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Wertingen: Wertinger Medizinzentrum: Stimmen nach der Debatte

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Wertinger Medizinzentrum: Stimmen nach der Debatte

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    Diese Postkarte zeigt das Wertinger Krankenhaus kurz nach seinem Bau Anfang der 1960er-Jahre. Erst nach und nach entwickelte sich in seinem Umfeld Wohnbebauung und das Wertinger Schulzentrum.
    Diese Postkarte zeigt das Wertinger Krankenhaus kurz nach seinem Bau Anfang der 1960er-Jahre. Erst nach und nach entwickelte sich in seinem Umfeld Wohnbebauung und das Wertinger Schulzentrum. Foto: Postkarte von 1975

    Eine emotional aufgeladenere Stadtratssitzung als jene im Oktober hatte wohl keiner der zahlreichen Zuschauer je erlebt. Die Diskussion um einen Teil des geplanten „Medizinzentrums“ am Wertinger Krankenhaus wurde mit einer beispiellosen Heftigkeit geführt. Es waren fast ausschließlich alteingesessene Lokalpolitiker der CSU, die vor allem Bürgermeister Willy Lehmeier wiederholt scharf angriffen (Wertingen gibt Reitenberger grünes Licht).

    Während geschlossen Zustimmung zum Bau einer Pflegeschule, eines Parkdecks und eines Pflegeheims auf dem Krankenhausgelände signalisiert wurde, endete die Grundsatzfrage um den Bau eines Ärztehauses von Ulrich Reitenberger in einer Kampfabstimmung. Mit 13 zu acht beschloss die Stadt jedoch, Reitenberger den formalen Rahmen für weitere Planungen zu ermöglichen. Dafür hagelte es vonseiten der CSU massive Kritik. Zuvor war ein Antrag der CSW, die Abstimmung zu verschieben, knapp gescheitert.

    Der Wertinger Ebersberg soll entlastet werden

    Die neuen Stadträte hatten es inmitten der Wortgefechte schwer, ihre eigenen Standpunkte zu dem Thema zu äußern. Markus Müller sitzt seit März für die Freien Wähler neu im Stadtrat und sieht die Debatte unnötig zugespitzt. „Es wird von manchen so getan, als gehe es nur um einen Machtkampf zwischen Parteien. Das Thema wurde aber bereits in den vergangenen Jahren durch verschiedene Initiativen und Abstimmungen in Kreis und Stadt über Parteigrenzen hinweg auf den Weg gebracht.“ Nun gelte es für ihn, „sachorientiert“ Lösungen zu gestalten.

    Müller habe für den Grundsatzbeschluss gestimmt, weil in einem Planungsverfahren kritische Punkte eingebracht, geprüft und im Stadtrat abgewogen werden könnten. Unabhängig von den Plänen für das Medizinzentrum fordert er, dass bereits jetzt eine Verbesserung der Verkehrssituation und der Schulwegsicherheit auf den Weg gebracht werden müsse – der Ebersberg muss so bald, wie es geht, entlastet werden, findet Müller. Die angedachte Tiefgarage und ein Parkhaus würden die Parkplatzsituation im Umfeld verbessern.

    Bevor es einen Turm in Wertingen gibt, müsse erst eine Tangente her

    In Sachen Verkehrssicherheit ist Müller ganz einer Meinung mit seinem Stadtratskollegen Franz Bürger junior, der für die von manchem ausgemachte „Gegenseite“, nämlich die CSU, neu im Stadtrat sitzt. Für Bürger ist es eine zwingende Voraussetzung für die Zukunft des Krankenhauses, dass die Verkehrsplanung oberste Priorität bekommt. Und dafür braucht es seiner Meinung nach die nördliche Entlastungsstraße. „Kein Tower vor der Nord-Ost-Tangente!“, so Bürgers klare Meinung. Das heißt aber nicht, dass er das Projekt des Investors rundheraus ablehnt. Anders als der Rest seiner Fraktion hat Bürger für den Grundsatzbeschluss in Sachen Reitenbergers Ärztehaus gestimmt – mit der weiteren Ausnahme von Michael Humbauer (CSW).

    Auch der Hirschbacher ist neu im Stadtratsgremium. Er begrüßt die Initiative Reitenbergers grundsätzlich, ist gegenüber den konkreten Plänen des Investors aber skeptisch – und hofft in den nun anstehenden Verhandlungen zwischen Stadt und Reitenberger auf Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten. „Jedes Stockwerk, das Herr Reitenberger weniger baut, ist mir lieber“, sagt Humbauer im Hinblick auf dessen Planungen mit elf Etagen.

    Gerade die ausgiebige Wohnungsnutzung innerhalb des angedachten Turms findet er problematisch, denn die möglichen neuen Anwohner könnten die Situation am Ebersberg noch komplizierter machen. Andererseits weist Humbauer auch darauf hin, dass das Krankenhaus Anfang der 1960er-Jahre ganz alleine auf der grünen Wiese auf dem Ebersberg stand. Bei allem Verständnis für die Anliegen der (neuen) Anwohner könne und müsse man dann in jeder Interessensabwägung die Frage stellen: „Wer war zuerst da?“

    Auch in der Nachbarschaft des Wertinger Krankenhauses rumort es

    Schon jetzt rumort es in der Nachbarschaft des Krankenhauses gewaltig. Der Anwohner Klaus Lang griff die Argumente der CSU auf und initiierte eine Unterschriftenaktion. Dabei kamen mehr als 1000 Unterschriften zusammen. Diese Zahl bestätigt die Stadtverwaltung, bei der die Unterschriften mittlerweile liegen.

    Bei einem kuriosen Auftritt hatte sich Lang ohne Rederecht in der Stadtratssitzung am 21. Oktober, unmittelbar vor der entscheidenden Abstimmung, zu Wort gemeldet und die Berücksichtigung seiner gesammelten Unterschriften verlangt. Von Bürgermeister Willy Lehmeier war ihm zuvor zugestanden worden, diese in der anschließenden Pause abzugeben. Lehmeier forderte Lang auf, den Raum zu verlassen, was dieser schließlich laut schimpfend tat.

    Eine Woche zuvor hatte Lang sich jedoch schon in der Sitzung des Bauausschusses zu Wort gemeldet und sein zugestandenes Rederecht deutlich überzogen. Die bis dahin gesammelten Unterschriften übergab er in dieser Sitzung trotz vorhergehender Ankündigung nicht.

    Was halten Architekten vom Wertinger Turm?

    Das Problem ist der Datenschutz. Unsere Zeitung hat keine eigene Zählung und Sichtung der Unterschriften durchgeführt, da auf dem Formular jeder Hinweis darauf fehlt, dass sich die Unterzeichner mit der Weitergabe ihrer Informationen an Dritte einverstanden zeigen. Der Geschäftsführer der Stadt Wertingen, Dieter Nägele, schätzt die Situation so ein: Die Stadtverwaltung dürfe die Unterschriftenliste einsehen, da eine Übergabe an den Bauausschuss auf dem Formular angekündigt wurde. Anders sehe es jedoch mit einer Weitergabe an das Landratsamt aus. Eine solche wäre aus Sicht des Juristen Nägele „problematisch“ – die Unterzeichner hätten sich damit auf dem Formular einverstanden zeigen müssen.

    Kritik an dem Vorgehen in der Causa Turmprojekt kommt aber noch aus ganz anderer Richtung. In einer gemeinsamen Stellungnahme sprechen sich vier Architekten aus dem Landkreis gegen den aktuellen Plan aus – Michael Gumpp, Ingo Blatter, Andreas Georgens und Wolfram Winter.

    Die vier Architekten raten davon ab, das Vorhaben Reitenbergers zu unterstützen, bevor nach Alternativen gesucht worden ist. Die Architekten halten es für sinnvoll, einen Ideenwettbewerb mit festgesetztem Zeitrahmen auszurichten, bei dem verschiedene Planungsbüros ihre eigenen Konzepte vorlegen. „Erst im Vergleich lässt sich sagen, was für Wertingen und den Landkreis die richtige Lösung ist – dieser Vergleich liegt im Moment aber noch nicht vor“, heißt es in der Erklärung. Durch einen Ideenwettbewerb ließe sich auch die Neutralität wahren.

    „Die öffentliche Hand kommt ihrer Pflicht nach, unabhängig zu bleiben, und erarbeitet einen Rahmen, in dem im zweiten Schritt das Projekt eines privaten Investors umgesetzt werden kann“, sagt Michael Gumpp. Sollte sich dann Reitenbergers Turm den Stadträten immer noch als bestes Ergebnis darstellen, raten die Architekten, das Bauvorhaben an einen „Realisierungswettbewerb“ und die Begleitung durch den Temporären Gestaltungsbeirat der Bayerischen Architektenkammer zu knüpfen.

    Warum? „Ein Turm von über 40 Metern Höhe ist nicht nur stadtbildprägend, sondern würde den höchsten Punkt Wertingens am oberen Riedrand um etwa 20 Meter überragen und die Silhouette Wertingens weithin sichtbar verändern“, sagt der Unterzeichner Wolfram Winter. Ob das gut oder schlecht sei, bei dieser Beurteilung könne dann der Gestaltungsbeirat helfen.

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