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Wissenschaft: Bleibt die Napoleonstanne doch stehen?

Wissenschaft

Bleibt die Napoleonstanne doch stehen?

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    Die Napoleonstanne ist das heimliche Wahrzeichen Wertingens. Eigentlich soll sie bald gefällt werden. Doch der Allmannshofener Wissenschaftler Professor Dr. Michael Heine will den Baum als Forschungsobjekt nutzen.
    Die Napoleonstanne ist das heimliche Wahrzeichen Wertingens. Eigentlich soll sie bald gefällt werden. Doch der Allmannshofener Wissenschaftler Professor Dr. Michael Heine will den Baum als Forschungsobjekt nutzen. Foto: Prof. Dr. Michael Heine

    Eigentlich ist das Schicksal der Napoleonstanne besiegelt. Der 100 Jahre alte Baum – der eigentlich keine Tanne, sondern eine Fichte ist – ist den Zusamtalern im Lauf der Jahre ans Herz gewachsen. Auch zu Silvester war der Ort um die Napoleonstanne wegen des schönen Ausblicks über Wertingen als Treffpunkt sehr beliebt. Da der Baum aber tot ist und die Gefahr von Astbruch von den Verantwortlichen in der Stadtverwaltung gesehen wird, sollte der Baum eigentlich zeitnah gefällt werden. Über die Wertinger Zeitung lief eine Abstimmung für den „Nachfolgebaum“, bei der sich sehr viele Zusamtaler beteiligt hatten.

    Durch eben diese Abstimmung wurde allerdings Professor Dr. Michael Heine auf die Napoleonstanne aufmerksam. Und der Materialwissenschaftler von der Universität Augsburg bringt nun eine völlig neue Idee ins Spiel: Er würde den Baum gerne mit einem „Exoskelett“ aus Carbon stützen – und somit stehen lassen. Denn für die Wissenschaft bringe der Baum gleich mehrere äußerst begehrte Eigenschaften mit. „Wir waren für unsere Studien eigentlich immer auf der Suche nach einem Baum wie der Napoleonstanne“, sagt Heine. Was er und sein Team nun vorhaben, wäre laut seiner Aussage weltweit einzigartig.

    Heine war 25 Jahre lang bei der Meitinger Firma SGL Carbon angestellt, als „Innovation Manager“, bevor er in die Wissenschaft wechselte. Er hat laut eigener Aussage maßgeblich an der Entwicklung der Carbon-Keramikbremsscheibe für Porsche mitgewirkt. Heine beschäftigt sich hauptsächlich mit Carbon-Faserverbundstoffen – chemische Verbindungen mit dem Element Kohlenstoff. Diese Materialien sind laut Heine besonders fest und halten äußeren Witterungsbedingungen besonders gut stand. Außerdem sind sie vergleichsweise leicht. Mittlerweile lehrt und forscht Heine zu diesen Materialien an der Universität Augsburg.

    Die Kohlenstoffverbindungen werden bereits häufig im Maschinenbau eingesetzt, oder als Verstärkung in Beton. Doch immer öfter auch in Bereichen, bei denen Technik und Biologie Schnittstellen bilden. So werden bereits zahlreiche Hilfen für bewegungseingeschränkte Menschen, etwa Schlaganfallpatienten, erprobt und eingesetzt. Bei Bäumen aber noch nicht. Und genau das will Heine ändern.

    Dafür müsste der bisherige Plan, den Baum zum größten Teil einzukürzen, verworfen werden. Wenn sich die Stadt darauf einlassen würde, könnte laut Heine ein weltweit einzigartiges Ensemble mit der nachgepflanzten Küstentanne entstehen. Er will, gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Firma iii-Carbon, Franz Weißgerber, ein stützendes Korsett aus Carbon an den Baum anlegen. Da der Baum nach Einschätzung Heines noch stabil ist, könnte er problemlos mit diesen Maßnahmen jahrzehntelang bestehen bleiben. „Durch die Verwitterung könnte ein eindrucksvolles Natur-Kunstwerk entstehen, das im Ensemble mit der nachgepflanzten Küstentanne einzigartig ist“, sagt Heine.

    Doch wichtiger als der ästhetische Nutzen sind Heine und seinen Mitstreitern die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die sich aus der Arbeit mit der Napoleonstanne ziehen ließen. Als Testobjekt sei der Baum nahezu ideal. Der im 90-Grad-Winkel abstehende Ast, der dann nach oben gewachsen ist, sei eine Besonderheit, an der die Forschungen gut anknüpfen könnten. Heine will an dieser natürlichen, statischen Schwachstelle eine Art „Manschette“ aus Carbonverbundstoffen anlegen. Die Forschungsarbeit an der Napoleonstanne könnten allerhand Erkenntnisse zu Statik, Wettereinwirkung oder anderen Bereichen liefern. Die Daten sollen laut Heine unter anderem mit einer Drohne ermittelt werden, die den Baum mit speziellen Kameras abtasten könnte.

    Die Erkenntnisse aus der Arbeit mit der Napoleonstanne könnten sich nicht nur auf die Erhaltung von sterbenden Baumriesen beschränken, sondern auch für die Stabilisierung von gesunden, lebenden Bäumen. Astbruch und die damit einhergehenden Risiken für die Bevölkerung seien in vielen Kommunen ein großes Thema.

    Bleibt die Frage: Wer bezahlt das teure und aufwendige Forschungsprojekt, sollte es denn je realisiert werden? Heine dazu: „Aktuell werden Gespräche mit den Baumexperten des Bund Naturschutz geführt, wie in geeigneter Weise ein gemeinsames Projekt gestartet werden kann.“Geht alles glatt, würde die Organisation die Kosten übernehmen, Wertingen müsste nichts bezahlen.

    Der Baumbeauftragte der Zusamstadt, Ludwig Klingler von den Grünen, will sich in größerer Runde demnächst mit Heine treffen und mit ihm über seine Ideen sprechen. „Es müsste eine Vielzahl von Punkten geklärt werden, bevor man darüber beraten kann“, sagt Klingler.

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