Der Druck auf Wertingen, Wohnraum zu schaffen, ist enorm. Die Zusamstadt ist die am schnellsten wachsende Kommune im ganzen Landkreis, was viel mit der Nähe zu Augsburg zu tun hat.
Gerade in Rieblingen sind deshalb Wohnungen äußerst beliebt – die Schaffung solcher kann für den Bauherren ein sehr lukratives Geschäft bedeuten. Doch beim Bau von Wohnraum und der Bewahrung der Dorfidylle begeben sich die Verantwortlichen in ein Spannungsfeld, wie am Mittwoch im Bauausschuss des Stadtrates nur zu deutlich wurde.
In Rieblingen soll ein Stadel einem großen Wohngebäude weichen
Konkret ging es um den Antrag eines Investors, der in Rieblingen anstelle eines alten Stadels ein großes Gebäude mit Wohnungen errichten will. Der den Stadträten zur Abstimmung vorgelegte Antrag sah zwölf Wohneinheiten in einem 37 Meter langen und zwölf Meter breiten Gebäude vor. Über Erdgeschoss und erstem Stock ist auf dem Plan ein Dachgeschoss eingezeichnet, dass aufgrund seiner Größe von Stadtbaumeister Anton Fink ebenfalls als Vollgeschoss eingestuft wurde. (Fotograf eröffnet neues Café in Wertingen: Das steckt dahinter)
Ist so ein Gebäude für den dörflichen Charakter Rieblingens zu groß?
In dem Dorfgebiet gebe es zwar landwirtschaftliche Gebäude in derselben Größenordnung, so Fink, allerdings keine vergleichbare Wohnbebauung. Und hier setzte Stadtrat Johann Bröll (CSW), der selbst aus Rieblingen stammt, seine Kritik an. „In diesen Dimensionen fügt sich der Bau nicht in die Umgebung ein“, sagte Bröll. Die Schaffung von Wohnraum sei grundsätzlich notwendig und sehr begrüßenswert – allerdings müsse der Bauherr hier verkleinern. Neue Wohnungen dürften nicht zur Folge haben, dass der dörfliche Charakter Rieblingens verloren gehe. (In Wertingen braut sich was zusammen)
Nicht nur die reine Optik störte die Stadträte. In mehrerer Hinsicht betrachteten sie die Pläne des Investors als zu sehr auf Kante genäht. Laut der Stellplatzverordnung der Stadt Wertingen muss der Bauherr 22 Plätze für Autos bereitstellen. Für eine Wohnung zwischen 50 und 80 Quadratmetern Wohnfläche müssen laut Verordnung rechnerisch anderthalb Stellplätze bereitgestellt werden. Für Wohnungen zwischen 80 und 120 Metern Wohnfläche sind für den Bauherren zwei Stellplätze fällig.
Das letzte Wort zum Rieblinger Projekt hat das Dillinger Landratsamt
Der Investor stellt zwar die 22 Stellplätze auf dem Grundstück zur Verfügung – doch das könnte in den Augen der Stadträte dennoch zu Problemen führen. Auf dem Land sei man besonders auf das Auto angewiesen, sagte Bürgermeister Willy Lehmeier. Da zudem die Abstellräume in der Planung klein ausfallen, sei zu befürchten, dass die Bewohner ihre Garagen für die Lagerung für Fahrräder und Ähnliches nutzten – und ihre Autos am Straßenrand parkten. „Ein Keller wäre angebracht“, so Johann Bröll.
Auch Michael Humbauer (CSW) sah die Parkplatzsituation kritisch und gab zu bedenken, dass sich in der Nähe das Feuerwehrhaus befinde. Sollten bei einem Notfall die Feuerwehrleute aufgrund mehr abgestellter Autos selbst keinen Parkplatz mehr finden, könnte das einen Einsatz verzögern. Die Stadträte lehnten das Projekt mit 1:6 Stimmen ab – lediglich Peter Hurler (Grüne) stimmte für die Bewilligung.
Das letzte Wort hat allerdings wie immer das Landratsamt. Und dieses hatte der Bauvoranfrage des Investors schon grünes Licht gegeben, obwohl es im Norden des Grundstücks einen Rinderstall gibt, von dem eine deutliche Geruchsbelastung ausgehe. Der Bau wurde mit der Auflage versehen, dass eine Mauer zum Rinderstall gebaut wird.
Was der Wertinger Bürgermeister dazu sagt
Bürgermeister Lehmeier sagte bedauernd, dass durch das Bereitstellen von Stellplätzen für Autos wertvolle Flächen bei der Gewinnung von Wohnraum verloren gingen. Und es ist für Bauherren auch nicht immer möglich, hier kreativ zu werden – das wurde deutlich an einem Bauantrag, der direkt im Anschluss behandelt wurde.
Auch in Wertingen ist ein großes Projekt geplant
Im Mühlwinkel in der Wertinger Kernstadt will ein Bauherr ein bestehendes Haus, in dem derzeit zwei Wohnungen eingerichtet sind, sanieren und mittels eines Anbaus insgesamt sechs Wohneinheiten herstellen. Dafür bräuchte es insgesamt zehn Stellplätze. Auf dem eigentlichen Grundstück kann der Bauherr allerdings nur fünf bereitstellen. Die restlichen fünf sollten in seiner Vorstellung auf einem rund 50 Meter entfernten Grundstück angemietet und bereitgestellt werden.
Diesen Plan beurteilte Stadtbaumeister Anton Fink kritisch. Grundsätzlich sei es durchaus möglich, Stellplätze für ein Wohngebäude auf einem Grundstück in der Nähe – sprich maximal 100 Meter entfernt – bereitzustellen. „Das müsste dann allerdings über eine festgeschriebene Dienstbarkeit geregelt sein, und nicht bloß angemietet“, so Fink.
Sonst bestehe die Gefahr, dass irgendwann einfach gekündigt werde und die Bewohner keine Stellplätze für ihre Autos zur Verfügung hätten. Dieser Argumentation schlossen sich die Ausschussmitglieder an und lehnten den Antrag einstimmig ab. Nachverdichtung sei wichtig, betonte Bürgermeister Lehmeier. „Aber von jetzt zwei auf sechs Wohneinheiten zu gehen ist hier vielleicht etwas zu viel des Guten.“
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