ulrich von Thürheim dessen Tod. Daraus ergibt sich eine klare Datierung: Ulrichs „Tristan“ ist vor 1243 entstanden, der „Rennewart“ danach. Der Dichter Rudolf von Ems, der für den gleichen Gönner arbeitete und ohne Zweifel mit Ulrich von Thürheim persönlich bekannt war, hat diesen in seinem Werk „Wilhelm von Orlens“ als Dichter des „Cligès“ erwähnt. Deswegen hält man den ohne Autorennamen nur fragmentarisch überlieferten „Cligès“ auch für ein Werk Ulrichs von Thürheim.
Bis ins ausgehende Mittelalter ein wahrer Bestseller
Damit wäre der Schwabe Ulrich der Dichter dreier bedeutender Versromane des Mittelalters. Alle drei sind Übertragungen aus dem Altfranzösischen, aber mit deutlichen eigenen inhaltlichen Akzentsetzungen Ulrichs. Er ist damit neben dem berühmten Wolfram von Eschenbach oder Hartmann von Aue einer der produktivsten Dichter des hohen Mittelalters gewesen. In seinem „Rennewart“ führte Ulrich von Thürheim die spannende Geschichte des Grafen Willehalm und seiner vom Islam zum Christentum konvertierten Frau Arabel, sie nimmt dann den Taufnamen Gyburc an, in nicht weniger als 30.000 Versen zu Ende. Dieses Riesenepos, in dem es um ritterliche Heldentaten, gefährliche Kämpfe und tief empfundene Liebe – Minne genannt – geht, war bis ins ausgehende Mittelalter ein wahrer Bestseller und fand in vielen Handschriften weite Verbreitung über ganz Süddeutschland.
Ulrichs Bezug zu Augsburg wird auch durch den Umstand deutlich, dass seine Arbeit über mehrere Jahre durch einen reichen Augsburger Bürger gefördert wurde. Otto der Bogner, eine Art Fugger des 13. Jahrhunderts, beschaffte und bezahlte für Ulrich die notwendigen, teuren Original-Pergamenthandschriften aus Frankreich, die er für seine Arbeit als Textquellen benötigte. So dürfte sich Ulrich ab einer gewissen Zeit nur noch selten in seiner kleinen Burg auf dem Thürlesberg bei Wertingen aufgehalten haben. Vielmehr hatte er zu dieser Zeit seinen Lebensmittelpunkt in die Domstadt Augsburg verlegt, wo er bestimmt auch am Hof der Bischöfe Siboto von Seefeld (1227–1247) und Hartmann, Graf von Dillingen (1248-1286, nachweislich seit 1247 Domherr in Augsburg), verkehrte. Dass Ulrich von Thürheim den Zeitgenossen Graf Hartmann V. von Dillingen, ob als Mitschüler oder Lehrer, kannte, darf sicher angenommen werden.
Eine der Fragen, die das Publikum im Anschluss beschäftigte, war auch die nach dem ursprünglichen Ansitz, der Burg des Dichters Ulrich von Thürheim. Es konnte festgehalten werden, dass sich heute durch Zerstörungen und moderne Eingriffe in das Gelände auf dem Thürlesberg bei Wertingen kaum noch etwas Verwertbares nachweisen lasse. Der Ort war aber schon in der Kelten- und Römerzeit besiedelt. Später dürfte sich an diesem Ort eine Fliehburg des 10. Jahrhunderts befunden haben, die sich dann seit dem 11. Jahrhundert zur Wohnburg eines seit 1126 erwähnten Ortsadligen weiterentwickelte. Ob es sich bei der Burg Ulrichs um einen einfachen Wohnturm aus Holz auf einer Hochmotte, einem kegelartig aufgeschütteten Hügel, gehandelt hat, wie man ihn etwa noch in Aislingen auf dem Sebastiansberg sehen kann, oder um einen schon in Steinbauweise errichteten Adelssitz, kann heute wohl nicht mehr geklärt werden.
Vortrag erscheint im Jahrbuch des Historischen Vereins
Organisiert wurde der Vortrag vom Historischen Verein Dillingen in Zusammenarbeit mit der VHS Dillingen. Auf Wunsch einiger aus dem Raum Wertingen/Unterthürheim angereister Zuhörer versprach Prof. Klaus Wolf, seinen Vortrag auch demnächst noch einmal in Unterthürheim zu halten. Der Vortrag wird in Bälde in einem ausführlicheren Aufsatz im Jahrbuch des Historischen Vereins Dillingen erscheinen. Festzuhalten ist, dass Ulrich von Thürheim von der modernen germanistischen Forschung nunmehr in die Reihe der ganz großen Dichter der Staufischen Klassik eingeordnet wird. (AZ)
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